30 Jahre Renovabis

Gauck ruft zur Unterstützung der Ukraine auf

Anlässlich des 30-jährigen Bestehens des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis hat der frühere Bundespräsident Joachim Gauck appelliert, aus der Geschichte zu lernen. Derzeit seien weder Kompromisse oder ein Ende des Krieges in der Ukraine absehbar.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck wünscht sich mehr Unterstützung im Ukraine-Krieg. © Kiderle

Im Zentrum des Abends stand der Ukraine-Krieg und die wertvolle Hilfe, die Renovabis vor Ort mit seinen Partnern leiste. Der Westen müsse den Blick der Osteuropäer intensiver wahrnehmen, riet Bundespräsident a.D. Gauck. "Das westliche Europa braucht etwas von dem Geist der Zuversicht und der Freiheitsliebe, der etwa im Baltikum, in Polen, aber auch in Moldau vorherrscht", sagte Gauck. Die Annahme, dass Stabilität und Frieden Vorrang gegenüber imperialem Machtstreben gewonnen hätten, sei ein Irrtum. Die Vorstellung, dass wirtschaftliche Verflechtungen gleichzeitig zu Liberalisierung und Annäherungen mit Russland oder anderen autokratischen Staaten führen würden, sei lediglich ein Wunschdenken gewesen.

Für Gauck war an dem Abend zentral, aus der Geschichte zu lernen: „Wir müssen jene unterstützen, die bereit sind, ihre Freiheit zu erkämpfen, oder, wie jetzt, zu verteidigen.“ Militärische Hilfe für die Ukraine muss im Zentrum stehen und weniger unsere Gefühle beim Gedanken an den Einsatz von Waffen. Oppositionelle haben sich von dem Gedanken verabschiedet, dass Veränderung von oben kommt. Nach deren Meinung müsse eine Veränderung von unten, aus der unterdrückten Gesellschaft kommen. Stattdessen zeige die westdeutsche Entspannungspolitik, dass sie „strategisch auf die Übereinkunft mit den Regierungen und die Sicherung des Status quo ausgerichtet“ bleibt.

Gauck sieht deutsche Russland-Politik als gescheitert

Derzeit stehe noch nicht fest, wie und wann der Krieg enden werde. „Wir wissen aber, was auf dem Spiel steht - für die Ukraine, aber eben auch für uns, für die freien Nationen insgesamt.“ Die deutsche Russland-Politik betrachtet Gauck als gescheitert. Der Altbundespräsident weiter: „Warum wollen wir nicht wahrhaben, nicht sehen, mit welchen imperialen Interessen Putin agiert?“ Die liberalen Demokratien in der EU und der Nato seien von Russland zu Feinden erklärt worden. Aus seiner Sicht sei das Kriegsziel des Kreml nicht unbedingt die physische Zerstörung, sondern vielmehr die innere Untergrabung „unserer Strategiefähigkeit, unseres Willens und unserer Werte“. Längst sei die Kriegsführung auf nicht-militärische Ansätze erweitert, mahnte Gauck. Als Beispiel nannte er Desinformationen, Propaganda, wirtschaftliche, kulturelle und humanitäre Sabotage. "Als wehrhafte Demokratien müssen wir uns an diese Herausforderung anpassen und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Wir dürfen nicht in Angst erstarren." Dass Ängste überwunden werden können, haben die Menschen bereits für über 30 Jahren in den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs gezeigt. Aus der Sicht des ehemaligen Bundespräsidenten muss vor allem christliche Friedensliebe mit Liebe zur Freiheit verbunden werden.

Kardinal Marx ruft Kirchen zu Brückenbauern zwischen Ost-und Westeuropa auf

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hatte zuvor in der Vesper die Kirchen aufgerufen, zu Brückenbauern zwischen Ost- und Westeuropa zu werden. Sie dürften nicht Teil des Problems sein, sondern müssten zu Lösungen beitragen. Der Kardinal würdigte die Arbeit von Renovabis und dessen Beitrag zum Dialog. Denn auch wenn es nicht einfach sei, müsse immer wieder das Gespräch gesucht werden.

Zum Beginn der Feierlichkeiten feierte Erzbischof Reinhard Kardinal Marx erinnerte er an die Anfangszeit des Hilfswerks in Freising. 1993 war es von der Deutschen Bischofskonferenz auf Initiative des Zentralkomitees der deutsche Katholiken gegründet worden. Für ihn müsse weiterhin das Gespräch zwischen Ost und West agesucht werden, damit die Entfremdung nicht größer werde. Marx sieht derzeit jedoch keine Kompromissbereitschaft oder ein Ende des Kriegs. Die Gesellschaft wird sich dadurch mehr verändern, als es derzeit angenommen wird.

Auftakt zum Internationalen Kongress Renovabis

Die Festrede von Joachim Gauck bildete die Grundlage für eine Podiumsdiskussion unter dem Motto: „Zwischen Aufbruch und Ernüchtern: Das Streben nach Freiheit und Demokratie in Europa“. Auf dem Podium saßen Bundesministerin a.D. Annegret Kramp-Karrenbauer, Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, die Professorin für Pastoraltheologie Klara-Antonia Csiszar und Irina Scherbakowa, die als Mitbegründerin der Organisation Memorial mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war.

Im Anschluss an den Festakt lud die bayerische Staatsregierung zu einem Staatsempfang ein. Gekommen waren an diesem Abend mehr als 300 Teilnehmende aus 26 Ländern. Unter anderem nahmen Bischöfe, Diplomaten und politische Mandatsträger wie Ilse Aigner, die bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner oder der bayerische Staatsminister Florian Herrmann teil. In den nächsten Tagen findet unter dem Motto: „Freiheit, die ich meine ... Europa zwischen Aufbruch, Ernüchterung und Bedrohung“ der 27. Internationale Kongress Renovabis statt. Renovabis ist das jüngste katholische Hilfswerk und hat seit seiner Gründung bereits knapp 26.000 Projekte mit mehr als 842 Millionen Euro unterstützt. Im letzten Jahr erreichte das Hilfswerk das beste Spendenergebnis seiner Geschichte und nahm 14,9 Millionen Euro ein.  (kna/pm/pe)