Leben für Gott

Frauen empfangen Jungfrauenweihe

Nach der Weihe durch den Münchner Kardinal Reinhard Marx sind Regina Frey und Christine Wimmer nun "geweihte jungfrauen". Was bewegt Frauen zölibatär und außerhalb von normalen Klostermauern zu leben?

Christine Wimmer (links) und Regina Frey gehören zu den neuen "geweihten Jungfrauen" des Erzbistums. © Kiderle Kiderle

Vier Frauen liegen in der Münchner Bürgersaalkirche ausgestreckt auf dem Boden. Dazu erklingt die Allerheiligenlitanei im Wechselgesang zwischen der Kantorin und den Gläubigen, die in großer Zahl gekommen sind. Anschließend betet Kardinal Reinhard Marx über den Frauen das Weihegebet, dann bekommen sie ein Stundenbuch, einen Ring und einen Schleier als Insignien überreicht.

„Klosterfrau, nur ohne Kloster“

Was Ende September in München stattgefunden hat, ist nicht die neu eingeführte Priesterweihe für Frauen, sondern eine altkirchliche Tradition: die Jungfrauenweihe. „Ich habe immer gesagt: Ich werde Klosterfrau, nur ohne Kloster“, erklärt Regina Frey, die zu den Neugeweihten gehört. Frauen, die öffentlich geloben, ehelos zu leben, sich dem Gebet zu widmen, aber gleichzeitig in ihrem bisherigen Alltag verbleiben, gibt es schon seit den Anfängen der Kirche. Ab dem vierten Jahrhundert setzte sich für zölibatär lebende Frauen dann aber ein gemeinschaftliches Leben in einem Kloster durch. Erst im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils kam es zu einer Wiederentdeckung des Standes der „virgo consecrata“ in der Katholischen Kirche. Im Erzbistum leben momentan 20 Frauen in dieser Lebensform.

Regina Frey und Christine Wimmer, die ebenfalls zu den neuen geweihten Jungfrauen gehört, haben ganz normale Berufe. Frey ist akademische Rätin an der Katholisch-Theologischen Fakultät in München, Wimmer arbeitet als Diplomverwaltungswirtin in der Sozialhilfe in Landshut. Aus der Weihe erwachsen den Frauen keine konkreten Verpflichtungen, weltkirchliche Regelungen für diesen Stand existieren nicht. Was ändert sich dann überhaupt? „Es ist eine größere Verbindlichkeit, jetzt, da das Volk Gottes diese Berufung angenommen hat. Ich spüre mehr Verantwortung, wach zu sein für die Kirche“, versucht Wimmer es in Worte zu fassen.

Freiheitsliebend

Gegen eine Gemeinschaft haben die Frauen sich ganz bewusst entschieden. „Als die Frage aufkam, habe ich schon sehr lang allein gewohnt“, erzählt Wimmer. „Bei einer Gemeinschaft hätte ich Bedenken gehabt, ob ich mich umstellen könnte, auch in der Nachhaltigkeitsfrage – mir ist ein nachhaltiges Leben sehr wichtig. Ich glaube, ich kann allein in der Stadt nachhaltiger wohnen, als man es in einem Kloster kann“. Frey sieht es ähnlich: „Ich bin sehr freiheitsliebend. Ich wollte tatsächlich selbst entscheiden, wo und wie es weitergeht“. Derzeit teilt sie sich mit einer Mitbewohnerin eine WG in München, Wimmer lebt allein in einer kleinen Wohnung in Landshut.

Ihre Spiritualität ist genauso wenig normiert wie ihre Lebensform. Für Regina Frey bieten ruhiger Lobpreis und stille eucharistische Anbetung geistliche Tankstellen, Wimmer lebt als Benediktiner-Oblatin nach der Regel des heiligen Benedikt. Diese Spiritualitäten widersprechen der einer geweihten Jungfrau nicht – es wird sogar empfohlen, sich eine geistliche Heimat zu suchen.

Die Entscheidung für den Zölibat trifft man nicht von heute auf morgen. Frey hatte sich immer eine Familie und Kinder vorgestellt. „Dann habe ich einen sehr netten Mann kennengelernt und ich wusste, das könnte auf eine Beziehung hinauslaufen. Ich dachte, eigentlich sollte ich jetzt glücklich sein, aber ich war es nicht. Ich habe irgendwie gemerkt, das ist es nicht“, erklärt die 32-Jährige. Ihr entscheidendes Berufungserlebnis ereignete sich während des Weltjugendtags in Krakau 2016, als sie vor den Reliquien der heiligen Thérèse von Lisieux betete – ihrer Lieblingsheiligen. Zuvor hatte sie sich gefragt, ob Gott etwas von ihr wollen könnte, das sie nicht will. „Ich habe dann gemerkt: Gott würde jeden Weg mitgehen, den ich gehe, aber vielleicht gibt es einen, der mich glücklicher macht als der andere.“

Kritische Reaktionen

Wimmer trägt den Gedanken schon länger in sich. „Der Moment, in dem mir klar wurde, dass ich ehelos und in der Welt bleiben würde, war während Meditationsexerzitien 2008. Ich kannte damals die Jungfrauenweihe nicht, es ging erst in Richtung Orden. Als ich mir durchgelesen habe, was die geweihte Jungfrau ist, war mir klar: Genau das bin ich.“ Auch wenn die Entscheidung für einen selbst klar ist, braucht es Mut, sie anderen mitzuteilen. „Für meine Eltern war es schon schwer, damit rechnet wahrscheinlich keiner“, erinnert sich Frey. Beide haben die Erfahrung gemacht, dass kirchliche Menschen zum Teil kritischer reagieren als kirchenferne, die nichts über den Stand wissen und ohne Vorurteile nachfragen, was es damit auf sich hat. Ob ein weniger altmodischer Name für ihren Stand besser wäre, bewerten sie unterschiedlich. „Es wäre schön, wenn es anders heißen würde, aber wie?“, sagt Frey. Wimmer sieht in dem Namen eine Chance: „Ich habe es eigentlich geschätzt, die Gelegenheit zu haben, mit diesem anstößigen Begriff ins Gespräch zu kommen“, betont die 44-Jährige.

Die Ausbildung regeln die Bistümer unterschiedlich. Im Erzbistum dauert sie in der Regel zwei Jahre. Alle vier bis sechs Wochen treffen sich die Kandidatinnen allein mit einer Kandidaturbegleiterin, die sie von der Diözese an die Seite gestellt bekommen. Mit ihr sprechen sie über Themen der geweihten Jungfrauen, etwa über das Stundengebet oder was es bedeutet, als „Braut Christi“ zu leben. Zusätzlich gibt es Thementage in der Gruppe.

Für Gott leben

Das ganz normale Leben fortzuführen kann auch damit einhergehen, einen Mann zu treffen, mit dem sie sich unter anderen Umständen ein gemeinsames Leben vorstellen könnten. „Man kann nicht in die Zukunft blicken, aber ich habe da eine Sicherheit. Es kann zwar passieren, dass man jemanden attraktiv findet, aber da ist bei mir immer ein starkes Gefühl da, dass das in meinem Leben keinen Sinn ergibt“, fasst Wimmer zusammen. „Ich glaube, verlieben ist das eine, das kann passieren, aber ich bin so rational veranlagt, dass Verliebtsein und ‚Ich möchte eine Beziehung‘ zwei verschiedene Dinge sind. Den Schritt vom einen zum anderen muss ich bewusst gehen – so war es zumindest bislang“, überlegt Frey.

Bereuen sie, dass aus ihrer Art der Weihe keine Vollmacht wie bei der Priesterweihe hervorgeht? „Ich wurde oft gefragt: Was darfst Du denn mehr?“, berichtet die promovierte Theologin, und ergänzt: „Es geht nicht darum, mehr zu dürfen, sondern für Gott zu leben.“ Wimmer pflichtet ihr bei: „Ich würde mir wünschen, dass wir, Frauen wie Männer, Priester wie Volk Gottes, uns darauf konzentrieren würden, dass wir uns lieben und in der Liebe gegenseitigen Gehorsam üben“.

Was eine Frau mitbringen muss, um geweihte Jungfrau zu werden, darüber möchten die beiden nicht urteilen. „Christus beruft!“, sind sie sich einig. (Theresia Kamp)