Journalismus

Florian Vitello veröffentlicht nur gute Nachrichten

Im Jahr 2020 gründete der Journalist und Buchautor Florian Vitello zusammen mit zwei Mitstreitern das „Good News Magazin“. Aber was sind für ihn gute Nachrichten?

Florian Vitello ist Mitbegründer des "Good News Magazin", wo nur gute Nachrichten veröffentlicht werden. © privat

mk online: Warum veröffentlichen Sie nur gute Nachrichten?

Florian Vitello: Weil ich sonst unnötig verzagen würde. In der Nachrichtenlandschaft dominieren schließlich leider Terror, Tod und Tragödien. Um diesem trügerischen Zerrbild etwas entgegenzuhalten und nicht zuletzt, um die etablierten Medien zum Nach- und Umdenken anzuregen, veröffentlichen wir nur gute Nachrichten.

Was motiviert Sie oder was war Auslöser Ihrer Tätigkeit?

Vitello: Vor allem die vielen Menschen, die uns schreiben, dass sie gar keine Nachrichten mehr lesen oder hören. Das bereitet mir große Sorge. Denen zeigen wir, dass jeden Tag in Wirklichkeit mehr Gutes als Schlechtes passiert, dass es sich immer lohnt, sich zu engagieren, und wir möchten ihnen Anregungen geben, wo und wie sie sich in der Gesellschaft einbringen können.

Auf Grundlage welcher Kriterien entscheiden Sie, was eine gute Nachricht ist – denn nicht alle vermeintlich guten Nachrichten sind für alle gut.

Vitello: Das stimmt! Was für mich eine gute Nachricht ist, mag für einen anderen Menschen keine sein. Darum regt bereits der Name „Good News“ an, darüber nachzudenken, welche Nachrichten ich von wem und weshalb überhaupt konsumiere. Davon berichte ich auch ausführlich in meinem Buch „Good News – Wie wir lernen, uns gegen die Flut schlechter Nachrichten zu wehren“. Und darum plädiere ich auch dafür, dass wir endlich mit dem verstaubten Glaubenssatz des Journalismus’ aufräumen, Nachrichten seien neutral oder objektiv. So ein Unsinn! Jeder Mensch hat eine Meinung und Vorerfahrungen, die uns prägen. Das beginnt schon bei der Auswahl, was Nachrichtenformate als berichterstattungswürdig und relevant einstufen. Stattdessen wünsche ich mir mehr Authentizität. Wir sollten unserem Publikum offen sagen, wer wir sind und was wir wollen. Beim Good News Magazin bedeutet das dann zum Beispiel, dass wir sagen, die Nachricht „Erste Bewohnerin mit Behinderung zieht in Sesamstraße ein“, ist für uns positiv und relevant. Die Tagesschau würde die Meldung vielleicht ausklammern, aber wir berichten darüber, weil wir die Haltung vertreten, dass eine inklusive Gesellschaft, in der an die Teilhabe aller gedacht wird, für jeden Menschen wichtig ist. Man denke allein daran, dass wir alle älter werden.

Wie ist die Nachfrage und Resonanz Ihrer Leser, gibt es Rückmeldungen?

Vitello: Tatsächlich durchweg positiv. Besonders erfreuen und motivieren uns natürlich Zuschriften von Menschen, denen wir ein täglicher Lichtblick sein dürfen oder die die Good News motivieren, sich (ehrenamtlich) für ihre Mitmenschen starkzumachen.

Bezahlen die Leser denn auch für Ihre guten Nachrichten?

Vitello: Ja. Insbesondere unser Printabonnement mit jährlich vier gedruckten Good-News-Magazin-Ausgaben und verschiedenenThemenschwerpunkten erfreut sich großer Beliebtheit. Unsere Leserinnen und Leser spiegeln uns Dankbarkeit dafür, dass wir auf reißerische Schlagzeilen verzichten und sie schätzen, dass wir uns um Nachhaltigkeit bemühen. Das Magazin wird etwa von der Umweltdruckerei gedruckt und wir arbeiten mit Plastic Fischer zusammen, die für jedes Abonnement Plastikmüll aus den Flüssen entfernen, ehe dieser ins Meer gerät.

Hat die ständige Arbeit mit guten Nachrichten Ihre persönliche Sicht auf die Welt oder die Medienlandschaft verändert oder sonst irgendetwas in Ihnen ausgelöst oder zu bestimmten Erkenntnissen geführt?

Vitello: Absolut. Ich bin selbst gar kein besonders positiver Mensch, wissen Sie? Als politisch interessierte Person fällt es mir häufig sehr schwer, nicht an den Herausforderungen der Zukunft zu verzweifeln. Und dann erinnert mich meine Arbeit daran, dass es gerade einen großen Durchbruch in der Krebsforschung gab, dass wir jetzt klimaneutralen Wasserstoff aus Meerwasser gewinnen können oder dass Ghana die Todesstrafe abgeschafft hat.

 Was war die aus Ihrer persönlichen Sicht beste Nachricht, über die Sie bisher berichtet haben?

Vitello: Jede gute Nachricht ist jeden Tag aufs Neue die beste Nachricht. Persönlich begeistern mich vor allem Innovationen in der Medizin. Da gab es gerade beachtliche Fortschritte bei
Diagnostik und Behandlung von Alzheimer, Endometriose und Lupus, um nur ein paar zu nennen. Und vor wenigen Tagen erst konnte ein blinder 14-jähriger Junge dank neuartiger Augentropfen seine Sehfähigkeit zurückerlangen. Aber vielleicht noch eine der Good-News, die mich am meisten erheitert hat, die liegt ein paar Jahre zurück: Da haben Forschende in Mexiko eine neue Walart entdeckt. Wissen Sie, wie groß Wale sind? Dass die bis vor ein paar Jahren friedlich im Meer rumgeschwommen sind und kein Mensch sie zuvor gesehen hat,
das ist doch verrückt! (Das Interview führte Florian Ertl stellv. MK-Chefredakteur)

 

Buchtipp

Good News – Wie wir lernen, uns gegen die Flut schlechter Nachrichten zu wehren

Kriege, Pandemien und Naturkatastrophen: Die Welt befindet sich seit Jahren im permanenten Krisenmodus. Und wir sind über unseren täglichen Nachrichtenkonsum mittendrin. Das hat Folgen: Immer mehr Menschen blicken hilflos auf die Welt, viele fühlen sich geradezu paralysiert, und psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Burn-out nehmen stark zu.Dabei ist das düstere Bild der aktuellen Lage unverhältnismäßig einseitig. Es gäbe so viel mehr Positives zu berichten. In diesem Buch erklärt Florian Vitello, wie wir uns gegen die verzerrte Wahrnehmung auf die Welt der medialen Berichterstattung zur Wehr setzen können, und wagt, ganz im Sinne Hans Roslings, einen faktenbasierten Blick auf das enorme Potenzial der Menschheit. Dazu gehört, neben einem grundlegenden Wandel der Medienlandschaft, wieder zu unserer Selbstwirksamkeit zurückzufinden und stärker das Gute und Gemeinsame zu sehen - ohne die Augen vor den großen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft zu verschließen.

20 € inkl. MwSt.

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