Früherer Münchner Erzbischof

Faulhaber-Tagebücher über Nazizeit jetzt komplett online

Ab sofort können alle Jahrgänge der Tagebücher des Münchner Kardinals Michael Faulhaber (1869-1952) während der Zeit des Nationalsozialismus online gelesen werden. Darin äußerte sich der Erzbischof etwa auch zum missglückten Stauffenberg-Attentat auf Hitler.

Kardinal Michael von Faulhaber © Erzbischöfliches Archiv München

Auf dem von Wissenschaftlern betriebenen Portal "faulhaber-edition" wurden die Einträge der Jahre 1942 bis 1944 freigeschaltet. Es ist die Zeit, in der der Bombenkrieg München erreicht, während immer mehr jüdische Bürgerinnen und Bürger ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden. Die Notizen aus seinen Tagebüchern geben Aufschluss, wie Erzbischof Michael Faulhaber über die sich abzeichnende deutsche Niederlage denkt und wie er zum Widerstand gegen Hitler steht, der in das Attentat vom 20. Juli 1944 mündet.

Der Bitte eines Diplomaten, der Kardinal solle "gegen die furchtbaren Judenmorde öffentlich auftreten", entspricht er nicht. Auf die Frage verzweifelter Angehöriger deportierter Juden, ob denn gar nichts zu machen sei, antwortet er: "Leider nicht". Das missglückte Attentat der Wehrmachts-Offiziere rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf den "Führer" nennt Faulhaber ein "ruchloses Verbrechen".

Verhör durch die Gestapo

Einen Monat später wird der Erzbischof mehrere Stunden von der Gestapo vernommen. Noch am selben Tag fertigt er dazu eine längere Protokollnotiz an. Faulhaber wird verdächtigt, Verbindungen zu den Verschwörern des 20. Juli gehabt zu haben. Der Kardinal weist den Vorwurf als ehrenrührig zurück. Allerdings muss er einräumen, dass ihn ein Widerständler, Carl Friedrich Goerdeler, wenigstens einmal besucht hat. Nachfragen zum Inhalt der Unterredung beantwortet Faulhauber nur ausweichend.

Ein Tagebucheintrag vom 16. Mai 1942 sowie ein von den Forschern als "kryptisch" eingestuftes, also in seiner Bedeutung schwer zu entzifferndes Gesprächsprotokoll vom 15. Oktober 1942 zeigen außerdem, dass eine andere Widerstandsgruppe, der Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke, den Kontakt zu Faulhaber gesucht hat.

Gabelsberger-Kurzschrift verwendet

Die kritische Edition der Faulhaber-Tagebücher ist ein 2015 begonnenes interdisziplinäres Langzeit-Projekt von Historikern, Theologen und Informatikern. Die Federführung liegt beim Münchner Institut für Zeitgeschichte und dem Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster.

Zu den besonderen Herausforderungen für die Forscher zählt, dass Faulhaber die Gabelsberger-Kurzschrift verwendete, eine Form der Stenographie, die heute nur noch wenige beherrschen. Die Tagebücher erstrecken sich ab 1911 auf 42 Jahrgänge. Allein dieser Umfang gilt für eine solche Quelle als außergewöhnlich. Bisher sind in der Datenbank 6.962 Dokumente durchsuchbar. (kna)