mk online: Das Münchner Gutachten wirft dem emeritierten Papst Benedikt vor, mitverantwortlich zu sein, dass Pfarrer H. weiter in der Seelsorge tätig sein konnte. Ratzinger hat sich schon zweimal dazu geäußert. Wie geht es Ihnen und Ihrer Gemeinde, wenn Sie seine Stellungnahme zu hören bekommen?
Pfarrer Hans Speckbacher: Für mich ist zunächst einmal wichtig, sich weder auf die Seite der Ratzinger-Freunde noch derer, die ihn jetzt total in den Schatten stellen, ziehen zu lassen. Ich glaube, es geht vor allem um die Betroffenen und das Kirchenvolk. Die erste Äußerung fanden wir unselig. Das war nicht seine Sprache. Bei diesem juristischen Abwiegeln fragt man sich, wer ihn beraten hat. Ich habe daraufhin für meinen hauptbetroffenen Pfarrverband einen Brief an Ratzinger und Gänswein geschrieben, mit dem Tonus: Abwiegeln hilft jetzt nicht mehr. Bis jetzt haben wir noch keine Antwort bekommen.
Und bei seiner zweiten Stellungnahme?
Speckbacher: Da fand ich – und ich denke viele von uns – die Entschuldigung und die allgemeine Verantwortungsübernahme gut. Der theologisch-liturgische Vortrag, der dann folgt, ist schon eher wieder seine Sprache, bringt aber wenig. Man sollte unterscheiden: Das Lebenswerk, das theologische Werk Ratzingers soll meines Erachtens gewürdigt bleiben. Dennoch frage ich mich manchmal, wer dafür verantwortlich ist, dass der 94-Jährige so vorgeschoben wird. Da wird natürlich auch deutlich, wer alles Teil dieses unseligen Systems ist, in dem er selber ja einiges verändern wollte, aber letztlich scheiterte.
Was fehlt Ihnen denn in dem Schreiben?
Speckbacher: Die Betroffenen, vor allem die betroffenen Pfarreien, hätten sich erwartet und erhofft, dass er auch persönlich Verantwortung übernimmt. Es geht jetzt darum, dass jemand einfach geradesteht und sich hinstellt, wie es auch in einer Familie, in einem Betrieb passieren muss. Das wäre ein Zeichen von Verantwortungsübernahme.
Benedikts Privatsekretär, Georg Gänswein, spricht von einer Schmutzkampagne gegen den emeritierten Papst. Wie geht es Ihnen mit solchen Aussagen?
Speckbacher: Ich denke, man muss immer unterscheiden, wer sich äußert und wie. Es gibt Ratzinger-Freunde, die ihn vorschieben und alles versuchen, um ihn zu schützen. Dann gibt es welche, die sind sehr verletzt, vielleicht innerlich zerstört, denen Hass gegen Kirche, Papst und Bischöfe, Kleriker bleibt. Und dann gibt´s welche, die konstruktiv kritisieren – aus echtem Gespür, echter Sorge um den Glauben und die Kirche heraus. Ganz viele von denen machen tolle Arbeit an der Basis und werden jetzt generell hineingezogen. Also nochmal: Ich glaube, Kritik ist wirklich berechtigt, aber teilweise ist sie auch nur noch pauschal gegen „die Kirche“, hasserfüllt.
Wie sieht diese Kritik und der Umgang mit dem Thema bei Ihnen vor Ort aus?
Speckbacher: Seit Jahren findet eine große Aufarbeitung statt, bei der die Gruppe Sauerteig eine wichtige Rolle spielt. In Gottesdiensten greife ich das Thema weniger in der Predigt auf, die ist für mich nicht ganz der richtige Ort. Aber durchaus in einer Stellungnahme am Schluss von Gottesdiensten oder in einer Äußerung in den Pfarrnachrichten oder im Pfarrgemeinderat. Ansonsten gibt es einfach sehr viele persönliche Gespräche – Kommunikationsformen, die für meine Begriffe sehr wichtig und auch fruchtbar sind.