Veranstaltung der Katholischen Akademie

Erwachsenenbildung als Schlüssel zur Integration

In der Katholischen Akademie in Bayern haben sich Parteienvertreter, Initiativen und (Fach-) Publikum über die Zukunft von Erwachsenenbildung und Integration ausgetauscht. Ein Thema, das Übereinstimmungen, aber auch unterschiedliche Vorstellungen bei den Landespolitikern zutage förderte.

v.l.n.r.: Prof. Dr. Michael Piazolo (FW), Arif Taşdelen (SPD), Moderator Dr. Achim Budde, Gülseren Demirel (Grüne), Joachim Herrmann (CSU) © Kiderle

München – Wo steuert die Erwachsenenbildung mit den Bedürfnissen und Zwängen der Integration hin? – Dieser Zukunftsfrage widmete sich der Direktor der Katholischen Akademie, Achim Budde, einen Abend lang mit seinen Diskutanten. Natürlich waren am Horizont schon die Landtagswahlen im Herbst erkennbar, aber offene Schuldzuweisungen und Demontierungen des politischen Gegners blieben weitgehend aus.

Budde führte als Moderator in die Thematik ein und stellte drei Initiativen in Bayern vor, die jeweils auf Ihrem Gebiet Erwachsenenbildung und Integration erfolgreich unter einen Hut bringen. Den Auftakt machte das Projekt „Engagiert für Integration“ aus Kempten, das unter anderem in Podien, Vorträgen und Filmen den Kontakt zwischen einheimischer Bevölkerung und Migranten herstellen möchte. Oder aber das Angebot „Kita-Einstieg“ aus dem Hofer Land, das sozial benachteiligte Familien mit und ohne Migrationshintergrund bei der Suche nach Kitaplätzen und Erziehungshilfen unterstützt. Last but not least: die Kulturdolmetscher-Aktion der Domberg-Akademie in Freising: sie bildet Menschen mit Migrationshintergrund zu Helfern in allen Lebenslagen aus.

Integration muss vor Ort passieren

Nach den drei handverlesenen Integrationsprojekten vertiefte Moderator Achim Budde zusammen mit seinen vier Gästen auf dem Podium das Thema. Die Sprecherin der Landtags-Grünen für Integration, Asyl und Flucht, Gülseren Demirel, fragte Budde, wie Menschen mit Migrationshintergrund das Angebot der Erwachsenenbildung finden würden: ob es ihnen also gefalle und wie sie darauf stoßen würden. Demirel wies darauf hin, dass der fehlende Kontakt zwischen Migranten und der Erwachsenenbildung unter anderem wohl auch damit zusammenhänge, dass zu wenige Menschen mit Migrationshintergrund in der Erwachsenenbildung arbeiten würden. Daher ist für Demirel wichtig, sich bei Annäherungen am Sozialraum zu orientieren. Das könne passieren, indem man zum Beispiel in den Kommunen Kinoabende veranstalte, wie das bei einem der drei vorgestellten Projekte der Fall sei: hier war zu sehen gewesen, wie die Herkunftsländer der neuen Mitbürger vorgestellt wurden, vor allem ihre Traditionen in Bereichen wie Musik oder Küche.

Migranten-Eltern: Unterstützung bei eigener Bildung

Dabei dürfe aber auch nicht vergessen werden, das Ehrenamt, das in vielen ausländischen Communities intensiv stattfinde, sichtbar zu machen, mahnte Gülseren Demirel an. Ihrer Meinung nach könnten Politik und Erwachsenenbildung sich diese Initiativen noch sehr viel mehr zunutze machen, wenn sie mehr als Ansprechpartner gesehen würden.

Für Moderator Budde ein Anlass zu fragen, welche Art von Bildung dann jetzt am nötigsten gebraucht würde. Der ehemalige Mitarbeiter des Nürnberger Arbeitsamtes und integrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Arif Taşdelen, erinnerte daran, dass heute die Herausforderungen generell anders seien als in seiner Jugend: damals sei es um Gastarbeiterfamilien gegangen. Spätestens mit dem Ukraine-Krieg gehe es heute um Flüchtende, die innerhalb kürzester Zeit mit der notwendigen Bildung für ihre Kinder im fremden Land zu kämpfen hätten. Damit seien sie so in Anspruch genommen, dass sie oft keine Zeit mehr für die Fortführung der eigenen Bildung hätten. Hier müsste die Politik sie unterstützen. Das habe auch Auswirkungen auf die Erwachsenenbildung. Der türkischstämmige SPD-Politiker gab auch zu bedenken, dass über lange Zeit der Dialog zwischen Kirchen und Moscheen vernachlässigt wurde. Auch hier müsste man einen großen Schritt aufeinander zu machen.

Integration muss niederschwellig sein

Den bayerischen Kultusminister, Michael Piazolo von den Freien Wählern, sprach Dr. Budde für eine Einschätzung direkt auf das Parteiprogramm der Freien Wähler an: darin stehe, sie wollten sich für die Erhöhung der Mittel bei der Erwachsenenbildung einsetzen. „Wo braucht es denn noch mehr Erwachsenenbildung in Verbindung mit Integration?“ Der Minister reagierte mit dem Verweis, immer könne man noch mehr Mittel zur Verfügung stellen. Aber es gehe nicht nur ums Geld. Man müsse auch bei denen, die das Angebot bräuchten, niederschwellig genug ansetzen. Für Piazolo sind die Berührungsängste in der Migrations-Community immer noch hoch.

Integration muss bedarfsorientiert sein

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann beurteilte die Zahlen in Bayern, was Integration von Menschen mit Migrationshintergrund angeht, bereits als sehr gut: bei der höchsten Zuwanderungsquote der Bundesländer habe Bayern zeitgleich den niedrigsten Anteil an Arbeitslosen unter Ausländern; das beziehe sich auch auf Frauen, betonte der Minister. Dennoch gestand Herrmann zu, dass es bei der Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen aus dem Ausland schneller gehen müsse.

Direktor Achim Budde öffnete nach der Diskussion mit den Vertretern der Landtagsparteien die Fragerunde für die Teilnehmer im Saal. Die Resonanz war lebhaft: da ging es um eine stärker Vernetzung aller Beteiligter im Integrations- und Bildungsprozess, um strategisches Denken bei der Verbesserung der Maßnahmen, um Bildungsprogramme. Immer wieder, auch schon im Gespräch mit den Parteienvertretern, klang die Notwendigkeit des Perspektivenwechsels an: nicht zu fragen, was man hier Migranten geben könne, sondern sie zu fragen, was sie bräuchten.

Integration: Sprache, Bildung, Begegnung

Bei ihren Schluss-Statements näherten sich die Vertreter der Landtagsparteien der Erwachsenenbildung nochmals von verschiedenen Seiten an: Innen- und Integrationsminister Joachim Hermann betonte das Erlernen der Sprache als Grundvoraussetzung jeglicher Integration, Kultusminister Michael Piazolo erklärte, Erwachsenenbildung sei flexibler als andere Bildungsbereiche, sie enge nicht so ein, setze mehr auf Freiwilligkeit; das sei eben ihre große Stärke. Der SPD-Abgeordnete Arif Taşdelen mahnte an, genau hinzuschauen: Bei allen Maßnahmen zur Integration, wie Kulturdolmetscher oder Sprachkurse, sehe man immer die gleichen Effekte: Migranten kämen mit Briefen vom Amt, mit abgelehnten Arbeitsgenehmigungen und anderen Beschränkungen. Hierin lägen die eigentlichen Probleme. Taşdelen forderte für die Zukunft vor allem eines von den Menschen in Bayern: Begegnung, Begegnung, Begegnung. Seine Kollegin Gülseren Demirel von den Grünen ergänzte: „Wir brauchen eine Strategie. Wir reagieren auf Herausforderungen, die wir nicht selbst steuern können.“ Das führte zu Beifall im Publikum, zu Widerspruch bei den politischen Gegnern auf dem Podium. Doch da hatte Moderator Achim Budde die Diskussion mit einer halben Stunde Verspätung schon beendet, nicht ohne zu Gesprächen und Rückmeldungen im Laufe des weiteren Abends in der Katholischen Akademie aufzurufen.

 

Der Autor
Willi Witte
Radio-Redaktion
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