Junge Flüchtlinge in Deutschland

Auszubildende fürchten um Familien in Afghanistan

Sie sind aus Afghanistan geflohen und machen in Deutschland eine Ausbildung. Doch viele wollen sie nun abbrechen, teilt der katholische Sozialverband IN VIA mit. Denn mit einfachen Gelegenheitsjobs lässt sich mehr Geld verdienen, um die in Not geratenen Familien daheim zu unterstützen.

Die Sorge um die Familien in Afghanistan setzen den jungen Geflüchteten zu. (Symbolbild) © imagesetc - stock.adobe.com

München - Wenn Jakub (Name von der Redaktion geändert) eine Messanzeige kontrolliert, Hebel umlegt oder einen Steuerungsbefehl in eine Tastatur eingibt, dann muss er sich in diesen Wochen noch mehr als sonst zusammenreißen, nicht an Zuhause zu denken. Lernt er für eine Prüfung an der Berufsschule, dauert das länger als sonst, obwohl ihm der Stoff leichtfällt und er ein Musterschüler ist. Denn plötzlich überfällt ihn die Sorge um seine Familie.

Familie ist versteckt und ohne Einkommen

Die hält sich bei Freunden in Kabul versteckt. „Sie müssen um ihr Leben fürchten, weil mein Vater Polizist war und die Taliban wissen das.“ Jakubs Eltern und seine fünf Geschwister haben seit Monaten kein eigenes Einkommen: „Es geht ihnen sehr schlecht.“ Ohne seine Überweisungen müssten sie verhungern. Das Geld lässt er über Mittelsmänner an seine Familie weitergeben. Zwar haben eine Reihe von Banken in Afghanistan wieder geöffnet, aber die Kunden brauchen einen persönlichen Termin. Die Taliban bräuchten nur die Warteschlangen zu kontrollieren, um missliebige Personen wie seinen Vater herauszuholen und verschwinden zu lassen, erzählt Jakub. Rund 300 Euro seines Gehalts als Auszubildender, das unter 1000 Euro brutto liegt, zweigt er jeden Monat ab. Anlagen- und Maschinenführer lernt er, in etwa einem halben Jahr könnte er seine Abschlussprüfungen ablegen.

Neben Ausbildung Nebenjob mit Nachtschichten

Um mehr zu verdienen und seine Familie stärker zu unterstützen, hat der 25-jährige nebenher Nachtschichten in einem Sicherheitsdienst geschoben, „aber danach konnte ich mich am Tag null konzentrieren“. Jetzt überlegt er die Ausbildung abzubrechen und besser bezahlte Jobs anzunehmen, für die er keine Ausbildung braucht. Dass er das noch nicht getan hat, liegt auch an seiner Beraterin.

Maryam Kazemialiakbar arbeitet in der Migrationshilfe bei IN VIA. Der katholische Sozialverband kümmert sich auch um Jugendliche, die aus ihrer Heimat geflohen sind, unter anderem mit dem Programm Wege in den Beruf (WIB). Bei Jakub war es die eigene Familie, die ihn gedrängt hat, Afghanistan zu verlassen. Als Student arbeitete er als Englisch-Übersetzer für einen hochrangigen Polizeioffizier.

Ausbildungsabbruch belastet gute Integration

Zweimal haben ihn Unbekannte verprügelt und er erhielt Drohungen, dass es dabei nicht bleiben würde. Nach seiner Flucht hat er bei IN VIA, Gesprächs- und Freizeitgruppen gefunden. Maryam Kazemialiakbar hat ihm rechtliche Unterstützung und ehrenamtliche Helfer beim Deutschlernen und bei der Ausbildung vermittelt, ihn in einem Sportverein untergebracht. „Jakub hat alle Chancen eine berufliche Karriere zu machen, er ist musterhaft integriert.“

Dann seufzt sie: „Wenn er jetzt in dieser Notlage seine Ausbildung abbrechen würde, dann wäre das wirklich traurig.“ Vor allem auch deshalb, weil Jakubs Aufenthaltsrecht an den Ausbildungsplatz gebunden ist. Gäbe er den auf, könnte er theoretisch schnell abgeschoben werden, sobald sich die Lage in Afghanistan wieder etwas beruhigt hat.

Spenden helfen Auszubildenden und ihren Familien

Maryam Kazemialiakbar sucht deshalb nach Spenden und Hilfsfonds, um junge Flüchtlinge wie Jakub in der Ausbildung zu halten. „Gott sei Dank gibt es einen großzügigen Unterstützungstopf der Erzdiözese München und Freising, ohne den sähe es schlimm aus.“ Die Anträge würden schnell und unbürokratisch bearbeitet und so kann die Beraterin bis zu 500 Euro monatlich Überbrückungshilfen an Auszubildende weitergeben, die ihr schmales Einkommen mit ihren Familien im Krisengebiet teilen.

Jakub hat freilich Angst, dass sich die Notlage in Kabul weiter verschlimmert, aufgrund der schlechten Versorgungslage Lebensmittel und Heizmaterial noch teurer werden. Wie viele junge Flüchtlinge denkt er dann wieder daran, seine Ausbildung aufzugeben: „Ich überlege es mir immer noch, es ist eine verwirrende Situation und ich kann mich nicht entscheiden.“

Beten hilft der Seele

In solchen Momenten tut es ihm gut, wenn er mit Schwester Francesca Hannen spricht. Die Missionsdominikanerin ist bei IN VIA angestellt und begleitet das Programm WIB: „Als Ordensfrau kann ich auch sagen, ich bete für Dich oder wir beten miteinander in irgendeiner Weise.“ Dass die jungen Geflohenen wissen, „da denkt jemand an sie, sie sind nicht allein, ihre Sorgen werden mitgetragen“, auch dafür sei IN VIA da.

Jakub bezeichnet sich selbst als "nicht besonders religiös, aber manchmal geht ja sonst nichts mehr als beten". Und der junge Muslim ist froh, wenn ihn die katholische Ordensfrau dazu ermutigt: "Es hilft der Seele." Für ihn geht es jetzt ums Durchhalten. „Ich möchte Sicherheit für meine Familie und meine Ausbildung abschließen, damit ich sie danach noch besser unterstützen kann.“

Audio

Beitrag im Münchner Kirchenradio über afghanischen Auszubildenden Jakub und seine Sorgen.

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Flucht & Asyl