Jüngster Hauptdarsteller in Oberammergau

19-Jähriger über Rolle als "Engel" in der Passion

Noch bis 2. Oktober steht David Bender als "Engel" mit langen, blond gelockten Haaren auf der Bühne der Passionsspiele. Im Interview spricht er über Erwartungen, die von außen an eine solche Rolle herangetragen werden.

David Bender spielt bei den Oberammergauer Passionsspielen den Engel. © Barbara Just/KNA

Herr Bender, wenn jemand zu Ihnen dieser Tage "Du bist ein Engel" sagt, wie reagieren Sie?

David Bender: Dann entgegne ich: Privat ist alles wie immer; auf der Bühne gilt es durchaus. Dabei begreifen manche Zuschauerinnen und Zuschauer oft gar nicht, dass ich einen Engel darstelle.

Wieso das?

Bender: Das erste Auftreten dieser Engelsfigur findet beim Letzten Abendmahl statt. Ich sehe aus wie ein ganz normaler Mann, bin nur etwas heller gekleidet als die zwölf Apostel und Jesus. Dazu kommt, dass nur Jesus den Engel anschaut und mit ihm redet, alle anderen ignorieren mich auf der Bühne. Es wird auch nicht offen gesagt, dass ich ein Engel oder eine höhere Macht bin. Zudem spricht mich Jesus ganz oft mit "Vater" oder "Du mein Gott" an. Das verwirrt manche Zuschauer. Doch der Engel ist nun mal das Sprachrohr Gottes, auch wenn ich keine Flügel auf dem Rücken habe.

Über Engel heißt es im "Lexikon für Theologie und Kirche", es handele sich um "außerirdische und menschenähnliche Geistwesen, die als Boten Gottes in die Welt treten". Wie spielt man so was?

Bender: Das habe ich mich auch gefragt. Wir Engel-Darsteller - Michael Hollatz und ich - hatten viele Einzelproben. Besonders die Ölbergszene, wo Jesus völlig verzweifelt ist und mit dem Engel Zwiesprache hält, haben wir über mehrere Stunden erarbeitet. Der Engel kommt sehr menschlich rüber. Nur so kann man sich ihn letztlich vorstellen. Es würde einfach unseriös wirken, wenn man etwa die Engel-Stimme mit Hall unterlegte.

Konnten Sie sich denn sofort mit der Rolle identifizieren?

Bender: Ehrlich gesagt: Nein. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ich Theater spiele. Zuvor hatte ich als Schüler nur mit Musikbands Auftritte. In der Bigband habe ich Saxofon gespielt, in der Rockband E-Bass. Bei den ersten Proben für die Passion war ich deshalb auch ziemlich nervös.

Dabei gab es doch in der Familie Vorbilder...

Bender: Mein Opa hat tatsächlich 1970 bereits den Engel gespielt. Der hatte aber damals nur zwei Sätze zu sagen. Auch war er nicht zu sehen, sondern nur seine Stimme zu hören. Eigentlich kümmerte sich mein Opa um die Kulissen. Dann aber meinte der damalige Spielleiter, sie bräuchten noch jemanden für die Engelssätze. Dafür musste er sich ganz oben auf die Technik-Leiter stellen und von dort aus in den Publikumsraum hineinsprechen. Inzwischen ist die Rolle deutlich größer geworden.

Der Engel ist bei Jesus in jenen Momenten, wo dieser ziemlich verzweifelt ist, weil er weiß, was auf ihn zukommen wird. Die Worte sind drastisch. Wie geht es Ihnen dabei?

Bender: Ich glaube, Jesus wusste die ganze Zeit, was Gottes Plan war. Aber als es dann wirklich so weit ist, sagt er am Ölberg, dass seine Kräfte schwinden und seine Seele vertrocknet. Jesus ist am Ende und überlegt, von dem vorbestimmten Weg abzuweichen. Doch der Engel, so hat es uns Christian Stückl immer wieder erklärt, muss ihm von Gott her deutlich machen: Nein, tut mir leid, Du musst weitermachen. Das soll mit einer gewissen Strenge rüberkommen, aber zugleich auch mitfühlend.

"Trage die Krankheit der Menschen, lass dich durchbohren von ihren Verbrechen, zermalmen von ihren Sünden." - Ist das für Sie nur ein Text, oder fängt man an, über den christlichen Glauben neu nachzudenken?

Bender: Das muss man meines Erachtens trennen. Die Texte des Passionsspiels frischen die Evangeliumsgeschichte bei einem wieder auf. In ganz viele Figuren, auch in den Judas, bekommt man einen tieferen Einblick. Dieser war eben nicht der böswillige Verräter, sondern ein armer, etwas naiver Mensch, der sich vom Kaiphas übers Ohr hat hauen lassen. Und Jesus hat nicht nur still gelitten, sondern auch auf den Putz gehauen. Spielerisch kriegt man irgendwann Routine, aber wenn ich anfangs in der Abendmahlsszene im Zuschauerraum über 4.000 Leute sitzen sah, war mir schon mulmig zumute.

Am leeren Grab haben Sie einen wichtigen Dialog mit Maria Magdalena. Wie würden Sie diesen einordnen?

Bender: Speziell wird dieser Dialog dadurch, dass Magdalena vom Engel nach zwei Sätzen erfährt, dass Jesus auferstanden ist. Aber mir wird nicht geglaubt. Dann folgt die Wiederholung und die Fragen: Frau, warum weinst du? Wen suchst Du? Die Magdalena ist kurz davor durchzudrehen. Da aber gibt es diesen Moment, wo der Engel zu ihr sagt: "Maria". In seinem Blick und indem er ihren Namen ausspricht, erkennt sie, dass Jesus wirklich auferstanden ist.

Wenn die Passionsspielzeit zu Ende geht, welche Erfahrungen nehmen Sie mit?

Bender: Ich will auf alle Fälle weiter Theater spielen, weil mir das extrem viel Spaß macht. Beruflich habe ich vor, nachdem ich die Zeit vom Abitur 2020 bis zum Start der verschobenen Passionsspiele mit einem Bundesfreiwilligendienst in der Rheuma-Klinik in Oberammergau überbrückt habe, jetzt erst eine Ausbildung zum Pflegefachmann zu machen und danach Medizin zu studieren.

Hört sich gut an. Eins noch: Gibt es schon Nachfragen, ob Sie als Engel im nächsten Krippenspiel auftreten könnten?

Bender (schmunzelt): Nein, die gibt es nicht. (Interview: Barbara Just/kna)