Letzte Vorstellungen

Die Oberammergauer Passionsspiele 2022 neigen sich dem Ende zu

Trotz aller Corona-Unsicherheiten sind die 42. Passionsspiele ein großer Erfolg für Oberammergau geworden. Gut 412.000 Tickets wurden verkauft. Bleibt die Frage: Macht Christian Stückl bis 2030 weiter?

Am Sonntag fällt bei den Oberammergauer Passionsspielen der letzte Vorhang. © Kiderle

Oberammergau – T-Shirts und Jacken mit dem Aufdruck "Passionsspiele 2022" gibt es bei den Händlern in Oberammergau bereits zum halben Preis. Der prachtvolle Bildband ist noch nicht herabgesetzt. Noch bis Ende dieser Woche wird Jesus auf der Bühne nochmals mit Hosianna-Rufen empfangen, dann verurteilt, ans Kreuz geschlagen, sein Leichnam abgenommen und ins Grab gelegt. Am Schluss aber dominieren die Halleluja-Rufe und das Bekenntnis der Maria Magdalena: "Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Er ist auferstanden."

Schon gegen 10 Uhr drängen sich die Menschen am Passionstheater. Bevor das Spiel in dreieinhalb Stunden beginnt, werden im Foyer in Englisch und auch in Deutsch kostenlose Einführungen dazu angeboten. Diese erfreuen sich von Anfang an großer Beliebtheit. Die Leute wollen wissen, wie es zum Pestgelübde 1633 kam und wie sich über die Jahrhunderte alles weiterentwickelt hat.

1.700 Darsteller spielen Passion

Im Pavillon gegenüber ziehen die Verantwortlichen derweil eine vorläufige Bilanz der 42. Passionsspiele. Coronabedingt um zwei Jahre verschoben, hob sich im Mai endlich der Vorhang. Im erneuten Lockdown im Januar hatte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) daran nicht glauben wollen, Spielleiter Christian Stückl schon. Ihn konnte nicht einmal ein Herzinfarkt im Februar stoppen. Statt auf Reha zu gehen, machte er sich zur "Erholung" an die Volks- und Einzelproben, denn "der Passion", wie die Einheimischen das alle zehn Jahre stattfindende Spektakel nennen, geht vor.

Der Einsatz lohnte sich. Rund 500 Spielberechtigte zogen zwar aus beruflichen und anderen Gründen zurück, so dass gut 1.700 Erwachsene und Kinder blieben. Sie sorgten für ein Theatererlebnis, das von einem großartigen Orchester sowie Sängerinnen und Sängern unter der Leitung von Markus Zwink getragen wurde. Spiel- und Chorszenen gingen sanft ineinander über. Das in erdfarben gehaltene Bühnenbild samt der farbprächtigen Lebendigen Bilder mit Darstellungen aus dem Alten Testament von Stefan Hageneier erfreute nicht nur die Augen; zusammen mit dem Spiel der Darsteller berührte alles das Herz.

Coronaausfälle foderten das gesamte Ensemble

Rund 412.000 Tickets wurden verkauft und damit eine Auslastung von von über 91 Prozent erreicht, berichtet Geschäftsführer Walter Rutz, der als Joseph von Arimathäa das Grab für Jesus zur Verfügung stellt. Anfangs hatte man nur mit 75 Prozent gerechnet, doch bald ging die Zahl nach oben. Erstmals kam die Mehrheit der Gäste nicht aus Übersee, sondern aus dem deutschsprachigen Raum. Das Wetter spielte gleichfalls mit. Das Schutzdach über der offenen Bühne kam in diesem Sommer so selten wie nie zum Einsatz.

Alle 110 Vorstellungen konnten stattfinden. Dabei bewährte sich ein strenges Corona-Testregime für alle Mitwirkenden. Immer vormittags erhielt Stückl die "Liste des Schreckens". Einmal fielen beide Schächer aus, dafür sprangen zwei Apostel am Kreuz ein. Am nächsten Tag fehlten fünf der zwölf Jünger beim Abendmahl. Fast jeden habe es mal erwischt, nur ihn nicht, sagt Stückl. "Der Zusammenhalt war großartig", lobt der Spielleiter. Dazu gehörte die Bereitschaft, schnell noch Text zu lernen, um für einen anderen zu agieren.

Auch die Musik kämpfte mit Ausfällen, erzählt Zwink. Als der Hornist krank darnieder lag, sprang die erste Hornistin von der Augsburger Oper ein und spielte vom Blatt. Im Chor wirkte auch Bürgermeister Andreas Rödl mit. Der gab nun bekannt, dass Zwink, der wie Stückl viermal für die Passion verantwortlich zeichnete, so wie dieser demnächst Ehrenbürger werde.

Wie inszeniert die Passionsspiele 2030?

Stückl wiederum freut es, dass die Zusammenarbeit mit den jüdischen Verbänden sich so gut entwickelt hat. Wie es weitergehen wird? Da hält sich der Theatermann bedeckt. Es sei einfach ein Glück gewesen, dass sich mit ihm, Hageneier und Zwink ein solches Team über die Jahre gefunden habe. Letzter gab bereits bekannt, für 2030 aus Altersgründen nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Der 61-jährige Stückl bekennt: "Ich war mal der jüngste Spielleiter und bin bald der älteste." Mit der letzten Aufführung am Sonntag werden nicht nur Haare und Bärte fallen, es könnte auch eine Ära zu Ende gehen. (Barbara Just/kna)