Oberammergauer Passionsspiele

Wenn die Familie gemeinsam auf der Bühne steht

Familie Schuster teilt die Passionsleidenschaft. Die Eltern spielen als Maria Magdalena und Judas zwei große Rollen und die beiden Kinder sind Teil der großen Volksszenen. Das will alles gut organisiert sein.

Familie Schuster im Kostüm auf der Passionsbühne. © Sebastian Schulte

Oberammergau – Die Passionsspiele in Oberammergau begeben sich auf die Zielgeraden. Nur noch bis 2. Oktober wird gespielt. Fünfmal die Woche. Doch solange die Passion läuft, prägt sie den Alltag des Dorfes und auch von Barbara, Martin, Fanni und Moritz Schuster. Denn die ganze Familie steht an vielen Spieltagen gemeinsam auf der Bühne.

Man muss nicht selbst mitspielen, um zu erahnen, dass es für die Laienschauspieler, die auch während der Passion ihrer gewohnten Arbeit nachgehen, ein großer Aufwand ist, mehrmals pro Woche in Oberammergau auf der Bühne zu stehen. Sechs Stunden reine Spielzeit, dazwischen drei Stunden Pause. Und natürlich nicht zu vergessen die Zeit vorab im Testzentrum oder in den Umkleiden.

Coronaaufschub bringt zusätzlichen Darsteller

Als Barbara und Martin Schuster bei der Bekanntgabe der Rollen 2019 vor dem schwarzen Brett am Passionstheater standen und lasen, dass sie die Rollen der Maria Magdalena und des Judas spielen würden, hatten sie „nur“ ihre kleine zweijährige Tochter Fanni an der Hand. Die Planung für zwei größere Rollen schien machbar. Doch dann kam Corona. Die Passion wurde auf 2022 verschoben und Familie Schuster bekam noch ein Baby. So pilgert nun seit der Premiere, wenn Barbara und Martin spielen müssen, die komplette vierköpfige Familie zum Passionstheater. „An einem Spieltag frühstücken wir noch gemütlich und dann fahren wir zu viert zum Testen, dann schnell heim, damit Moritz seinen Mittagsschlaf machen kann und dann gehen wir alle vier ins Theater“, erzählt Mutter Barbara.

Familienorganisation auf der Bühne

Die Kinder sind klar verteilt: Die viereinhalbjährige Fanni geht gemeinsam mit dem Papa in die Apostelgarderobe, wo auch ihr Kostüm hängt. Denn sie darf im Volk mitlaufen. Natürlich nicht mit Papa Martin, der den Judas spielt. „Entweder nimmt sie die Oma oder die Taufpatin mit oder es gibt genug junge Mädchen, die sie gerne an der Hand nehmen und bemuttern“, schmunzelt Barbara Schuster. Verloren fühle sich die Kleine nie. Man kennt sich hinter der Bühne.

Beim kleinen Moritz, der erst zweieinhalb ist, sind es dann natürlich die Familienmitglieder, die ihn mit auf die Bühne nehmen. Hier ist manchmal Erfindungsreichtum gefragt. „Wenn alle anderen Brot bekommen und er nicht, dann kann es schonmal vorkommen, dass er laut wird oder nach dem Papa ruft“, lacht Barbara. „Dafür haben wir ihm seinen Schnuller mit Passionsstoff umwickelt und so ist ganz schnell Ruhe.“ Denn dass Judas Kinder hatte, steht nun mal nicht in der Bibel.

Passionsleidenschaft ist Familiensache

Vor 12 Jahren standen Barbara und Martin Schuster auch schon bei den Passionsspielen auf der Bühne. Ohne Kinder. Natürlich war das eine andere Passion – weit entfernt von der heutigen Organisation, die ein Spieltag dem Ehepaar abverlangt. „Da geht man danach noch feiern, etwas trinken – das geht heute natürlich nicht mehr so einfach“, erinnert sich Barbara Schuster. „Aber zu sehen, wie unsere Passionsleidenschaft auf die Kinder, besonders auf die Große, überschwappt, wie sie sich selbstverständlich im Theater bewegt und alle Leute und auch die Szenen kennt, das ist einfach gigantisch.“

Die letzte Vorstellung der Passion 2022 wird am 2. Oktober gespielt. Und dann kehrt nicht nur bei Familie Schuster, sondern auch bei den anderen 2000 Beteiligten aus dem Dorf wieder Ruhe ein. Bis es in acht Jahren wieder heißt: Passionszeit in Oberammergau.