„Wie friedlich-christlich ist Weihnachten?“

In fast 100 Metern über München hatte Dompfarrer Klaus-Peter Franzl zu einem Experiment geladen: In den frisch renovierten Räumlichkeiten des Südturms der Münchner Frauenkirche fand kurz vor Weihnachten das erste Turmgespräch statt. Das Thema: "Wie friedlich-christlich ist Weihnachten wirklich?"

© Mihatsch/SMB

Der renommierte Historiker und Kenner jüdisch-christlicher Geschichte, Prof. Dr. Michael Wolffsohn, konnte überraschende Einsichten in die Geschichte des Weihnachtsfestes darlegen. Wolfssohn erläuterte, dass „die Friedlichkeit der Weihnachtszeit ein wunderschöner, frommer Wunsch“ sei. Die Sehnsucht der Menschheit nach Frieden kulminiere im Weihnachtsfest und gerade auch im Bild  der „weißen Weihnacht“.  Denn hier komme die Natur zur Ruhe, so der Historiker.

Weihnachtszeit nicht immer Friedenszeit

Der historischen Wirklichkeit entspreche dieser Wunsch aber selten: „Gerade die Friedlichkeit und Ruhe derer, die das Fest begehen, wurde oft für Aggressionen missbraucht: Zum Beispiel bei der Invasion der Sowjetunion in Afghanistan am 27.12.1979. Oder die Hakenkreuz-Schmieraktion der DDR-Stasi in der Bundesrepublik Deutschland in der Heiligen Nacht“. Eine aufstörende Einsicht in die Geschichte, gerade in einer Zeit, in der wieder allzu viele Menschen kein friedliches Weihnachten erleben werden, ob in der Ukraine, in Israel oder in den anderen Konfliktgebieten der Welt.

Auch die zweite titelgebende Dimension des Weihnachtsfestes, das Christliche, wurde genauer unter die Lupe genommen. Michael Wolffsohn konnte zahlreiche Bezüge der Weihnachtsgeschichte zum Judentum aufzeigen: so zum Beispiel Bethlehem als literarisch gewählten Ort des Heils. Eigentlich war Jesus „Jesus von Nazareth“, stammt also wahrscheinlich aus dem nördlicheren Galiläa. Aber König David, der irdische Stammvater des Messias, kam der prophetischen Verheißung gemäß aus Bethlehem: deshalb die literarische Verlegung der Geburt nach Bethlehem. Auch die kulturgeschichtliche Ausgestaltung des Weihnachtsfestes als christliches Lichterfest korrespondiere mit dem zur gleichen Jahreszeit gefeierten jüdischen Lichterfest Chanukka.