Gespräch über das Leben als Bischof

Weihbischof Haßlberger: "Jemanden zum Glauben bringen kann man nicht"

Nun ist er im Ruhestand: Im Gespräch schaut Bernhard Haßlberger zurück auf sein Leben als Priester und Bischof. Auch die aktuelle Situation der Kirche wurde besprochen.

Redakteur Joachim Burghardt (rechts) war mit Weihbischof Haßlberger im Freisinger Hinterland unterwegs © privat

Nun ist es also geschafft: Weihbischof Bernhard Haßlberger ist nach 46 Jahren als Priester und nach 29 Jahren als Bischof im Ruhestand angekommen. Das ist gar kein so leichter Schritt, wie man vielleicht annehmen möchte: Bereits im Oktober 2021 hatte Haßlberger Papst Franziskus um seinen altersbedingten Rücktritt gebeten, wie ihn das Kirchenrecht für Bischöfe zum 75. Geburtstag vorsieht – doch der Pontifex bat ihn, seinem Dienst an der Erzdiözese so lange nachzugehen, bis ein Nachfolger ernannt sei und den Dienst antrete. Das war erst eineinhalb Jahre später der Fall, als Weihbischof Wolfgang Bischof an Ostern 2023 die Region Nord übernahm.

Weihbischof mit dem E-Bike unterwegs

Mit einer Vesper Ende Juni im Liebfrauendom wurde Haßlberger nun auch offiziell „verabschiedet“, wie es in den Mitteilungen der Erzdiözese hieß. Doch von Abschied kann keine Rede sein, wie ich bei meinem Besuch im Alterswohnsitz des „Weihbischof emeritus“, in der Wies vor den Toren Freisings, vom frischgebackenen „Unruheständler“ erfahre: Auch nach seinem Umzug vom Freisinger Domberg zur Wallfahrtskirche knapp außerhalb der Stadt steht der 76-Jährige fast täglich einem Gottesdienst vor: von der Freitagabendmesse in der Wies über diverse Gottesdienste im Freisinger Dom bis hin zu Firmungen in der Weite des Erzbistums. Aber freilich bleibt nun etwas mehr Zeit zur freien Verfügung, und die nutzt der Weihbischof unter anderem, um mit dem E-Bike die Umgebung Freisings zu erkunden.

Für die Münchner Kirchenzeitung hat er sich an diesem sonnigen Juli-Vormittag Zeit für einen Spaziergang ins Grüne und ein ausführliches Gespräch über seine Erinnerungen genommen. Dabei wandern wir von der Wies entlang von Feldern und durch den Wald und entdecken dabei ein schön gelegenes Feldkreuz. Dort lässt es sich auf einer Bank wunderbar rasten, während der Blick über das idyllische Hügelland mit seinen Bauerndörfern und ein, zwei hervorspitzenden Kirchtürmen schweift.

Bergsteigen statt Wandern

„Mit dem Wandern hab ich es nie so gehabt“, erzählt Haßlberger zu meiner Überraschung, der ja als Sportsmann und Jakobswegpilger bekannt ist. Er löst den vermeintlichen Widerspruch aber gleich auf, indem er ergänzt: „… aber mit dem Bergsteigen!“ Ambitionierte Touren hat er zusammen mit seinem Cousin unternommen, stand auf dem höchsten Alpengipfel, dem Montblanc, war in den Dolomiten, den Julischen Alpen, in der Hohen Tatra unterwegs. Die dabei gesammelten Erlebnisse verklärt er in der Rückschau nicht zu großen religiösen Erfahrungen, sondern erinnert sich eher an die sportliche Herausforderung und die Naturerfahrung auf seinen Bergtouren.

Intensives Berufsleben mit vielen Stationen

Und zieht dann eine Parallele von damaligen Gipfelmomenten in seine Gegenwart: Denn ähnlich, wie er sich damals von exponierter Zinne aus beim Blick ins Tal dachte, wie klein doch die Sorgen da unten seien, genießt er auch jetzt mehr und mehr, die Dinge aus der Distanz zu betrachten und dabei manches deutlicher zu sehen. Auf ein langes und intensives Berufsleben schaut er dabei zurück: von der ersten, erfolgreichen Station als Kaplan in Dachau über die Berufung als Subregens ins Priesterseminar, wohin er aus dem spannenden seelsorglichen Tagesgeschäft nur widerwillig wechselte, und die Leitung des Kardinal-Döpfner-Hauses in Freising bis hin zum Wirken als Weihbischof ab 1994 – womit nur einige Stationen grob skizziert sind.

„Meine Chefs, Kardinal Wetter und Kardinal Marx, haben mich immer an der langen Leine laufen lassen“, erzählt Haßlberger, der dieses Vertrauen nicht enttäuscht hat und auch unter den Gläubigen im Erzbistum immer als volksnaher, bodenständiger und grundehrlicher Landsmann geschätzt war.

Haßlberger: Fall der Kirche tief und berechtigt

Aber was macht das mit einem – und mit seinem pastoralen Lebenswerk –, wenn ausgerechnet zum Ende der Amtszeit die Kirche in eine schwere Krise gerät? Versteht der emeritierte Weihbischof diese Kirche noch, die nicht mehr dieselbe ist wie damals, als der gebürtige Ruhpoldinger 1977 zum Priester geweiht wurde? Haßlberger räumt unumwunden ein, dass der derzeitige Fall der Kirche tief sei – und berechtigt: „Es gelingt uns nicht mehr, zu zeigen, wo der Glaube im Leben hilft.“ In der Verkündigung habe man jahrzehntelang zu theoretisch agiert, früher sogar überheblich von der „societas perfecta“ fabuliert, zu wenig das konkrete Leben der Menschen im Blick gehabt.

„Durch den Katechismus kommt keiner zum Glauben“, resümiert Haßlberger und fordert, dass Strukturdebatten in der Kirche mehr mit dem Geistlichen und Pastoralen Hand in Hand gehen müssten, um Erfolg zu haben. Doch trotz der Bestürzung über kirchliches Versagen spürt der Weihbischof noch immer viel Gottvertrauen und Begeisterung für den Glauben: „Wir tragen einen Schatz in irdenen Gefäßen, wie Paulus sagt. Jetzt sehen wir: Die Kirche ist tatsächlich ‚irden‘ – mir ist es aber immer um diesen Schatz gegangen. Die Kirche wird sich ändern, aber was sich nicht ändert, ist: Wir müssen Christus und seine Botschaft zu den Menschen tragen!“

Vertrauen auf Gott

Als wir wieder zurückspazieren, bleibt mir von Haßlbergers Äußerungen, die ihn als weltoffenen, gut informierten und immer auch humorvollen Beobachter auszeichnen, vor allem eine in Erinnerung. Sie scheint auf den ersten Blick gar nicht zu einem Bischof und dessen vermeintlichem Image eines selbstbewussten Machers zu passen … Oder ist sie gerade deshalb wegweisend? „Jemanden zum Glauben bringen kann man nicht. Ich kann nur aussäen, ein bisschen umgraben und auflockern. Ich tu, was ich kann, und dann sag ich: Lieber Gott, jetzt bist du dran!“

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de