Interview mit Hans Maier

Von Leipzig aus soll es neue Anstöße geben

Als junger Student hat Professor Hans Maier (84) seinen ersten Katholikentag erlebt, später war er selbst mehrfach Präsident der Veranstaltung. Der ehemalige bayerische Kultusminister wird auch in Leipzig mit von der Partie sein.

So war‘s 1984: Professor Hans Maier (rechts) auf dem Katholikentag in München mit (von links) Kardinal Friedrich Wetter, Ministerpräsident Franz Josef Strauß, Primas Kardinal Josef Glemp und Kurienkardinal Joseph Ratzinger. (Bild: 100Tage100Menschen) © 100Tage100Menschen

Herr Professor Maier, wann hatten Sie das erste Mal Kontakt zu einem Katholikentag?

Das war 1952 in Berlin. Ich habe damals in Freiburg studiert und mich mit einer Gruppe von Kommilitonen auf den Weg gemacht. Wir haben einen kleinen Bus gemietet und sind „durch die Zone“, wie man damals sagte, nach Berlin gefahren. Nur einmal durften wir kurz unterbrechen, in Magdeburg, was mir die Gelegenheit gab, zum ersten Mal den Magdeburger Dom zu sehen.

In welcher Erinnerung haben Sie die Veranstaltung?

Was das eigentliche Programm betrifft, ist mir vor allem die Rede des großen Theologen Romano Guardini in Erinnerung. Es war damals sein erster Auftritt bei einem Katholikentag. Er sprach zum Thema „Nur wer Gott kennt, kennt den Menschen“, eine zentrale theologische Überlegung. Guardini sprach lange, mehr als 45 Minuten lang, und wie gewohnt langsam und leise. Und doch hörten ihm alle gebannt zu. So etwas wäre heute kaum noch vorstellbar. Darüber hinaus erinnere ich mich an eine Bootsfahrt auf Spree und Havel, die wir gemeinsam mit Studenten aus Ostberlin gemacht haben. Das war sehr bewegend. Wir sind uns regelrecht in den Armen gelegen und haben uns geschworen, dass wir – der deutschen Teilung zum Trotz – ein Volk bleiben.

Hans Maier war von 1976 bis 1988 Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Die Lainevereinigung richtet den Katholikentag regelmäßig aus.

In Ihrer Eigenschaft als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (1976-1988) waren Sie später selbst Präsident von fünf Katholikentagen. Wie haben Sie den Wechsel von der Teilnehmer- auf die Veranstalterseite erlebt?

Für mich hat das keinen großen Unterschied bedeutet. Ich hatte schon in den Jahren zuvor meist als Referent oder Diskussionsteilnehmer an den Katholikentagen teilgenommen, saß also damals schon auf dem oberen Teil des Treppchens. Das Neue war vor allem, dass ich nun eine Eröffnungs- und eine Schlussrede vorbereiten musste. In der Verwaltung des Zentralkomitees kursierte damals der Spruch „Wir reden nicht, wir lassen reden“, aber mir war es doch wichtig, in meinen Reden eigene Töne anzuschlagen und etwas Persönliches einfließen zu lassen.

Vor welchen Herausforderungen standen die Katholikentage jener Jahre?

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat sich der deutsche Katholizismus pluralisiert und bis zu einem gewissen Grad auch polarisiert. Es gab da etwa den „Katholikentag von unten“, organisiert von Gruppen, die zwischen den Katholikentagen kaum eine Rolle spielten, dann aber die Öffentlichkeit der Veranstaltung nutzten, um ihr Gegenprogramm deutlich in den Vordergrund zu spielen. Ich hingegen habe immer betont, dass es einen „Katholikentag von unten“ ebenso wenig gibt wie einen „Katholikentag von oben“. Es gibt nur einen Katholikentag auf dem Weg. Eine Herausforderung stellte auch die Pluralisierung dar. Die ersten Katholikentage nach dem Krieg hatten eine klare, oft politische Botschaft. Das war in den 1970er und 80er Jahren nicht mehr der Fall. Mehr und mehr wurde der Katholikentag selbst zur Botschaft, weil er die Vielfalt katholischen Lebens darstellte. Gerade von evangelischer Seite wurde den Katholiken früher gerne ein blockhaftes Denken unterstellt, so dass man sich von Katholikentagen eine geradezu dogmenähnliche Botschaft erwartete. Dass diese Vorstellung nicht mehr der Realität entsprach, haben die Katholikentage jener Jahre deutlich gezeigt.

Mehr über den 100. Katholikentag in Leipzig finden Sie in unserem Dossier unter www.muenchner-kirchennachrichten.de/katholikentag.

Wie intensiv haben Sie die Katholikentage der folgenden Jahrzehnte verfolgt?

Auch da habe ich nur wenige ausgelassen. Besonders intensiv erinnere ich mich an Berlin 1990, an Karlsruhe 1992 und an Mannheim 2012. Selbstverständlich werde ich auch nach Leipzig fahren. Den 100. Katholikentag kann ich mir nicht entgehen lassen. Den werde ich von Anfang bis Ende mitmachen.

Was wünschen Sie sich von der Veranstaltung?

Ich hoffe, dass dieser Katholikentag ein Zeichen aussendet, wie Glaube und Hoffnung auf die Zukunft in einer nachreligiösen Gesellschaft noch möglich sind. In Leipzig und im gesamten Gebiet der ehemaligen DDR haben die Christen ja die Mehrheit verloren. Die gehört dort den Nicht-Getauften. Aber gerade das ist interessant und herausfordernd für die Kirche. Sie muss dort den Glauben in einer anderen Weise verkünden, sie muss neue Formulierungen finden, ja sie muss von Grund auf neu denken. Wie das funktionieren kann, dazu sollten Anstöße von Leipzig ausgehen.

Interview: 100Tage100Menschen