Nachruf

Unverwechselbarer Stil

Der Sankt Michaelsbund trauert um seine Mitarbeiterin und langjährige Chefin vom Dienst Susanne Holzapfel.

Über 25 Jahre war Susanne Holzapfel für den Sankt Michaelsbund tätig. © SMB

München – "Tut mir leid, ich hoffe, dass ihr das hinbekommt“, schrieb sie in ihrer letzten E-Mail an die Redaktion, in der sie sich an jenem Montagmorgen krankmeldete. Sie könne aufgrund starker Kopfschmerzen bei der Fertigstellung der aktuellen Aus­gabe nicht mithelfen, der Hausarzt müsse kommen, irgendetwas stimme mit ihr nicht. In der folgenden Nacht wurde Susanne Holzapfel ins Augsburger Universitätsklinikum eingeliefert. Dort, in ihrer Geburtsstadt, ist unsere langjährige Kollegin am Abend des 27. Mai nach zweiwöchigem Kampf infolge einer Gehirnblutung gestorben. Am 23. Juni wäre sie 56 Jahre alt geworden.

1993 war Susanne zum Sankt Michaelsbund (SMB) und somit zur Münchner Kirchenzeitung (MK) gekommen, zu einer Zeit, bevor Computer, Internet und Smartphone in den Redaktionsalltag ihren Einzug gehalten hatten. Es war die Phase der Umstellung von Schreibmaschine und Klebe-Umbruch auf digitale Produktionsweisen. Der erste klobige PC stand bald (von vielen damals noch kritisch beäugt) in ihrem Büro. Und weil sie jung war und einen Compu­terkurs absolviert hatte – so einfach war das damals – wurde Susanne kurzerhand zur „Chefin vom Dienst“ ernannt.

Lieber schreiben als richten

Somit war sie für den reibungslosen technischen Produktionsablauf der Zeitung zuständig. Diverse „Relaunches“, also optische und inhaltliche Neugestaltungen des Blattes, liefen unter ihrer kritischen technischen Prüfung und mit immer großem persönlichen Einsatz ab. Unzählige Ausgaben unserer Zeitung tragen ihre Handschrift im Layout – Susanne, ihr allen Lesern vertrautes Kürzel lautete „hos“, liebte es, Seiten optisch besonders ansprechend zu gestalten. Auch die Auswahl des Titelbildes lag fest in ihren Händen. Sie besaß einen sicheren Blick und das Gefühl für das je­weils passende Motiv.

Ihr journalistisches Handwerk hatte Susanne unter anderem bei der Aichacher Zeitung und dem Donaukurier in Ingolstadt gelernt – eine zweite Berufung sozusagen, denn eigentlich war sie studierte Juristin, die erfolgreich das zweite Staatsexamen abgelegt hatte. Doch lieber als über Menschen richten wollte sie über sie schreiben. So wurde sie, zum Glück für uns, Journalistin, und bereicherte unser Blatt mit zahllosen Geschichten in ihrem ganz eigenen, unverwechselbaren Stil, mit viel Feingefühl und sprachlicher Eindringlichkeit.

Auch jenseits des Journalismus engagiert

Besonders auch den Alten, Schwa­chen, Kranken und Benachteiligten galten ihr Interesse und ihre Zuwendung – journalistisch äußerte sich dies etwa in den jährlichen Adventsrufen von MK und Caritas, die Susanne lange Jahre umsichtig und mit viel Herz­blut betreute. 2018 wurde sie mit dem dritten Preis beim „Münchner Sozialcourage-Medienpreis“ des Diözesan-Caritasverbands ausgezeichnet. Sie hatte unter der Überschrift „Begleitung auf dem schwersten Gang des Lebens“ die verantwortungsvollen Aufgaben eines ehrenamtlichen Kriseninterventions-Helfers geschildert, der Menschen in Extremlagen betreut, etwa beim Absturz der Germanwings-Maschine im März 2015 in Südfrankreich oder beim Amoklauf im Juli 2016 im Münchner Olympia-Einkaufszentrum. „Susanne Holzapfel hört hin und kann sich in die Schicksale ih­rer Protagonisten einfühlen“, hieß es in der Laudatio, „sie zeigt Verständnis für die Menschen, bewertet nicht, sondern schreibt einfach, wie etwas ist.“

Aber auch in ihrem Leben jenseits der Redaktionsräume galt ihre Zuwendung oft jenen auf der Schattenseite des Lebens: Zahlreiche unheilbar Kranke begleitete sie einfühlsam und mit aller Zeit der Welt beim Sterben. Als überzeugte Vegetarierin nahm sie sich auch eines armen Straßenhundes an – der muntere Ronny war lange unser Redaktions-Hund. In ihrem Häus­chen in Wollmetshofen bei Ehemann Moses, den sie erst vor drei Jahren ganz im Stillen geheiratet hatte, war zudem Platz auch für einige Katzen.

Zeit sinnvoll genutzt

In ihrem Büro in unserer Redaktion hängt noch ihre Strickjacke über dem Stuhl, so als ob Susanne nur kurz zum Bäcker oder in den Hof zum Rauchen gegangen wäre. An ihrer Pinnwand hängt über der Todesanzeige unseres im Januar verstorbenen Kollegen Georg Walser, um dessen Frau sich Susanne in dieser schweren Zeit besonders kümmerte, ein Zeitungsausschnitt aus „Christ und Welt“. Er zeigt den 2016 verstorbenen Publizisten und Fernsehmoderator Roger Willemsen. Wenige Tage vor der Dia­gnose Krebs, an dem er ein halbes Jahr später sterben sollte, hatte Willemsen der Katholischen Nachrichten-Agentur ein Interview gegeben. Am Schluss steht folgender bemerkenswerter Satz: „Der Sinn des Lebens besteht darin, die gegebene Frist sinnvoll zu nutzen. Nicht nur Spaß zu haben.“ Susanne hat ihre Zeit, die leider viel zu kurz war, sinnvoll genutzt.

Sie war die Mutter der Kompanie. Dieser Ausdruck hätte Susanne vielleicht sogar gefallen. Seit „gefühlt Jahrhunderten“, wie sie selbst gerne sagte, hat sie die Münchner Kirchenzeitung geprägt.
Geprägt mit ihren menschlichen Porträts, geprägt mit ihren wunderbaren, kraftvollen Texten, geprägt mit ihrer beneidenswerten Kreativität, die sich in Themenvorschlägen genauso niedergeschlagen hat wie in den von ihr liebevoll gebastelten Zeitungsseiten. Sie war ne echte Type.
Susanne war die authentischste Frau, der ich je begegnet bin, sie hat nie irgendjemandem etwas vorgemacht, hat sich nie verbogen, war immer so, wie sie ist: gradraus, witzig, mitunter krachend vorlaut, aber immer von einer Tiefe, wo andere banal am Gipfel hängen bleiben. Dabei war Susanne ex-
trem feinfühlig, hat jedem sofort angesehen, wenn es ihm schlecht ging. Dann hörte sie zu, analysierte, kümmerte sich, gab Rat. Nun ist unsere Kompaniemutter gegangen. Viel zu früh. Sie fehlt, ungemein.
(Susanne Hornberger, Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung)

Der Autor
Florian Ertl
Münchner Kirchenzeitung
f.ertl@michaelsbund.de