Neuer Platz für alte Musik

Sankt Michael führt Johannes-Passion an ungewohntem Ort auf

Nicht von hinten, nicht von vorne, sondern von mittendrin wird die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach beim Michaelskonzert am Palmsonntag erklingen. Dafür lässt Chordirektor Frank Höndgen Kirchenbankreihen verschieben.

Chordirektor Frank Höndgen hat den geeigneten Platz für die Johannes-Passion gefunden. © Kiderle

Musik kommt in Sankt Michael entweder von vorne oder von hinten, entweder vom Altarraum oder von der Orgelempore. Nun wird sie auch öfter aus einem seitlichen Kirchenschiff ertönen. Das große Michaelskonzert am Palmsonntag macht mit der Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach den Anfang. Vor dem großen klassizistischen Denkmal für Eugène de Beauharnais, dem Stief- und Adoptivsohn Napoleons, werden Sänger und Orchester auf Augen- und Ohrenhöhe mit den Zuhörern auftreten. Dafür lässt Frank Höndgen sogar sechs Bankreihen entfernen.

Verschobene Bänke ermöglichen neue Konstellationen 

Ein Gönner hat dem Chordirektor und künstlerischen Leiter in Sankt Michael das dazu nötige technische Gerät gestiftet. Mit einer Rampe, einem hydraulischen Wagenheber und mehreren Trägern mit Schwerlastrollen lassen sich die Bänke anheben und an anderer Stelle in der Kirche parken: „Auf die freie Fläche werden dann kleine mobile Podeste montiert, die sich wieder entfernen und einlagern lassen“. Diese Möglichkeit will Höndgen nicht nur bei der Johannes-Passion nutzen, sondern auch immer wieder bei besonderen Gottesdiensten oder Andachtsreihen. Jeweils ungefähr vier Stunden braucht es für den Auf- und Abbau.

Musik näher an die Menschen

Dabei geht es dem Chordirektor nicht allein um eine andere Akustik. Er möchte die Verbindung, die Gemeinschaft zwischen Zuhörern und Musikern deutlich machen: „Wir wollen näher an die Menschen heran“. Im Altarraum oder auf der Orgelempore sind sie von den Kirchenbesuchern ganz weit weg. „Die Musiker sind aber Bestandteil der Gemeinde und Mitfeiernde, und nicht nur Darbietende oder Dienstleister, das immer wieder zu zeigen, ist uns ein großes Anliegen.“

Ganz große Besetzungen sind im Seitenschiff allerdings nicht möglich. Die ist bei der Johannes-Passion seit langem üblich. Frank Höndgen kommt jedoch mit 19 Chorsängern und -sängerinnen sowie mit einem 18-köpfigen Orchester aus. Der musikalischen Qualität kommt das sogar entgegen: „Der ganze Klangkörper ist dadurch viel beweglicher“, erklärt der Kirchenmusiker. „Gerade weil er nicht so groß ist, ist er auch nicht träge und der Klang viel transparenter.“ Johann Sebastian Bach hat das Werk wahrscheinlich ebenfalls in einer kleinen Besetzung dirigiert.

Weil das begleitende Barockorchester LaBanda auf historischen Instrumenten spielt, dürfte sich die Johannes-Passion in Sankt Michael sehr ähnlich wie die Originalaufführung von 1724 anhören. Damals durchzog das eindringliche Werk den Karfreitagsgottesdienst in der Leipziger Nikolaikirche.

Johannes-Passion als Silberstreif am Horizont

Bis heute spricht es stark die Gefühle der Zuhörer an. Gerade in einer Pandemie- und Kriegszeit, in der sich viele Menschen voller Angst und hilflos fühlen. Davon erzählt auch diese Musik. „Letztendlich handelt dieses Stück von der Ohnmacht an allen Fronten“, sagt Frank Höndgen. Gott überlässt sich wehrlos der Gewalt der Menschen. Pilatus könnte Jesus freilassen, fürchtet aber die aufgehetzte Menge und um seine Karriere und die Anhänger des Mannes aus Nazaret müssen dem Geschehen untätig zusehen. Jesus Christus ist trotzdem bereit, die Schwäche und Niederträchtigkeit der Menschen zu ertragen. Um zu zeigen, dass Gott sie niemals aufgibt und liebt.

Darum erzählt diese Musik nicht nur von Trauer und Schmerz, sondern auch von Hoffnung und Erlösung. Frank Höndgen hört in ihr immer einen „Silberstreif am Horizont und den wollen wir am Beginn der Karwoche den Menschen mitgeben“. Auch darum passt es, dass die Johannes-Passion in Sankt Michael an einem neuen und ungewohnten Platz in Sankt Michael aufgeführt wird: ganz nahe bei den Zuhörern.

Karten zu 20 bis 25 € für die Johannes-Passion in der Michaelskirche mitten in der Fußgängerzone sind bei München-Ticket, an der Pforte von Sankt Michael und an der Konzertkasse erhältlich. Das Konzert am Sonntag, dem 10. April, beginnt um 16.00 Uhr.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de