Zwei Pontifexe im Vergleich

Papst Franziskus und der emeritierte Benedikt XVI. sind gleichlang im Petrusamt

Am Freitag holt Franziskus seinen Vorgänger ein. Am 22. Januar ist auch der Argentinier 2.873 Tage im Petrusamt - die Tage ihrer jeweiligen Wahl eingerechnet. Ein skizzierter Päpste-Vergleich in vier Stichworten.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus begrüßen einander herzlich. (Archivbild) © imago images / Independent Photo Agency Int.

Vatikanstadt Unterschiedlicher könnten Päpste kaum sein - so scheint es. Doch neben frappanten Unterschieden haben der Emeritus Benedikt XVI. und der Amtsinhaber Franziskus einige Gemeinsamkeiten.

Reformen

Was Benedikt XVI. zaghaft begonnen hatte, sollte und will Franziskus gründlicher fortführen. Etwa den Kampf gegen Missbrauch. Den nahm der Vatikan auf, als Joseph Ratzinger noch Präfekt der Glaubenskongregation war. Doch vom ersten Erlass, den Ratzinger 2001 noch als Kardinal durchsetzte, über Franziskus' Kinderschutzkommission bis zum Anti-Missbrauch-Gipfel 2019 war es ein langer, zäher Weg. Auch Franziskus musste bei dem Problem einiges dazulernen, beging Fehler und musste sie später einräumen.

Eine umfassende Kurienreform hingegen hatte Benedikt nie im Sinn. Gleichwohl gründete er 2010 die Finanzaufsicht AIF zur Bekämpfung illegaler Finanz-Aktivitäten, leitete eine Reform der Vatikanbank IOR ein. Franziskus griff die Initiativen auf, schuf neue Behörden, legte andere zusammen.

Wie sein Vorgänger musste der Argentinier mit Widerstand in der Kurie kämpfen. Insbesondere bei den Kompetenzen für das neu geschaffene Wirtschaftssekretariat gab es Gerangel und Rückschläge. Erst nach dem Finanzskandal im Staatssekretariat konnte Franziskus ursprünglich geplante Änderungen durchsetzen.

Die Art, wie der Argentinier seine Reformen angeht - "im Gehen" und sprunghaft -, ist sehr eigenwillig. Ganz anders als Benedikt, der Instanzen einhielt. Diese überspringt Franziskus gerne, lässt die Kurie oft links liegen, holt sich Rat und Vorarbeit von außerhalb. Im Regierungsstil liegt wohl der größte Unterschied zwischen beiden.

Politik und Diplomatie

Beide Päpste haben hohe Forderungen an die Politik. Allerdings begab sich Benedikt XVI. weniger in deren Tiefen, beließ es bei grundsätzlichen Hinweisen. Franziskus äußert sich tagesaktueller, wie seine Einlassungen zu Migrations-, Klima-, Sozial- und zuletzt Gesundheitspolitik zeigen.

Kompromisse bedeuteten für Benedikt, Abstriche machen zu müssen. Er beließ es - etwa im Kongress in Washington oder im Bundestag in Berlin - meist bei Grundsatzreden. Franziskus hingegen macht zwar ebenso klare Ansagen, schaut dann aber auch, was umsetzbar ist.

Dafür ist er bereit, mit jedem - "außer mit dem Teufel" - in Dialog zu treten: ob es die Generäle in Myanmar sind, die Despoten in Venezuela und Belarus oder das Regime in Peking. Dabei nimmt Franziskus in Kauf, dass sein Schweigen zu den Uiguren und zu Hongkong seine moralische Autorität schmälern.

Entsprechend ist die Diplomatie des Heiligen Stuhls zu neuem Leben erwacht. Und während Benedikt XVI. Welt und Kirche weiter von Europa aus dachte, sieht und bewertet der Argentinier sie vom vermeintlichen Rand her.

Theologie

Ratzinger wurde und wird zweifellos als großer Theologe anerkannt - auch von vielen, die seine Schlussfolgerungen nicht teilen. Sein großes Anliegen: Glaube und Vernunft, biblische Offenbarung und abendländisches Denken zusammenzubringen. Dabei schaut er auf das große Ganze, denkt deduktiv und in der Moraltheologie eher von der Lehre her.

Franziskus hingegen kommt vom konkreten Menschen, sieht hinter ihm die soziale Realität. Für den Argentinier ist Theologie Anwendungswissenschaft; Prinzipienreiter sind ihm zuwider. Die von ihm als Jesuit gepriesene Methode der geistlichen Unterscheidung ist nur schwer nachvollziehbar, führt nach Ansicht von Kritikern zu widersprüchlicher Praxis, die die Einheit gefährdet. Doch Franziskus hat ein dickes Fell; als Lateinamerikaner kann er (vermeintliche) Gegensätze nebeneinanderstehen lassen.

Menschen

Als Papst zeigte Ratzinger, dass er nicht der "Panzerkardinal" ist, als den ihn Medien titulierten. Gleichwohl wollte der Professor auf dem Stuhl Petri eher belehren; sein Nachfolger will ermutigen. Fromm sind beide - wobei Benedikt im Vergleich zu Franziskus etwas nüchterner ist. Einer Madonnen-Ikone regelmäßig Besuche abstatten, gerne mit Blumenstrauß, wie es der Argentinier in Santa Maria Maggiore tut, wäre dem Deutschen weniger in den Sinn gekommen.

Der schüchterne Benedikt denkt eher institutionell; er lebte für seine Arbeit und verzichtete dafür weitgehend auf "social life". Franziskus hingegen blüht auf, wenn er sich unter Menschen begibt. Gleichwohl kann auch der "Pfarrer Papst" harsch, ja cholerisch werden. Einen bescheidenen Lebensstil pflegen beide. Benedikt XVI. ist ein wohl noch asketischerer Typ als sein Nachfolger. Aber er konnte sich damit in der Kurie weniger durchsetzen als der Dickkopf Bergoglio, der sich weigerte, aus dem Gästehaus Santa Marta auszuziehen. Vielleicht fühlt sich Franziskus im Vatikan weiter nur als "Gast auf Erden"? Ein Rücktritt aber scheint bei ihm derzeit nicht in Sicht.
(kna)