Alois Glück zur Abstimmung im Bundestag

"Nein" zum Geschäft mit Sterbehilfe

Fast 70 Prozent der Deutschen sagen in Umfragen, dass sie, wenn es dem Ende zugeht, Sterbehilfe in Anspruch nehmen würden. Am 5. und 6. November entscheidet der Bundestag über ein Gesetz zur Sterbehilfe und über den Ausbau von Palliativmedizin und Hospizbegleitung. Wir sprachen darüber mit Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK).

Alois Glück (Bild: imago) © imago

mkn: Am 6. November wird im Bundestag über das Sterbehilfegesetz, einen Tag vorher, am Donnerstag, über den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung abgestimmt. Welches von beiden Vorhaben ist aus Ihrer Sicht wichtiger? 

Glück: Beide sind miteinander verbunden, beide sind wichtig. Aber über allen Dingen steht die Grundsatzdebatte über die Frage einer Regelung im Hinblick auf organisierte Beihilfe zum Suizid. Bei der Palliativversorgung ist es letztlich zu einer großen Übereinstimmung im Deutschen Bundestag gekommen. Jeder sieht, dass es nicht reicht, gewissermaßen nur Verbote auszusprechen, sondern dass man hier auch eine positive Antwort geben muss auf die Ängste der Menschen, auf ihre Sorgen im Hinblick auf Schmerzen, Einsamkeit und Verlust der Selbstbestimmung. Die überzeugende Antwort darauf ist eine Sterbebegleitung, wie sie uns im Geist der Hospizbewegung zur Verfügung steht, so wie sie sich in den letzten 20 Jahren entwickelt hat. Es geht nun darum, diese Möglichkeiten der Hospizbewegung, der Palliativmedizin und der Palliativpflege allen Menschen zugänglich zu machen. Denn der derzeit unerträgliche Zustand ist ja, dass unendlich viele Menschen auf dieser letzten Wegstrecke immer noch mehr leiden müssen als nach heutigen Möglichkeiten notwendig wäre. Weil zum einen zu wenig Wissen da ist, auch bei den Ärzten, und zum anderen diese Dienste für die Menschen leider oft nicht zugänglich sind. Vor allen Dingen dort, wo die Menschen in dieser letzten Lebensphase sein möchten, im vertrauten sozialen Umfeld, in der Familie oder im Pflegeheim. Der Ausbau dieser Angebote wird nur Wirklichkeit, wenn sich Menschen in den jeweiligen Städten und Landkreisen dafür entsprechend engagieren! Hier sind wir gefordert, das ist ein Glaubwürdigkeitstest, gerade auch für uns Christen!

mkn: Brauchen wir ein Gesetz zur „Sterbehilfe“?

Glück: Ja! Es hat eine Entwicklung eingesetzt, wo man nun eine Entscheidung treffen muss und zwar auf der Basis der Gesetzgebung, die wir seit weit über 100 Jahren haben, nämlich dass in Deutschland der Suizid und die Beihilfe zum Suizid nicht strafrechtlich verfolgt wird. Es gibt zunehmend Entwicklungen, dass in organisierter Weise Unterstützung und Beihilfe zum Suizid angeboten wird. Daraus wird regelrecht ein Geschäft gemacht, in teilweise skandalöser Art und Weise. Unabhängig von dieser geschäftlichen Seite ist es natürlich generell eine grundlegende gesellschaftliche Frage der Situation der Schwachen und Kranken in unserer Gesellschaft. Wir brauchen eine Regelung, die dieses Geschäft mit dem Tod und diese gesellschaftliche Entwicklung unterbindet. Da geht es nicht um Bevormundung, sondern um die gesellschaftlichen Normen, darum, ob Pflege und Suizid gewissermaßen gleichwertige Alternativen werden. Wenn man, wofür manche plädieren, jetzt keine gesetzliche Regelung träfe, würde das bedeuten, dass der Deutsche Bundestag und die deutsche Öffentlichkeit alles bewusst „laufen lässt“ und so gesehen „Ja“ sagt zu einer Entwicklung, in der sich dann alle denkbaren Formen von Angeboten der Unterstützung beim Suizid und letztlich auch sozialer Druck im Hinblick auf den Suizid „als Lösung“ entwickeln würden.

mkn: Wo sollten wir in fünf Jahren in der Begleitung von Sterbenden stehen?

Glück: Dass wir möglichst allen Menschen helfen können. Flächendeckend durch Angebote wie ambulante Dienste und entsprechende stationäre Einrichtungen helfen können. Das verlangt eine große Kraftanstrengung, vielleicht wird es auch zunächst einen gewissen Engpass geben, da das notwendige Fachpersonal nicht von heute auf morgen zur Verfügung stehen wird. Aber wir sollten in fünf Jahren sagen können: „Wir haben jetzt das Mögliche getan und was wir vielleicht noch nicht erreicht haben, werden wir auch noch leisten“.

Das Interview führte Gabie Hafner, Redakteurin und Moderatorin der Sendung "Einfach Leben" im Münchner Kirchenradio.

Das vollständige Gespräch können Sie online unter www.muenchner-kirchennachrichten/muenchner-kirchenradio/sendungen/einfach-leben.html nachhören.

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