Jüdisches Leben

Maccabi München vereint Jugendliche aller Religionen

Beim Fred-Brauner-Turnier vereint Maccabi München Jugendmannschaften aus verschiedenen Kulturen und Religionen. So fördert der Verein Toleranz und Integration.

Die Buben empfinden es als Ehre, für Maccabi zu spielen. © SMB/Bierl

Großes Gewusel und viel Aufregung in der „Socc-Arena“ im Münchner Olympiapark: 20 Kinder- und Jugendmannschaften aus ganz München und Umgebung sind angereist. Der FC Phönix ist darunter, Teutonia oder die SpVgg 1906 Haidhausen, der erste Verein von Franz Beckenbauer. Sie alle wollen beim Fred-Brauner-Turnier dabei sein. Fred Brauner hatte den nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden überlebt und war 1965 einer der Gründer des TSV Maccabi München, der nun das Hallenturnier ausrichtet.

Das erfahren die Teilnehmer noch vor dem Anpfiff durch den Stadionsprecher. Wer die Schiedsrichter, die Spielereltern oder die Betreuer der gastierenden Clubs fragt, bekommt viel Anerkennung für den jüdischen Sportverein zu hören. Gut organisiert sei Maccabi, schade, dass der Verein immer wieder in politische Auseinandersetzungen hineingezogen würde, trotzdem kämen sie gern hierher.

Fußballer halten gerade jetzt fest zusammen

Dann pfeifen die Schiedsrichter an und die Eltern und Betreuer aus den Gastvereinen feuern ihre Jungs an. Auf einem der kleinen Spielfelder gibt Alvaro von Lill-Rastern seiner C-Jugend-Mannschaft gerade letzte taktische Anweisungen für ihr Spiel. Er ist Sportdirektor bei Maccabi und erzählt begeistert, dass die Fußballgemeinde gerade jetzt fest zusammenhält. Die Solidaritätswelle nach den Gräueltaten der Hamas an israelischen Bürgern sei „mega“. Der 7. Oktober 2023 „war ein riesiger Einschnitt für jüdische wie nichtjüdische Maccabi-Mitglieder“, der aber nicht nur Anteilnahme, sondern auch Ängste ausgelöst habe.

Aus Sicherheitsgründen sagte der Verein die ersten Spiele von sich aus ab. „Gerade da habe ich das Gemeinschaftsgefühl im Fußball gespürt“, erzählt von Lill-Rastern. Die anderen Vereine hätten nicht nur Verständnis gezeigt, sondern auch ihre Unterstützung für den weiteren Spielbetrieb und Nachholspiele zugesichert, „egal, was in Israel passiert“. Der Sportdirektor von Maccabi selbst kommt nicht aus einer jüdischen, sondern, wie er betont, „sogar aus einer streng katholischen Familie“. Und auch fast alle seiner etwa 15-jährigen Jugendspieler gehören einer anderen Religion an. Sie wollen vor allem eines: Fußball spielen.

Ehre, für Maccabi zu spielen

Aber es ist ihnen klar, dass sie das in einem Verein tun, „der eine besondere Geschichte und Hintergrund hat“, wie einer von ihnen sagt. Deshalb sei es ihm „eine Ehre“, für Maccabi zu kicken. Seine Mitspieler sehen das ähnlich. Im Training sei seit dem Kriegsausbruch immer Polizei zur Sicherheit da, erzählt ein anderer Jugendlicher, „aber das schränkt mich nicht ein, wir fühlen uns wohl hier“. Dann müssen sie schnell aufs Spielfeld für die nächste Partie. Sofort ist zu sehen und zu hören, wie vielfältig und international die beteiligten Teams zusammengesetzt sind.

Die rund 1.000 Mitglieder von Maccabi München kommen aus aller Welt – von Kirgistan bis Kanada. Atheisten sind genauso darunter wie Zeugen Jehovas. Lediglich etwa 30 Prozent der aktiven Sportler sind jüdisch, schätzt Vereinspräsident Robi Rajber, der „allen Gemeinschaft bieten“ will. Maccabi soll zum einen die jüdische Identität stärken und gleichzeitig das gegenseitige Kennenlernen unterschiedlicher Kulturen und Religionen fördern und damit antisemitischen Haltungen vorbeugen: „Ich glaube, Maccabi ist viel mehr als Sport.“

Sabbat wird streng eingehalten

Toleranz und Verständigung hat sich Maccabi mit seinen zwölf Sportabteilungen, die vom Fußball über Tischtennis und Karate bis zum israelischen Tanz reichen, auf die Fahnen geschrieben. Die jüdischen Wurzeln bleiben trotzdem deutlich. Die beim Fred-Brauner-Turnier angebotenen Brühwürstl sind selbstverständlich nicht aus Schweine-, sondern aus Geflügelfleisch, was auch die muslimischen Gäste und Spieler freut. Auch sonst lernen die Maccabi-Mitglieder bei jüdischen Festen koscheres, also nach den religiösen Vorschriften zubereitetes Essen kennen. Immer sind alle dazu eingeladen.

Der Verein hält den Sabbat streng ein, es gibt keine Spiele am Freitagabend und am Samstag. „Da unterstützt uns etwa der Bayerische Fußballverband sehr, sodass wir der einzige jüdische Sportverein Deutschlands sind, der die Sabbatruhe einhält“, berichtet Rajber. Doch weil Maccabi seine jüdische Prägung offen zeigt, ist er immer wieder auch Ziel von Antisemitismus. Gerade in den vergangenen Monaten hat der Vereinspräsident viele Anrufe besorgter Eltern erhalten, die fragen, ob ihre Kinder im Training oder den Wettbewerben gut genug geschützt sind. Rajber kann sie beruhigen, es gibt verstärkte Sicherheitsmaßnahmen: „Aber die Angst, dass was passiert, ist irrsinnig angestiegen.“

Trainer der Gegnermannschaft erhielt Drohanruf

Vor einigen Wochen erhielt sogar der Trainer einer gegnerischen Mannschaft einen Drohanruf. Wenn sein Team gegen einen jüdischen Verein spiele, werde er schon sehen, was passiert. Die Clubs haben die Begegnung unauffällig verlegt und passiert ist nichts. „Aber wir sprechen da von einem Spiel von Achtjährigen“, sagt Rajber und schüttelt den Kopf. Auch türkische oder kurdische Jugendliche müssen häufiger böse Sprüche einstecken, wenn sie ihren Altersgenossen er- zählen, dass sie in einer Maccabi-Mannschaft antreten. Solche Geschichten erlebt Armand Presser vom Maccabi-Vorstand immer wieder, „dass muslimische Jugendliche sich rechtfertigen müssen, wenn sie bei uns spielen.“ Den Verein verlasse trotzdem kaum einer dieser Jugendlichen.

„Im Gegenteil, sie haben hier ihre sportliche Heimat und sie stehen zu ihr.“ Und darauf ist Armand Presser auch ein wenig stolz: dass Kinder und Jugendliche in seinem Verein nicht nur das Fußballspielen lernen. Sondern ebenso, dass sie ihre Persönlichkeit entwickeln können, um als Erwachsene nicht Vorurteilen oder gar Hassparolen auf den Leim zu gehen. Maccabi ist eben viel mehr als nur Sport.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de