Katholikentag in Stuttgart

Kirchenfest oder Krisengipfel?

Der Katholikentag in Stuttgart steht im Zeichen des Ukrainekriegs, der Klimakatastrophe und einer tiefen Vertrauenskirche der katholischen Kirche. Die Veranstalter bemühen sich unterdes um ein zeitgemäßes Format.

Vom 25. bis zum 29. Mai treffen sich Katholiken aus ganz Deutschland in Stuttgart. © IMAGO/epd

Kirche erleben, den eigenen Glauben feiern und über Gott und die Welt debattieren. Das ist das Ziel des Katholikentags. Seit 174 Jahren kommen zehntausende Gläubige aus ganz Deutschland dazu alle zwei Jahre in einem anderen Bistum zusammen. Zuletzt 2018 in Münster und – wegen Corona digital – vergangenes Jahr auf dem Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt.  Auch diese Mal in Stuttgart soll das Treffen zeigen: Die Kirche lebt und gestaltet die Gesellschaft mit. „Wir waren immer ein Motor für Veränderung und eine Plattform zur Gegenwartsbestimmung“, betont der Generalsekretär des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, Marc Frings. Und was könnte die katholische Kirche gerade jetzt besser brauchen?

Motto: Leben teilen

Fünf Tage, vom 25. bis zum 29. Mai, dauert der Katholikentag. Bei 1.500 Veranstaltungen soll zu Politik, Glaube, Kultur und Geschichte auf Podien diskutiert und in Werkstätten gearbeitet werden. Ein abwechslungsreiches Programm mit vielen diskursiven und interaktiven Formaten, das seinesgleichen sucht, ist Frings überzeugt. „Leben teilen“ heißt das Motto, das nach dem (vorläufigen) Ende der Coronapandemie überall in Stuttgart zu spüren sein soll. Ein Kirchenfest wird es angesichts der Umstände aber nicht werden: Klimakatastrophe und Ukrainekrieg prägen die weltlichen Programmpunkte. Und auch in der katholischen Kirche selbst brennt es an allen Ecken und Enden.

Kirchenkrise vergrault die Gäste

Die Missbrauchsskandale und ihre schleppende Aufarbeitung haben die Kirche in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt und gleichzeitig schonungslos aufgezeigt, welches Leid Reformstau verursachen kann. Der Katholikentag soll deshalb auch genutzt werden, um zu prüfen, wie gut es aktuell auf dem Synodalen Weg mit dem Reformprozess vorangeht. Und wo es stockt. Daran, dass die Kirche überhaupt in der Lage ist, sich zu reformieren, zweifeln nicht nur viele Gläubige, wie zuletzt der Kirchenaustritt des Speyerer Generalvikars Sturm zeigte. Er ist einer von Hunderttausenden, die der Kirche jedes Jahr den Rücken kehren. Am Stuttgarter Katholikentag wollen zwar trotzdem namhafte Vertreter aus Politik und Gesellschaft, wie zum Beispiel auch der Bundekanzler und der Bundespräsident teilnehmen, doch Veranstalter Frings merkt auch, dass die Hemmschwellen immer höher werden. Längst folgt nicht mehr jeder einer Einladung. „Die sagen uns ganz klar: Mit der jetzigen krisenbehafteten Kirche, die nicht in der Lage ist, in ihrem eigenen Laden aufzuräumen, wollen wir nichts zu tun haben.“

Hoffen auf die Jugend

Deshalb ist es umso wichtiger, mit dem Katholikentag die anzusprechen, die noch nicht mit der Kirche gebrochen haben. Insbesondere junge Gläubige wollen mitgestalten, betont Gregor Podschun, Bundesvorsitzender des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): „Sie verstehen sich als wichtigen Teil der katholischen Kirche und wollen das auch zeigen!“ Auf dem Katholikentag sind deshalb alle wichtigen Jugendverbände vertreten. Zahlreiche Angebote ballen sich in den zwei extra hierfür eingerichteten Zentren: Den Lebenswelten für junge Erwachsene und Jugend. In die Vorbereitung seien Jugendverbände stark eingebunden gewesen, lobt Podschun. Auf dem Programm steht neben Podien zu Themen wie Klimaschutz oder Rechtsextremismus zum Beispiel auch eine Gaming-Lounge.

Authentisch bleiben, Reformen angehen

Junge Gläubige sollen auf dem Katholikentag aber nicht nur beschäftigt, sondern auch gehört werden, fordert der BDKJ-Vorsitzende. Selbst wenn das für manchen unangenehm ist. Von einer „Feel-Good-Veranstaltung“ hält Podschun nichts. „Stattdessen muss authentisch gezeigt werden, in welcher Krise sich die Kirche befindet und wir dagegen nur mit strukturellen Veränderungen ankommen.“ Je nachdem, wie gut das der Katholikentag in Stuttgart schafft, wird sich zeigen, wie zeitgemäß das Forum heute noch ist. Podschun ist aber optimistisch, dass es funktionieren wird. Er sieht vor allem die Chance, die das Treffen in Stuttgart bietet: „Wir können zeigen, wie die katholische Kirche tickt und eine Plattform bieten, auf der nicht nur die Sicht von Priestern und Bischöfen dargestellt wird – sondern die der Gläubigen.“ Ganz wie beim ersten Katholikentag in Mainz im Jahr 1848.

Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
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