Meinung
Geschichte und Gegenwart

Kirche und Denkmal

Am Sonntag ist wieder der Tag des offenen Denkmal begangen worden. Gerade für die Kirche stellt sich die Frage, wie mit Gebäuden und Orten umzugehen ist.

Eingehüllt um für die Zukunft bewahrt und weiter entwickelt zu werden: Das Diözesanmuseum auf dem Freisinger Domberg. © Diözesanmuseum/Probat

Sie umgeben uns jeden Tag und einmal im Jahr wird auf sie geschaut: Am Sonntag war der Tag des offenen Denkmals, der heuer vor allem digital begangen worden ist. Der Tag ist ein Anlass stolz zu sein, mit welcher Mühe und Liebe Vereine, Kommunen, Pfarreien aber auch Behörden Gebäude und Orte erhalten. Gerade für die Kirchen stellt sich aber die Frage, wie sie diesen Bestand weiter nutzen und auch finanzieren können.

Beispiel Diözesanmuseum

Am Beispiel des Diözesanmuseums in Freising wird deutlich, wie viele unterschiedliche Nutzungen ein Haus in seiner Geschichte haben kann. Von der kirchlichen Internatsschule, über Lazarett und Notunterkunft bis zum heutigen Museum. Zurzeit erhält es eine grundlegende Sanierung. Zuvor hatte sich ein Streit entsponnen, ob ein Anbau abgerissen werden darf, der erst etliche Jahre nach der Einweihung 1870 entstanden war. Keine Originalsubstanz, bei der Sanierung und für die weiteren Museumszwecke eher unpraktisch. Einige Freisinger Bürger protestierten dennoch heftig, weil dieser Anbau für sie Teil des Ortsbildes geworden war. Er ist längst entfernt, die Architektur wird an dieser Stelle originaler als zuvor ausschauen. An diesem kleinen Beispiel lässt sich erkennen, dass Denkmäler keine erstarrten Objekte sind, die in einem unveränderlichen Zustand verharren müssen. Sonst dürften an ihnen ab einem bestimmten Zeitpunkt keinerlei Veränderungen mehr geschehen.

Denkmäler schaffen Dialog

Ein Denkmal steht jedoch in einem Dialog: mit der Vergangenheit und der Zukunft. Es muss erzählen, wie eine bestimmte Epoche ausgesehen hat, aber auch, wie ein Erbe sich weiterentwickelt. Das Diözesanmuseum zum Beispiel wird bei der voraussichtlichen Einweihung 2022 auf Anhieb an das frühere Gebäude erinnern. Gleichzeitig wird es sich optisch unterscheiden und offener präsentieren.Es zeigt damit an, wie sich die Idee eines kirchlichen Museums in den vergangenen Jahrzehnten erweitert hat. Es ist nicht mehr nur eine Schatzkammer, in dem schöne Dinge zu sehen sind, die Respekt vor der Frömmigkeit und dem künstlerischen Gestaltungswillen früherer Generationen abnötigen. Es ist ein Ort, an dem auch darüber nachgedacht und debattiert werden soll, wie Frömmigkeit und religiöse Kunst heute aussehen können und welche Inspiration das Alte dafür geben kann. Der Blick soll sich weiten und das drückt sich auch in der sichtbaren Gestalt dieses Denkmals aus.

Behutsam und entschlossen

Diese bewusste Balance zwischen Bewahren und Umgestalten von Gebäuden wird die Kirche in den kommenden Jahren noch öfter beschäftigen: Zahlreiche Gotteshäuser sind eigentlich zu gross für die schwindende Zahl der Gläubigen. Sollen sie einfach nur weiter dastehen und daran erinnern, dass sie einmal voll waren? Oder gehen die Verantwortlichen gleichzeitig behutsame und mutig-entschlossene Schritte, sie einerseits zu bewahren und mit neuem Leben zu erfüllen. Verliert ein eine Kirche ihre Seele, wenn darin ein Seniorentreff oder eine Bibliothek einzieht? Immerhin bringen sie Menschen zusammen, so wie früher der Gottesdienst. Das wäre jedoch auch bei einer Diskothek der Fall. Allerdings bringt ein Tanzschuppen weniger ins Gespräch, ins Nachdenken oder trägt zur gegenseitigen Hilfe bei als eine Sozialeinrichtung oder eine Bibliothek. Trotzdem wird die Frage bleiben, wie mit der religiösen Aufladung und Aura einer Kirche umzugehen ist, die für Generationen ein Ort des Gebets war. Solche Abwägungen werden in den nächsten Jahren eine große Rolle spielen. Ich bin schon sehr gespannt, welche Antworten die Kirchen darauf beim Tag des offenen Denkmals in zehn Jahren gefunden haben werden.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de