„Gleis 1“

Inklusion an exklusivem Standort

„Phantastisch“, „Viel größer“, „Wir können uns besser gegenseitig unterstützen“ – die Mitarbeiter im Inklusionsprojekt „Gleis 1“ sind voll des Lobes. Gleich vier Einrichtungen hat die Caritas jetzt direkt am Bahnhof unter einem Dach vereint. Bei einer feierlichen Segnung ist „Gleis 1“ jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt worden.

Caritas-Kreisgeschäftsführer Erwin Lehmann (links) und der Leiter der sozialpsychiatrischen Dienste, Siegfried Zimmermann, in der Fahrradstation (Bild: Witte) © Witte

Rosenheim – Ausgangspunkt der Planungen war die Fahrradstation, die die Caritas am Bahnhof weiterführen wollte. Sie ist jetzt in einem renovierten Gebäude untergebracht, das die Stadt von der Bahn erworben hat. Neben dem bewachten Fahrradparkplatz können die Kunden in Zukunft auch eine Reparaturwerkstatt in Anspruch nehmen oder ein Fahrrad ausleihen. Im Dialog mit der Stadt Rosenheim stellte Caritas-Kreisgeschäftsführer Erwin Lehmann fest, dass das Gebäude direkt an den Gleisen mehr hergibt als nur eine Fahrradstation. Deswegen ist auch das Buchcafé hierhergezogen: Bei einer Tasse Cappuccino und selbstgebackenem Kuchen können die Besucher schmökern und Bücher kaufen. Auch eine kleine Abteilung des Werkstattladens der Behindertenwerkstätten bietet hier Waren – vom Erdbeeressig bis zum Holztablett – an.

Betrieben werden die Einrichtungen von insgesamt etwa 50 Menschen mit psychischen Handicaps. „Damit sind die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen hier am Bahnhof mitten im Leben. Sie sind keine Hilfeempfänger, sondern Serviceleister. Und das ist Inklusion pur!“, freut sich Lehmann. Mit den sogenannten „Zuverdienstmöglichkeiten“ in Fahrradstation, Buchcafé und Werkstattladen sollen die Mitarbeiter Trainings-, Beschäftigungs- und Arbeitsmöglichkeiten finden. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen werden so Schritt für Schritt an einen geregelten Arbeitsalltag herangeführt. „Man geht davon aus, dass 30 bis 40 Prozent der Beschäftigten Arbeitsmöglichkeiten benötigen, die weit unter zwanzig Wochenstunden angesiedelt sind“, erklärt Siegfried Zimmermann, Leiter der sozialpsychiatrischen Dienste bei der Rosenheimer Caritas.

Ergänzt werden die Zuverdienstbetriebe durch eine Tagesstätte, in der Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen betreut werden. Übers Jahr werden hier in Zukunft an die 200 Menschen tagesstrukturierende Angebote wahrnehmen: In Gruppensitzungen und Einzelgesprächen sollen vorhandene Fähigkeiten stabilisiert und ausgebaut werden.

Die Tagesstätte ist im ersten Stock von „Gleis 1“ untergebracht. Der Standort direkt am Bahnhof folgt einem Trend, psychiatrische Hilfsangebote in das soziale Umfeld der Kranken zu verlagern, sagt Zimmermann. Die Tagesstätte und die drei Betriebe sollen eine Gemeinschaft bilden. Zugleich ist sich die Caritas bewusst, dass „Gleis 1“ eine Herausforderung wird: Die Anforderungen müssen therapeutisch den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Beschäftigten angepasst werden. Und gleichzeitig müssen Leistung und Service in Fahrradstation, Buchcafé oder Werkstattladen stimmen. (Willi Witte)