Kardinal Lehmann verstorben

Führender Kopf der Kirche

Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, ist am Sonntagmorgen im Alter von 81 Jahren verstorben. Kardinal Marx würdigte Lehmann als "großen Theologen" und "warmherzigen Bischof".

Kardinal Karl Lehmann (1936-2018) © SMB SMB

Mainz – Er hat - "gelegen oder ungelegen" - seine begründete Meinung gesagt und hat - "so gut es als Mensch geht" - geradlinig und sachlich seine Arbeit gemacht: Kardinal Karl Lehmann. Am frühen Sonntagmorgen ist er im Alter von 81 Jahren in Mainz gestorben.

"Ein großer Theologe, Bischof und Menschenfreund geht von uns. Mit seinem Tod verlieren wir einen warmherzigen und menschlichen Bischof, den eine große Sprachkraft auszeichnete", erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Die Kirche in Deutschland verneigt sich vor einer Persönlichkeit, die die katholische Kirche weltweit wesentlich mit geprägt hat."

Überzeugter Europäer

Weit über zwanzig Jahre habe Lehmann auch die Geschicke der Deutschen Bischofskonferenz als deren Vorsitzender geleitet und dabei Höhen und Tiefen erfahren, erklärte Marx. "Es ging ihm immer wieder um die Frage, wie eine menschendienliche und zugleich traditionsverpflichtete Kirche beschaffen sein sollte." Lehmann sei ein katholischer Weltbürger und überzeugter Europäer gewesen.

"Kardinal Lehmann war ein beeindruckender Mensch und vorbildlicher Geistlicher, dessen Engagement und Arbeit national und international ungezählte Ehrungen erfuhren", betonte Marx. "Vor allem war Karl Lehmann Priester, Seelsorger und Bischof, ein begnadeter Theologe und ein guter Freund. Die theologische Finesse wird uns ebenso fehlen, wie seine kantigen Wortmeldungen."

Bischof Lehmann neben Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Roman Herzog Lehmann beim Sankt Michael-Jahresempfang in Bonn am 9. September 1997
Bischof Lehmann neben Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Roman Herzog Lehmann beim Sankt Michael-Jahresempfang in Bonn am 9. September 1997 © MK Archiv

Fast 33 Jahre Bischof von Mainz

Lehmann, der langjährige Bischof von Mainz und Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, war in Zeiten, als "Rom" in der deutschen Öffentlichkeit als Hort des konservativen Dogmatismus galt, der Name für ein weltoffenes, lebensbejahendes Christentum. Fast 33 Jahre, vom 2. Oktober 1983 bis zu seinem altersbedingten Rücktritt vom Bischofsamt an seinem 80. Geburtstag am 16. Mai 2016, stand Lehmann an der Spitze des Bistums Mainz. Als er das Amt übernahm, war er mit 47 Jahren der damals jüngste katholische Bischof in Deutschland.

Glaube und Vernunft

Für Lehmann galt, dass die Treue zum Glauben und die Treue zu den Menschen zusammengehören und sich Glaube und Vernunft nicht ausschließen. "Der Glaube ist ein Gehorsam, der wenigstens potenziell mit der menschlichen Vernunft übereinstimmen muss", sagte er einmal. Grundsätze, die nicht zuletzt sein Wirken als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von 1987 bis 2008 bestimmten.

Konservative Kritiker warfen ihm schon mal vor, die katholische Kirche in Deutschland zu einer "Lehmann-Kirche" zu machen, die sich ohne Not dem Zeitgeist anpasse. Bei seinen Bewunderern dagegen erwarb Lehmann sich den Ruf, ein "Glücksfall für die deutschen Katholiken" zu sein, ein "Brückenbauer", ein "Mann des Dialogs". Als solcher führte Lehmann nach dem Fall der Mauer die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen, gab Impulse für das ökumenische Gespräch und für das Gespräch mit kritischen Laien.

Beisetzung Kardinal Karl Lehmann

Das Requiem zur Beisetzung des früheren Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann, findet am Mittwoch, 21. März, um 15.00 Uhr im Mainzer Dom statt. Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf wird Hauptzelebrant des Gottesdienstes sein. Vor dem Gottesdienst wird der Verstorbene in der Mainzer Seminarkirche, wo die Aufbahrung stattfindet, ab 14.00 Uhr verabschiedet und in einem Trauerzug in den Mainzer Dom überführt. Nach dem Gottesdienst wird Kardinal Lehmann in der Bischofsgruft des Mainzer Domes beigesetzt. Im Dom werden rund 300 Plätze reserviert sein; die weiteren Plätze werden frei zugänglich sein. (pm)

Immer wieder mahnte er Reformen in seiner Kirche an und kritisierte politische Entwicklungen, die ihm Sorge bereiteten. Zuletzt warf er einigen Ländern der EU, insbesondere den osteuropäischen, mangelnde Solidarität in der Flüchtlingsfrage vor und ließ klar seine Abneigung gegenüber der AfD erkennen.

Deutlich machte der Kardinal auch, dass er nichts von "Riesengemeinden XXL" in seiner Kirche hielt, dass es ein Ständiges Diakonat der Frau geben sollte, eine Priesterweihe von in Ehe und Beruf bewährten Männern (viri probati), eine engere Zusammenarbeit von Priestern und Laien - und dass er auf Papst Franziskus baute.

"Die Starrköpfe sitzen an verschiedenen Stellen, und man kann nur hoffen, dass der Papst lange lebt und gesundbleibt", ließ sich Lehmann vernehmen. Für sein Selbstverständnis von besonderer Bedeutung war das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965). "Ich identifiziere mich mit meiner ganzen priesterlichen Existenz und in der Ausrichtung meines Dienstes daran. Ich könnte mich gar nicht denken ohne das Konzil", sagte Lehmann in einem Interview. Für ihn war das Konzil ein noch nicht zu seinem Ende gekommener Prozess. "Das Feuer des Konzils", davon war er überzeugt, "ist nicht erloschen."

Nach seiner Weihe am 2. Oktober 1983 segnet Bischof Lehmann zum ersten Mal die Gläubigen im überfüllten Martinsdom in Mainz
Nach seiner Weihe am 2. Oktober 1983 segnet Bischof Lehmann zum ersten Mal die Gläubigen im überfüllten Martinsdom in Mainz © MK Archiv

Als Lehmann Anfang 2001 doch noch von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal erhoben wurde, galt dies als eine Sensation. Schließlich hatte es in den Jahren zuvor Meinungsverschiedenheiten mit Rom gegeben, nicht zuletzt in Sachen Schwangerenkonfliktberatung und in der Frage nach einer Zulassung zivil wiederverheirateter geschiedener Katholiken zur Kommunion. Übersehen worden war da von vielen - aber eben nicht von Johannes Paul II. - Lehmanns unverbrüchliche Loyalität zu Papst und Kirche. Dass außerdem seinerzeit Bundeskanzler Helmut Kohl im Vatikan für die Kardinalsernennung warb, war in Rom ein offenes Geheimnis.

Ein leidenschaftlicher Bischof

Als Mitglied des Kardinalskollegiums nahm Lehmann am Konklave im April 2005 teil, bei dem Papst Benedikt XVI. gewählt wurde. Damals hegte er bereits große Sympathien für den argentinischen Kandidaten Jorge Mario Bergoglio. Und als der im März 2013 als Papst Franziskus zu Benedikts Nachfolger gewählt wurde, erhielt er sicher auch Lehmanns Stimme.

Franziskus, lobte Lehmann später, lasse alle Diskussionen zu und wage neue Ansätze. Für den Kardinal war es nicht zuletzt von großer Bedeutung, dass der Papst mit seinem Schreiben "Amoris laetitia" (Freude der Liebe) hinsichtlich des seelsorgerischen Umgangs mit wiederverheirateten Geschiedenen etwas aufgriff, wofür sich Lehmann über Jahrzehnte eingesetzt hatte. Für einen Umgang nämlich, der unterschiedlichen Lebenssituationen Rechnung trägt. Wie sagte Lehmann immer wieder? Das Wichtigste sei "kämpfen, nicht aufgeben".

Auszeichnung der katholischen Akademie

Auch für diese Haltung ehrte ihn die katholische Akademie in Bayern 2014 mit dem Romano-Guardini-Preis. Der Geistliche habe das "Lebensabenteuer" praktiziert, sich unermüdlich den geistigen Erfahrungen der Menschen auszusetzen, hieß es damals in der Laudation auf den Preisträger.

Seinen letzten großen öffentlichen Auftritt hatte Lehmann, als er am 27. August 2017 den Theologieprofessor Peter Kohlgraf zum neuen Bischof des Bistums Mainz weihte. Seit September 2017 kämpfte Lehmann dann mit den Folgen eines Schlaganfalls und einer Hirnblutung, zunächst im Krankenhaus und seit Mitte Dezember 2017 zuhause. Am letzten Montag war sein Gesundheitszustand so "kritisch", dass Bischof Kohlgraf zum Gebet für Lehmann aufrief - für "das letzte Stück seiner irdischen Pilgerreise". (KNA/alb)

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