Münchner Ausstellung Crazy Christmas

Museum spürt Zeitgeist von Krippen nach

Zur Weihnachtszeit steht die Sammlung des Bayerischen Nationalmuseums mit traditioneller Krippenkunst stets hoch im Kurs der Besucherinnen und Besucher. Dieses Mal überrascht zudem eine Sonderschau mit flippigen Szenen.

Jesus wird in einer Baustelle geboren. Werk von Bildhauher Rudi Bannwarth aus Ettlingenweiher (2015–2021) © Bayerisches Nationalmuseum / Bastian Krack

Die blonde Haarpracht der Gottesmutter dominiert alles. Wie ein riesiger Heiligenschein umgibt sie das liebliche Gesicht - verziert mit grünen Prilblümchen und rosa-roten Tupfern. Die Flower-Power Madonna mit Kind im Arm schaut aus, als wäre sie dem legendären "Yellow Submarine"-Film der Beatles entsprungen. Mit ihrem blau-rosa gestreiften Umhang steht sie im Zentrum der acht Meter langen Pop-Krippe, die der heute 88-jährige Münchner Maler Walter Tafelmaier 1971 für das Foyer des Bayerischen Rundfunks entworfen hat.

Der Sender schenkte das Werk später dem Bayerischen Nationalmuseum in München. Dort ist sie nach Jahren im Depot endlich wieder zu sehen: in der bis 28. Januar 2024 dauernden Sonderschau "Crazy Christmas". Tafelmaier spielt mit der biblischen Geschichte und verleiht ihr einen zeitgeistigen Touch, den man als Kritik am damals tobenden Vietnamkrieg deuten kann. Die Weisen aus dem Morgenland sind keine drei Männer, sondern unter ihnen ist eine Königin. Umrahmt wird die Krippenszene von einem im Tiefflug in die Bergwelt der Hirten eindringenden Engel. Stiller Zuschauer seiner verkündeten Friedensbotschaft ist ein properes Vögelchen.

Eine ungewohnte Aufbereitung des Themas

Pop-Art trifft auf Surrealismus, Comic auf Kubismus. Ungewohnte Perspektiven und unterhaltsame Gestaltung lassen das Thema Weihnachtskrippe in ungewohntem Licht erscheinen. "Konsumkrippe" hat Rudi Bannwarth seine Arbeit von 2018 überschrieben. Dabei knüpft er an die Tradition der Kastenkrippen an, die in Bayern auch als "Faulenzerkrippen" bezeichnet werden, weil sie nicht jedes Jahr von neuem aufgebaut werden müssen. Bannwarth hat das Geschehen der Heiligen Nacht in das entkernte Gehäuse eines Röhrenfernsehgeräts verlegt.

Zwei Handwerker-Engel in weißen Latzhosen stehen auf der Oberseite des Fernsehers, während der die Nacht erleuchtende große Stern zur Hälfte ins mit Christbaum geschmückte Wohnzimmer einer Familie hineinragt. Mutter und Vater sitzen erschöpft vom Weihnachtsstress in den Polstersesseln. Der Sohn hält indes erfreut das ihm geschenkte Tablet wie einen errungenen Pokal mit beiden Händen nach oben. "My Person first" ist an der Wand in Comic-Schrift zu lesen, dazu ein Stern mit der Aufschrift "Sale" sowie die auch längst in Deutschland üblich gewordene englische Kurzform für Weihnachten: "XMAS".

Die Krippen sollen zum Nachdenken anregen

Außerhalb des Zimmers aber steht im Freien eine junge Frau mit ihrem Partner. Es sind Maria und Josef, die sich liebevoll dem Neugeborenen widmen. Während die eine Familie dem sinnentleerten Konsum frönt, steht bei der anderen die Geburt Jesu im Zentrum. In künstlerischer Freiheit probieren auch Anton Hiller, Peter Sauerer und Rupert Stöckl das Spiel mit etablierten Formaten, Formen und Szenen neu aus. Es empfiehlt sich genau hinzuschauen, um Details zu entdecken. Denn die Kreationen sollen zum Nachdenken anregen.

Mit "Jesus wird in einer Baustelle geboren" hat der 1962 in Ettlingen geborene Bannwarth noch einen draufgesetzt. Dieses Mal ist die Geburt vor eine Hochhaussiedlung entlang einer belebten Einbahnstraße arrangiert. Hinter einer Absperrung blickt ein Migrant mit seinem Kind auf dem Arm verzweifelt in Richtung der Heiligen Familie. Maria wiegt zärtlich das Jesulein. Neben ihr Josef, in Gestalt eines Bauarbeiters.

Ministerpräsident Söder als Krippenfigur

Auf einer Hauswand prangt ein Graffiti, das Gottvater mit FC-Bayern-Schal in den Wolken sitzend zeigt. Ein Regenbogen als Zeichen des Bundes spannt sich zu den Münchner Domtürmen. Darauf wird in großen Lettern die Losung transportiert: "Triple ist die neue Dreifaltigkeit". Ein Bayern-Fan steht als Skulptur daneben und auch Ministerpräsident Markus Söder.

Söder ist nicht der einzige zur Krippenfigur mutierte Prominente. Peter Sauerer hat vier Schaustücke zur Geburt Jesu, zum Besuch der Könige, zur Darstellung Jesu im Tempel und zu Mariä Himmelfahrt geschaffen. Alle sind rund um eine Holzhütte arrangiert. Zu den üblichen Protagonisten gesellen sich Gestalten wie Joseph Beuys und Gerhard Polt.

Weihnachtsbock der einzige Lichtblick

Der Kabarettist spricht ja gern vom "Abfent". Einziger Lichtblick in dieser Zeit sei der Weihnachtsbock. Denn nach einigen Flaschen stelle sich wirklich Besinnlichkeit ein: "Dann hört man die Weihnachtsglocken läuten." (kna/smb)