Debatte über Reformationsgedenken

Wiedervereinigung oder getrennte Weg?

Die große Feier des Reformationstages regt die Debatte an: Sollen die beiden christlichen Kirchen zukünftig einen gemeinsamen Weg gehen?

Kardinal Reinhard Marx sagt: "Ich bete für eine Wiedervereinigung" © imago

Bonn - Angesichts des 500-Jahr-Gedenkens an die Reformation werden erneut Rufe nach aktuellen Veränderungen laut. Zugleich gibt es weiter unterschiedliche Bewertungen des Reformationsgedenkens, das mit dem Reformationstag am Dienstag zu Ende geht.

Marx betet für Vereinigung

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, sprach sich nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" für eine Wiedervereinigung der christlichen Kirchen aus. "Dafür setzen wir uns seit Jahren ein. Dafür bete ich, dafür arbeite ich", sagte Marx demnach. Der 31. Oktober 2017 sei kein Schlusspunkt, "sondern ein Doppelpunkt auf unserem ökumenischen Weg als Christen in diesem Land".

Mehrheit für Vereinigung

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der Zeitung ist eine Mehrheit der Katholiken in Deutschland für eine Vereinigung der Kirchen. 58 Prozent der katholischen Befragten sprachen sich demnach dafür aus. 28 Prozent waren dagegen. Unter den Protestanten lag die Zustimmung bei 47 Prozent, 41 waren dagegen. Von allen Befragten wollen 41 Prozent eine Wiedervereinigung. 35 Prozent lehnten sie ab, 24 Prozent waren unentschlossen oder machten keine Angabe.

Evangelische Stimmen

Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer forderte in der "Mitteldeutschen Zeitung" (Samstag) eine "grundlegende" Reformation. "Wir bräuchten dringend sowohl geistig als auch politisch eine grundlegende Reformation, die in den Mittelpunkt des Denkens und Handelns die Herausforderungen des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit mit Menschenrechten und der Bewahrung der Schöpfung stellt."

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte dem domradio: "Vor 500 Jahren wurde in Wittenberg eine religiöse Erneuerungsbewegung losgetreten. Genau solch eine Erneuerungsbewegung brauchen wir heute auch." Dies gehe nur noch ökumenisch. Er wertete das Gedenkjahr in der "Süddeutschen Zeitung" trotz vieler kritischer Stimmen als Erfolg.

Im Verhältnis zur katholischen Kirche sehe er Fortschritte: "Es hat sich in beiden Kirchen eine Dynamik entwickelt, die mich überrascht hat und sehr freut. Wir haben gemerkt, dass es dem gemeinsamen Zeugnis schadet, wenn wir uns voneinander abgrenzen."

Kritische Bilanz

Dagegen zog der Leiter der Europäischen Melanchthon-Akademie in Bretten, Günter Frank, eine kritische Bilanz. "Das Jubiläum hatte einen Konstruktionsfehler [...]. Es wurde zu stark auf Luther und Wittenberg reduziert", sagte er dem "Badischen Tagblatt".

Luthers unterschiedliche Seiten

Aus Sicht von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) führt das Gedenken dazu, dass man Luther von verschiedenen Seiten sehe. Luther sei mit "unglaublichen" Stärken, aber auch Schwächen ausgestattet gewesen. Der Reformationstag und das Gedenken gäben Gelegenheit, darüber nachzudenken, was die Reformation an Veränderungen gebracht habe. Es sei "vieles gesellschaftspolitisch in Gang gekommen".

In diesem Jahr ist der 31. Oktober einmalig bundesweit ein Feiertag. In Niedersachsen zeichnet sich laut "Hannoverscher Allgemeiner Zeitung" die Einführung eines zusätzlichen Feiertages ab. Auch die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann plädierte in der "Bild am Sonntag" für einen jährlichen Feiertag am Reformationstag. (kna)