Religiöse Tradition

Wie funktioniert das Fastenbrechen?

Gestern begann der Fastenmonat Ramadan. Welche Bedeutung hat er bis heute für die Muslime? Welche Gemeinsamkeiten hat er mit der christlichen Fastenzeit? Und wie soll man sich eigentlich verhalten, wenn man auf einen fastenden Muslimen trifft?

Das Fastenbrechen ist vor allem ein Gemeinschaftserlebenis. © stock.adobe.com - Fevziie

Mitten in der vorösterlichen Bußzeit bekommen Christen gewissermaßen Verstärkung beim Fasten: Am 10. März beginnt auch für Muslime eine einmonatige Zeit der Enthaltsamkeit. Mit der Ankunft des Ramadan erleben muslimische Gläubige einen Monat intensiver Spiritualität und religiöser Disziplin. Viele Gläubige freuten sich schon lange im Voraus auf den Fastenmonat und seine Traditionen, erklärt Imam Belmin Mehic (Foto rechts) vom Münchner Forum für Islam. Für alle, die bewusst mitmachten, sei der Ramadan das „Highlight des Jahres“.

Das könne zunächst komisch klingen, weil das Fasten von der Morgen- bis zur Abenddämmerung eine körperliche Anstrengung sei. Man erwarte dennoch „mit Sehnsucht, dass dieser Monat beginnt“. Denn im Islam sei die Fastenzeit „wahrscheinlich der einzige Gottesdienst, in dem man seine Ehrlichkeit zeigen kann“. Wenn man bete, könne man dabei gesehen werden, wenn man spende, könne man von den Menschen gelobt werden. Wenn man aber faste und dabei allein sei, wisse niemand, ob man es tatsächlich tue. Ob man einen Schluck Wasser trinke oder etwas esse, sehe dann allein Gott. Insofern sei das Fasten im muslimischen Sinne „ein Gottesdienst, in dem man seine Ehrlichkeit gegenüber Gott zeigt“.

Spannung aushalten

Es gelte, die Spannung auszuhalten, die aus dem Nichtessen, Nichttrinken und der sexuellen Enthaltsamkeit entstehe. Die löse sich aber auf in einer Zufriedenheit in der Beziehung zu Gott. Daraus entstehe auch die Kraft, auf das Ziel des Fastenbrechens hinzuarbeiten. „Am Ende des Tages bin ich stolz, dass ich eine gewisse Leistung gebracht habe“, ergänzt Mehic.

Wer den gesamten Ramadan gefastet habe, habe das gute Gefühl, „dass man nicht von den Begierden kontrolliert wird“. Außerhalb des Fastenmonats sei es oft schwierig, sich in einer Gesellschaft, die im Überfluss lebt, in der alles ständig verfügbar ist, zurückzuhalten. „Da werde ich im Ramadan gelassener und zufriedener, indem ich selbst bestimme, was und wann ich essen werde.“ Und man lerne zudem, mit weniger im Leben auszukommen.

Gemeinschaftserlebnis hat große Anziehungskraft für Muslime

Neben den individuellen Fastenanstrengungen ist es das Erlebnis der Gemeinschaft beim Fastenbrechen, das jedes Jahr aufs Neue eine große Anziehungskraft für Muslime hat. Jenseits des Ramadans lebe letzten Endes jeder in seinem eigenen Rhythmus, berichtet der Imam. Die Menschen verrichteten ihre Arbeit, sprächen am Freitag ihr Gebet in der Moschee und gingen dann wieder in ihren persönlichen Alltag zurück, der von Stress und Sorgen geprägt sei. Im Ramadan hingegen herrsche eine „viel größere soziale Dimension“. In den Familien komme man zusammen, um gemeinsam nach Sonnenuntergang das Nachtgebet zu sprechen, das schließlich das Fastenbrechen einleite. Dazu lade man oft auch Gäste ein. „Man begegnet einigen Menschen gefühlt nur im Ramadan“, so Mehic. Viele Muslime schauten deshalb bereits Wochen vor Beginn der Fastenzeit in den Kalender, um zu planen, wann sie zuhause oder mit der Moscheegemeinde zum Fastenbrechen zusammenkämen.

Selbst für die Kinder, die vom Fasten befreit sind, sei das Fastenbrechen ein Höhepunkt des Jahres. Er selbst habe als Kind auch nicht gefastet, sich aber immer auf die Abende in der Fastenzeit gefreut, bei denen man in der Familie das Essen vorbereitet und Passagen aus dem Koran vorgetragen habe. Damit rückt ein weiteres wichtiges Ziel in den Vordergrund, für das der Fastenmonat geschaffen wurde: Die Gläubigen sollen sich intensiver als sonst mit der Offenbarung Gottes an den Propheten Mohammed, dem Koran, auseinandersetzen. Das geschieht vor allem dann, wenn sich die Gemeinde zum Fastenbrechen versammelt. Bei dieser Gelegenheit werde das „Tarāwīh“, das freiwillige Gebet, gesprochen. Das besondere Gebet könne bis zu einer Stunde dauern, so Mehic. Dabei werde intensiv aus dem Koran rezitiert.

Ramadan startet mit Gebet in der Gemeinde

Mit einem Gebet in der Gemeinde startet dann auch der Ramadan am Abend des 10. März. Danach begebe man sich zur Nachtruhe nach Hause. Am Morgen des 11. März begännen schließlich die Fastenrituale mit einer kleinen Mahlzeit vor der Morgendämmerung.

Und wie sollen in den kommenden Wochen Nicht-Muslime reagieren, wenn sie sehen, dass ein Muslim fastet? Einfach ganz normal bleiben, rät Mehic. Man könne sogar tagsüber in Gegenwart eines Fastenden essen, denn wer aus religiösen Gründen faste, setze sich dabei in erster Linie mit Gott auseinander und habe in der Regel keine Probleme, jemandem beim Essen und Trinken zuzuschauen. „Wenn wir als Muslime fasten, sollen die anderen nicht leiden“, meint Mehic. Wer die Muslime in den kommenden Wochen beim Fasten unterstützen wolle, könne ihnen einfach einen „Ramadan Kareem“, einen gesegneten Ramadan wünschen. Und hat damit eine einfache Möglichkeit an der Hand, die Fastenzeit für den interreligiösen Dialog und das gegenseitige Kennenlernen zu nutzen.

Der Autor
Paul Hasel
Radio-Redaktion
p.hasel@michaelsbund.de