Soul Slam: "Spiritualität in 7 Minuten"

Was Väter und Enten mit Spiritualität zu tun haben

Bei der Tagung "Spiritualität der Zukunft" erklärten fünf Poetinnen im Rahmen eines "Soul Slams", was für sie Spiritualität ist. Dabei wurde klar, dass Spiritualität nicht immer offensichtlich etwas mit Religion zu tun haben muss.

Die drei Finalistinnen (von links): Kerstin, Isa und Maria, die den "Soul Slam" am Ende gewann. © von Grafenstein

München – Eine kleine Bühne, ein Barhocker, ein Mikrofon: Das war am Freitag die Ausgangssituation für die fünf Poetinnen beim "Soul Slam" in den Räumlichkeiten der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) der Ludwig-Maximilians Universität München. Der Slam fand im Rahmen der Tagung "Spiritualität der Zukunft" statt. Veranstalter Martin Rötting, der Hochschulseelsorger ist, war es wichtig, dass auch die Studenten Raum bekommen. Schließlich seien sie die "praktizierenden" Spirituellen der Zukunft. Wer also, wenn nicht sie, sollte etwas darüber sagen können, wie man morgen religiös ist. "Sonst gäbe es die KHG nicht, wenn wir da nicht zuständig wären dafür", erklärte Rötting.

Was ist denn eigentlich dieses spirituell sein?

Dass hier nicht unbedingt im klassischen Sinne von Gott erzählt werden würde, sondern jede Sichtweise ihren Platz hat, das sah jeder kommen, als die junge Moderatorin Vroni die Veranstaltung mit dem Statement eröffnete: "Ich gehe an Weihnachten nicht mal in die Kirche. Ist ja auch voll okay. Muss ja nicht jeder." Schnell wurde klar: Hier hat keiner Antworten. Hier wird gesucht. Sie erzählte selbst, wie sie erst den Begriff nachgeschlagen hatte, dann Rat bei ihrer polnischen Oma suchte, die ihr aber auch nicht wirklich weiterhelfen konnte. Also wurden die Dichter und Denker, beziehungsweise Dichterinnen und Denkerinnen befragt. Fünf an der Zahl und unterschiedlicher, wie sie nicht sein könnten. Die einzige Gemeinsamkeit war im Wesentlichen, dass alle jung waren und sich mit dem Thema auseinander setzten.

Spiritualität ist Verbundenheit

Nach einer kurzen Erklärung der Regeln – das Publikum entschied in der ersten Runde mit Wertungen von 0 bis 10, in der zweiten Runde per Applaus – ging es dann auch schon mit der ersten Slamerin los: Chrissy. Ihr Text erzählte von einer Verbundenheit über den Tod hinaus: Sie ließ das Publikum teilhaben an inneren Gesprächen mit ihrem verstorbenen Vater und wie sein Tod ihr Leben auch ins Positive verändert hat. Die große Verbundenheit, die ihr so wichtig geworden ist. Und Verbundenheit spürte man bei allen fünf Teilnehmerinnen. So erzählte Kerstin, die zweite Poetin, vom Alleingelassen sein, von Angst, von Zweifeln an Gott. Warum all dieses Leid? Und fand ihre Antwort im Vertrauen zu Gott, aus der fast schon nüchternen Einsicht, dass ihr eigentlich nichts anderes übrig bleibt. Und trotzdem fühlt es sich für sie geborgen an. Und das alles aus der Perspektive einer kleinen Ente auf einem Teich, der eigentlich ein Meer ist.

Spiritualität ist Freiheit

Einen ganz anderen Aspekt als Zuversicht und Vertrauen in etwas Größeres fanden dagegen Hannah und Maria: Regeln und Konventionen sind ihnen zu begrenzend. Die beiden finden in ihrem Glauben, ihrer Spiritualität eine Befreiung, um nicht zu sagen "Beflügelung". Für die eine ist es Fantasie, die ihr Leben bereichert, für die andere ihre Selbstbestimmung wieder zu finden und ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Doch auch hier wieder: Freiheit geht nicht ohne Vertrauen.

Das Publikum fungierte beim "Soul Slam" als Jury.

Spiritualität ist Liebe

So naheliegend es vielleicht klingen mag, Spiritualität kann man auch in der Liebe finden. Vielleicht gerade in diesem weiten Gebiet, das jeder in seiner Vielfältigkeit erfährt. In diesem "großen Gefühl" findet man möglicherweise am leichtesten einen spürbaren Zugang zu diesem ominösen "Geist" oder "Hauch", was Spiritualität übersetzt ja heißt. Vielleicht ist ja auch Liebe, dieser göttliche Hauch in Reinform, wie die jüngste Slamerin Isa sie empfand: Eine bedingungslose und allgegenwärtige Liebe. Wobei sie nicht von Gott, Jesus oder einem göttlichen Vater sprach, sondern viel nahbarer und liebevoller von einem Papa.

Mutige Poetinnen

Das Publikum nahm auf jeden Fall alles dankbar und offen auf, was die Soul-Slamerinnen ihm anbot. Die fünf jungen Frauen, die mit glänzenden Augen auf der kleinen Bühne standen, mal laut, mal leise, mal ganz pur, mal szenisch untermalt, begeisterten die Zuschauer. Felix, der Co-Moderator, erzählte nach der Veranstaltung, manche Texte hätten ihn tatsächlich fast zum Weinen gebracht. Gelacht wurde aber mindestens genauso viel. Schließlich jedoch entschied sich das Publikum, Maria zur Siegerin zu küren. Sie überzeugte mit ihrem Eigensinn und ihrer scharfen Beobachtungsgabe. Und genau da liegt für die angehende Religionspädagogin ihre Spiritualität: "Für mich heißt es, bewusst zu leben. Ganz bewusst das Leben wahrzunehmen. Auf allen Ebenen."

Grenzen sprengen für das Miteinander

Und diese sogenannte Achtsamkeit ist etwas, das auch ganz unabhängig von Religion existiert und vielleicht die Grenzen des manchmal angestaubten Begriffs "Glauben" sprengen und damit wieder zugänglicher machen kann für Leute, die sich mit der herkömmlichen Institution weniger wohlfühlen. Und das ist etwas, was sich auch Seelsorger Martin Rötting für die Zukunft wünscht: Jeder soll seine Stimme haben dürfen und doch gehören alle zusammen. Wie in einem Chor.

So lieferte der Abend vielleicht keine Antwort auf die Frage was Spiritualität ist, aber auf jeden Fall warum sie ist: weil jeder durch sie Antworten finden kann, die einem weder Väter, noch die Wissenschaft oder gesellschaftliche Regeln geben können. Weil diese Antworten nur jeder sich selbst geben kann. Beziehungsweise der "Geist" oder "Hauch", der ja in jedem Menschen zu leben scheint, kann sie einem geben. Aber sich aneinander inspirieren und dadurch voneinander profitieren kann man durch den Austausch auf jeden Fall. (Cornelia von Grafenstein)