Blogger zurück in Uppsala

Von Uppsala nach Kopenhagen - Wallfahrt anders

Von Mittelschweden mit dem Fahrrad nach Kopenhagen - Blogger Martin hat sich auf eine Radl-Wallfahrt begeben und viel erlebt.

Radlwallfahrt durch Südschweden - Stop in Vadstena (Bild: MArtin Rosenberger) © Bild: Martin Rosenberger

Uppsala/Helsingborg – Endlich geschafft! Nach elf Tagen und rund 724 Kilometern sind wir am 14. Juni an unserem Zwischenziel der Radwallfahrt in Helsingborg an der schwedischen Westküste angekommen. Bei nahezu durchgehend gutem Wetter, das zu dem ein oder anderem Sonnenbrand führte, und mit rund 15 Kilogramm Gepäck auf jedem Fahrrad haben wir am letzten Radfahrtag sogar fast 100 Kilometer zurückgelegt. Ganz ungefährlich war unsere Fahrt nicht immer. Gerade wenn es auf Landstraßen zwischen Lastwagen und Leitplanke zu fahren galt, waren gute Nerven und Konzentration gefragt. Auch eine kurze Irrfahrt durch ein Militärgelände blieb glücklicherweise ohne Konsequenzen. Mit Beistand von oben haben wir die Fahrradwallfahrt daher letztlich – abgesehen von einigen Mückenstichen ? ohne körperliche Blessuren absolviert.


Irrwege und Zweifel

Was aber machte die Fahrradtour eigentlich zu einer Wallfahrt? Das reine besichtigen von Kirchen am Wegesrand sicherlich nicht! Wir versuchten jeden Tag unter ein ganz bestimmtes Motto zu stellen. Nach dem Frühstück starteten wir daher jeweils mit einem kleinen Pilgerimpuls, der uns auf unserem Weg zum Tagesziel begleitete und zum nachdenken über „Gott und die Welt“ anregen sollte. Erstaunlicherweise trafen die jeweiligen Impulse dann auch oftmals wie der Pfeil ins Schwarze. Auf unserem Weg nach Örebro etwa verfuhr sich ein Teil unserer Gruppe. Die „Suche nach dem richtigen Weg im Leben“ war hier dann plötzlich ganz wortwörtlich ein größeres Problem. Glücklicherweise führte uns ein ortskundiges schwedisches Ehepaar aber wieder zusammen.

Auch der Impuls zum Thema „Zweifel“ war für den Weg nach Askersund goldrichtig gewählt, da die Strecke an diesem Tag aufgrund ihres Höhenprofils und des Gegenwinds kaum zu enden schien. Aber auch über weniger schöne Momente konnten wir während der Wallfahrt mit Hilfe der Impulse etwas tiefgründiger nachdenken. Denn, dass es innerhalb von zwei Wochen die man quasi Tag und Nacht zusammen in der achtköpfigen Gruppe verbrachte auch einmal zu „Streit“ und „Ärger“ in der Gemeinschaft kommt, ist wohl mehr als natürlich. Letztlich waren die Impulse eine tolle Gelegenheit weit abseits vom Alltagstrubel über sich selbst, seinen Platz in der Gesellschaft, seine Beziehung zu Gott und das Leben im Allgemeinen zu reflektieren.

Katholische Einsamkeit

Dass Schweden katholische Diaspora ist, konnten wir auf der Fahrt im wahrsten Sinne (in den Beinen) spüren. Alleine bis wir an die Pfarreigrenze unserer Ausgangsgemeinde St. Lars in Uppsala kamen, mussten wir fast eineinhalb Tage kräftig in die Pedale treten. Aber auch wie eng vernetzt die katholische Welt in Schweden ist, haben wir immer wieder feststellen dürfen. Nachdem wir während der Radwallfahrt unsere ursprünglich geplante Route etwas verändern mussten, war die Übernachtungsmöglichkeiten betreffend immer wieder Spontanität gefragt. Gut, dass uns oftmals Pfarrer und Pfarreimitglieder der einen Gemeinde entsprechende Kontaktpersonen in der „Nachbargemeinde“ (zumeist 60 bis 80 Kilometer entfernt) benennen konnten. So hatten wir öfter als gedacht ein festes Dach in einem Pfarrheim über dem Kopf. War kein Pfarrheim verfügbar galt es zum übernachten das schwedische „Jedermannsrecht“ zu nutzen und in freier Natur zu campen oder einen Zeltplatz ausfindig zu machen. Rückblickend ganz besonders ist mir unser Aufenthalt in Vadstena und dem dortigen Kloster in Erinnerung geblieben, das wir nach etwa der Hälfte der Strecke erreicht hatten. Der Empfang durch die Birgittaschwestern und unsere in deren Gästehaus mitarbeitenden Mitpraktikantinnen war derart herzlich, dass wir uns spontan dazu entschlossen, dort einen zusätzlichen Ruhetag einzulegen. Eine gute Entscheidung, wie sich am Abend herausstellte ? ob wir sonst die Kraft gefunden hätten gegen die Schwestern im traditionellen schwedischen Spiel „Kubb“ zu gewinnen ist eher fraglich. Wie es der Zufall wollte traf ich in Vadstena auch einen Pfarrer aus meiner Heimatstadt, der als Urlaubsvertretung für einen Monat in Schweden war. Zufälle gibt es, die gibt es gar nicht. Besonders überrascht hat uns aber etwa auch Pfarrer Franz in der katholischen Gemeinde in Värnamo in der wir zwei Tage später Station machten. Mit einem kleinen Grillfest hatte wohl niemand von uns gerechnet. Eigentlich unvorstellbar, wie viel Arbeit sich Franz gemacht hatte, wenn man weiß, dass er alleine eine Gemeinde betreut, die flächenmäßig auch einem bayrischen Dekanat entsprechen könnte.

Ökumene auf der Tour

Auch die Ökumene kam auf unserer Tour nicht zu kurz: Ob eine spontane Kirchenführung durch die wunderschöne evangelisch-lutherische Kirche von Härkeberga oder den herzlichen Empfang mit Orgelspiel, Besichtigung der Kirche und kleiner Brotzeit durch Pär von der Gemeinde in Arborga ? auch die evangelisch-lutherische schwedische Kirche hat uns immer herzliche empfangen. Nichtsdestotrotz führte unser Weg auch an Orte, die für die katholische Kirche Schwedens mit harten Einschnitten verbunden war. In Västerås etwa, wo wir am zweiten Tag unsere Mittagspause einlegten. Hier wurde 1527 die Grundsatzentscheidung für die Reformation in Schweden und damit die Lossagung der schwedischen Kirche von der römisch-katholischen Kirche getroffen.

Kultur und Natur

Auch vieles kulturelle und landestypische hatte die Tour zu bieten: Ob Schloss Strömsholm mit seiner Parkanlage und der Pferdeschau, die Klosterruine in Alvastra, das Schloss in Örebro oder die Polkagrismanufakturen (berühmte schwedische Zuckerstangen) in Gränna; allesamt Orte durch die viele Touristen wohl nur beiläufig mit dem Campingwagen fahren. Nicht zu vergessen ist auch die einfach unbeschreiblich schöne schwedische Landschaft, die sich immer wieder erstaunlich abwechslungsreich gestaltete. Eines sollte man sich aber bewusst sein: Nicht alle schwedischen Seen sind kristallklar, wir haben da so unsere Erfahrungen gemacht…

Mit dem Heiligen Ansgar ins Nachbarland

Ganz am Ziel waren wir nach 724 Kilometern Radfahren und der Ankunft in Helsingborg allerdings noch nicht. Schließlich stand die Wallfahrt unter dem Motto „Auf den Spuren des Heiligen Ansgars – Apostel Skandinaviens“. Und so machten wir uns schließlich für zwei Tage (diesmal aus organisatorischen Gründen allerdings mit dem Auto) auf den Weg nach Dänemark, genauer gesagt in die Diözese Kopenhagen. Das Bistum Kopenhagen, dessen Diözesanpatron der Heilige Ansgar ist, ist flächenmäßig eines der größten Bistümer der Welt, schließlich umfasst es neben dem Königreich Dänemark auch Grönland. Ein bewegendes Gefühl nach fast zwei Wochen Reise in Kopenhagen in der Kathedrale St. Ansgar zu stehen und damit an dem Ort anzukommen, für den man all die Strapazen und Anstrengungen auf sich genommen hat. Ein bisschen konnte man spüren, welche Anstrengungen der Missionar Ansgar – noch zumal vor weit über 1000 Jahren – wohl allein aufgrund der weiten Wege in Schweden und Dänemark über sich ergehen hat lassen. Aber auch er hat sich Zeit seines Lebens trotz so mancher Rückschläge die er erleiden musste nie entmutigen lassen und hatte sein Ziel stets vor Augen.

Das Fazit

Eine schöne Parallele zu unserer Wallfahrt wie ich finde. Zwar stießen auch wir durchaus ab und an auf Unverständnis, wenn wir erzählten, dass wir katholisch sind und derzeit eine Radwallfahrt durch Südschweden machen. Viele Menschen – egal ob Friedhofsmitarbeiter, Tourist oder Passant ? denen wir begegneten zeigten aber ernstes Interesse an uns und unserem Vorhaben. Die Radwallfahrt war sicherlich ein Erlebnis, dass ich persönlich nicht vergessen werde. Ganz getreu unserem Motto „All In This Together“ war es eine tolle Teamleistung die wir da vollbracht haben. Es hätte sich wohl kaum einer von uns vor einem halben Jahr vorstellen können, dass wir dieses Abenteuer so gut meistern. Auch wenn uns der ein oder andere für verrückt erklärt hat ? wie etwa ein deutscher Tankwart nahe Traryd, der meinte die Strecke könne man mit dem Motorrad ja schon fahren, aber mit dem Rad hätte er davon noch nicht gehört ? bin ich sehr froh und dankbar, dass Gott uns auf diesem Weg immer begleitet hat! Eine Sache haben wir auf unserer zweiwöchigen Tour allerdings vermisst: Einen Elch haben wir nicht gesehen. Das müssen wir jetzt irgendwie noch nachholen…(Martin Rosenberger)