München – Vor ein paar Wochen hat Robert Hintereder noch einmal nachgeschaut, ob die Wände des Kirchturms sich nicht verzogen haben, das Kreuz für das Dach bereitliegt und keine Schraube beim Abbau verlorengegangen ist. Denn der Kirchturm ist der auffälligste Teil des Standes, den die Tourismuspastoral des Erzbistums München und Freising auf der f.re.e. aufbaut, der nach eigenen Angaben größten Reise- und Freizeitmesse Bayerns, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen begeht.
Blickfang mit Überraschungseffekt
Ungefähr vier Meter ist der Turm hoch und ein Blickfang in der Halle A5, wo sich die Erzdiözese neben Ausstellern wie den Tourismusverbänden Liebliches Taubertal oder Sankt Peter-Ording, dem Steiff-Teddybären-Museum oder der Therme Erding präsentiert, gleich gegenüber dem Bayern-Biergarten. „Man sieht uns von Weitem“, sagt Hintereder, der den Fachbereich Tourismusseelsorge im Erzbistum leitet. „Wir sind mittendrin, da würde uns niemand vermuten, und so haben wir einen Überraschungseffekt.“
Der gefällt auch den Verantwortlichen der Reise- und Freizeitmesse. Jessica Tilly freut sich jedenfalls darüber, dass das Erzbistum bereits zum vierten Mal dabei ist: „Diese Präsenz besitzt für uns einen besonderen Stellenwert“, erklärt die Projektleiterin der f.re.e gegenüber der Münchner Kirchenzeitung (MK). Die Erzdiözese zeige den Messebesuchern „einen völlig anderen Blickwinkel auf Tourismus und Freizeitgestaltung“. Vor allem das Thema „Entschleunigung“ ist Tilly bei den kirchlichen Angeboten wichtig, „in einer Zeit, in der das Motto sehr oft ,Schneller, höher, weiter’ lautet“.
Kirche hat hier direkten Kundenkontakt
Die Fremdenverkehrsbranche hat also keine Berührungsängste mit der Kirche. Und Hintereder hat sie ebenso wenig, wenn er ins große Geschäft rund um Freizeit und Reisen seinen Kirchturm hineinstellt. Dafür hat er einen guten seelsorgerlichen Grund: „Der sonntägliche Gottesdienst ist für viele Menschen nicht mehr der Ort, der Kirche zu begegnen, aber der Urlaub und die Freizeit sind für uns die große Chance ein breites Publikum anzusprechen. Auf der f.re.e. will Hintereder die Vielfalt der spirituellen wie kulturellen Kirchenangebote zeigen, die auf Gäste im Voralpenland von Berchtesgaden bis Landshut warten: „Die müssen wir kommunizieren, bekanntmachen.“
Darum hat sich der gelernte Theologe und Pastoralreferent auch die f.re.e ausgesucht, denn die ist kein Branchen- und Geschäftstreffen für ein ausgewähltes Fachpublikum, sondern „eine Besuchermesse, bei der wir sozusagen direkten Kundenkontakt haben“. Die Besucher der Freizeit-
messe sollen Pfarreien und Klöster als offene Anlaufstellen im Urlaub kennenlernen, an denen auch die Seele Erholung findet und etwas für die Rückkehr in den Alltag mitnehmen kann.
Lebensgeschichten und positive Erfahrungen
Im vergangenen Jahr zählten die Veranstalter 140.000 Gäste. Der 30 Quadratmeter große Stand der Erzdiözese war dabei fast ständig von Besuchern umlagert, die sich über Pilgerwege, Berggottesdienste, Wallfahrten mit dem Radl, Kirchenkonzerte oder Urlaub im Kloster informiert haben.
Viele davon wollten aber nicht nur Prospekte für die nächste Reise einpacken oder ein Stamperl Klösterlikör trinken, das die sechs bis acht Mitarbeiter, die immer bereitstehen, ausschenken.
„Mit uns können die Menschen auch reden“, erklärt Hintereder. Selbst wenn es keinen direkten
Rückzugsraum gibt, „wir haben Sitzgelegenheiten, die etwas abseits sind und wo auch tiefergehende Gespräche entstehen“. Frust über die Kirche oder Wut über den Missbrauchsskandal bekamen die meist ehrenamtlichen Mitarbeiter mit theologischem Hintergrund dabei nur selten zu hören: „Es ist wirklich interessant, dass nur ganz wenig kritische Töne bei uns aufschlagen, es ist eher so, dass uns die Menschen ihre Lebensgeschichten oder ihre positiven Erfahrungen mit der Kirche erzählen.“