Nach Kritik von Missbrauchsbetroffenen

Steinmeier respektiert Verzicht von Marx auf Verdienstorden

Nach einem gemeinsamen Telefonat wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Kardinal Reinhard Marx am Freitag nicht mit dem Bundesverdienstkreuz ehren. Missbrauchsbetroffene begrüßen die Entscheidung.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kommt der Bitte von Kardinal Reinhard Marx nach, die Verleihung des Bundesverdienstordens nicht vorzunehmen. © IMAGO / Metodi Popow

Berlin/München – Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier respektiert die Entscheidung des Münchner Kardinals Reinhard Marx, die Auszeichnung mit dem Bundesverdienstorden nicht entgegenzunehmen. Das teilte eine Sprecherin am Dienstagabend auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur mit: "In einem Telefonat mit Kardinal Marx bekräftigte der Bundespräsident dessen große Verdienste um Solidarität und Gerechtigkeit, wie sie nicht zuletzt im Werben um die Aufnahme von Geflüchteten, aber auch im beständigen Dialog von Kirche und Gesellschaft zum Ausdruck gekommen sind."

Beide seien sich einig, dass die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche "von überragend wichtiger Bedeutung" sei und fortgesetzt werden müsse. Rücksicht auf Betroffene zu nehmen, die an der Ordensverleihung Anstoß genommen hatten, verdiene Anerkennung, ergänzte der Bundespräsident nach Angaben seiner Sprecherin.

Zur Aufarbeitung verpflichtet

Marx bat am Nachmittag in einem Brief an Steinmeier die für Freitag in Schloss Bellevue geplante Auszeichnung zu vorzunehmen. Dies sei mit Rücksicht auf diejenigen, die daran Anstoß nähmen, der richtige Schritt. Missbrauchsbetroffene aus Köln und aus Trier hatten die Ehrung mit Blick auf die nicht aufgearbeitete Rolle von Marx in mehreren Missbrauchsfällen kritisiert.

"Die Kritik, die nun von Menschen geäußert wird, die von sexuellem Missbrauch im Raum der Kirche betroffen sind, nehme ich sehr ernst, unabhängig von der Richtigkeit der einzelnen Aussagen in Offenen Briefen und in der medialen Öffentlichkeit", schrieb Marx nach Angaben seiner Pressestelle. Er fühle sich persönlich und auch als Amtsträger der Kirche der Aufarbeitung verpflichtet.

Ankündigung begrüßt

Mehrere Missbrauchsbetroffene hatten in ersten Reaktionen die Ankündigung von Marx begrüßt. Der Verein Missbit aus dem Bistum Trier nannte den Entschluss die "einzig richtige Möglichkeit". Die Ankündigung, auf die Ehrung zu verzichten, zeige, dass Marx die Kritik sehr ernst nehme, sagte Missbit-Sprecher Hermann Schell. Zugleich störe ihn aber, dass der Münchner Erzbischof und frühere Bischof von Trier inhaltlich bisher nicht weiter Position zu den von Betroffenen geäußerten Kritikpunkten beziehe.

Auch der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, begrüßte die Entscheidung des früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. "Respekt!", kommentierte Katsch auf Twitter. Er selbst war im April gemeinsam mit dem Jesuitenpater Klaus Mertes mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. (kna/smb)