Laser am Petersdom

So will der Vatikan einer Möwenplage Herr werden

Seit die Pilger ausbleiben, erobern Vögel das Areal um den Petersdom. Moderne Technik soll ihnen schonend Einhalt gebieten. Ein Experte hält weit drastischere Schritte für nötig.

Möwe vor der Kuppel des Petersdoms in Rom © imago images / Pacific Press Agency

Vatikanstadt – Nächtliche Bummelanten am Vatikan werden Zeugen einer eigentümlichen Lasershow. Wenn Finsternis über dem Petersdom liegt und der weite Platz längst für Besucher gesperrt ist, befingert ein grüner Strahl die Fassaden, wischt über die Stufen der Basilika, fährt bald hierhin, bald dorthin zwischen den rauschenden Brunnen. Es geht gegen die Möwen. Deren Zahl wird zum Problem. 

Einen Anteil an ihrem Anstieg hat die Corona-Krise. Seit im März die Pilger ausblieben, kehrte die Natur zurück. Auf dem Petersplatz spross zartes Grün, pickten Tauben, zankten Krähen. Als Papst Franziskus vor Ostern von den Stufen des Petersdoms herab vor einem menschenleeren Platz ein Ende der Pandemie erflehte, predigte er wie sein Namensgeber aus Assisi buchstäblich den Vögeln.

Mit den gefiederten Genossen haben Römer seit langem ihre liebe Not. Alljährlich im Herbst fallen Starenschwärme vom Land ein und bekleistern geparkte Autos mit übelriechenden Ausscheidungen. Archäologen sorgen sich um ätzenden Taubenkot auf antikem Marmor. Am schlimmsten aber sind die Möwen. Bis Anfang der 1970er-Jahre bestenfalls sporadische Gäste, hat ihre Population 2016 vermutlich die Marke von 10.000 überschritten - und wächst exponentiell.

Möwen nisten in Kirchen

Larus michahellis, die Mittelmeermöwe: Mit ihrem durchdringenden Fiepen, Tröten und Gackern raubt sie den Römern Schlaf und Nerven, plündert Müllsäcke und lässt sich mit ihren fast anderthalb Metern Flügelspannweite von niemandem etwas sagen. An ihrer Ausbreitung sind die vielen Kirchen in Rom nicht unschuldig: 60 Prozent der Nistplätze liegen auf schwer zugänglichen Dächern historischer Palazzi und Gotteshäuser. Doch jetzt wurde es selbst dem Vatikan zu bunt.

Der Laser des niederländischen Unternehmens Frijters aus Rijsbergen kam ambulant schon an Ostern 2018 und 2019 zum Einsatz. Damals ging es darum, den Blumenschmuck auf dem Petersplatz vor Fledderei zu schützen. Dieses Jahr fiel mit der großen Messe auch die Deko aus. Die Möwen kamen trotzdem. Da entschied sich die Kirchenleitung für eine dauerhafte Flugabwehr und kaufte das Gerät für rund 4.500 Euro. Jetzt steht der meterhohe Apparat dort, wo früher bei Generalaudienzen der Papst saß.

Firmeninhaber Andre Frijters erklärt die Wirkweise so: Die Vögel hocken nachts gern auf dem noch warmen Pflaster. Den schweifenden Laserstrahl nehmen sie als festen Gegenstand wahr; nähert er sich, löst er einen Fluchtreflex aus. Besser wäre laut Frijters eine Kombination mit anderen Methoden, etwa akustischer Vergrämung; "aber der Vatikan erlaubt nichts, was Lärm macht." 

Skepsis an Erfolg

Eine Gesundheitsgefahr, betont Frijters, geht von dem Laser nicht aus, weder für die Vögel noch für die Obdachlosen, die unter den Kolonnaden übernachten. Dazu müsste man schon direkt in den Strahl schauen, was aber insofern schwierig ist, als er sich permanent bewegt. 

Auf Fragen nach ersten Erfahrungen reagieren die Technischen Dienste des Vatikan, als handle es sich um ein geheimes Waffensystem. Wachhabende Polizisten auf dem Petersplatz geben die Einschätzung, die Sache funktioniere so la-la. "Die Vögel verlagern sich halt ein bisschen", sagt ein Beamter. 

Noch weniger überzeugt von den simulierten Schlägen zeigt sich der römische Ornithologe Fulvio Fraticelli. "Möwen sind soziale Tiere. Wenn ihre Artgenossen bedroht werden, kommen sie ihnen zu Hilfe", sagt der Wissenschaftler. Sprich: Statt weniger Vögel werden es mehr.

Brutale Option: Möwen töten

Für eine echte Eindämmung nennt Fraticelli eine brutale Option: Möwen töten, und zwar zahlreich. In der Öffentlichkeit ließe sich eine solche Maßnahme kaum durchsetzen. Für das Image des Vatikan wäre sie verheerend.

Bleibt laut dem Experten der Entzug der Nahrungsgrundlage. Die Schließung der zehn Kilometer entfernten Mülldeponie Malagrotta dämpfte auch die Präsenz der Möwen in Rom. Aber noch immer finden sie neben ihrer eigentlichen Futterquelle, den Fischen im Tiber, zu viel zu fressen - überquellende Müllcontainer, liegengelassene Imbissreste, sogar eigens angebotenes Futter. "Die einzige Lösung wäre eine saubere Stadt", sagt Fraticelli.

Bis dahin sendet der Apparat vor Sankt Peter Nacht für Nacht seinen Bannstrahl und vergrault die Möwen wenigstens an die Peripherie des Platzes. Vielleicht nur mit vorübergehendem Erfolg, auf jeden Fall unschädlich für Tier und Mensch und von anziehender Wirkung auf späte Besucher. (kna)