Beschwerde unzulässig

Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gestärkt

Klage abgeschmettert: Die Richter des Bundesverfassungsgerichts haben eine Verfassungsbeschwerde von Verdi zurückgewiesen. Streitpunkt war das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen. Wie Verdi und die Kirchen auf die Karlsruher Entscheidung reagieren, lesen Sie hier.

Der zweite Senat hat entscheiden, Verdi sei nach den geltenden Maßstäben nicht beschwerdebefugt. (Bild: imago/Manngold) © imago/Manngold

Karlsruhe - Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zum eigenen kirchlichen Arbeitsrecht zurückgewiesen. Hintergrund ist das damit verbundene weitreichende Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen.

Die beiden großen Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie begrüßten die Entscheidung. Sie sind mit mehr als 1,2 Millionen Mitarbeitern der größte private Arbeitgeber in Deutschland. Verdi bedauerte den Beschluss, sieht aber keine negativen Auswirkungen auf das gewerkschaftliche Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen.

Zwar hatte die Dienstleistungsgewerkschaft im November 2013 vor dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt einen Teilerfolg erstritten, weil die Richter Streiks in kirchlichen Einrichtungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Dennoch ging die Gewerkschaft nach Karlsruhe, um das von der Verfassung garantierte Streikrecht auch für Arbeitnehmer in kirchlichen Betrieben vollständig durchzusetzen. Die Erfurter Richter hatten den Kirchen aufgetragen, die Gewerkschaften an den kirchlichen Tarifkommissionen zu beteiligen, die konkrete Ausgestaltung jedoch den Kirchen überlassen.

Der Zweite Senat entschied dazu, eine Verfassungsbeschwerde könne nur derjenige einlegen, der "selbst, gegenwärtig und unmittelbar" in einem Grundrecht betroffen sei. Nach diesen Maßstäben sei Verdi in Karlsruhe derzeit nicht beschwerdebefugt.

Trotz der vom Bundesarbeitsgericht formulierten Anforderungen an die rechtliche Ausgestaltung des "Dritten Wegs" sei nicht klar abzusehen, ob und inwieweit Verdi künftig betroffen sein könnte. Ein möglicher weiterer Ausschluss des Streikrechts könne sich "erst aus kirchenrechtlichen und satzungsmäßigen Regelungen ergeben, setzt also zwingend weitere Maßnahmen der Kirchen und kirchlichen Einrichtungen voraus". Es sei für Verdi zumutbar, dass sich mit den teilweise bereits an das Erfurter Urteil angepassten Regelungen der Kirchen zunächst die Fachgerichte befassten - und nicht direkt das Bundesverfassungsgericht.

Die katholische Bischofskonferenz und die Caritas begrüßten den Beschluss. Damit sei das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen gestärkt worden, sagte der Pressesprecher der Bischöfe, Matthias Kopp, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der "Dritte Weg" des kircheneigenen Arbeitsrechts habe sich über Jahrzehnte bewährt. Die Mitarbeiterseite in der Arbeitsrechtlichen Kommission der Caritas appellierte an die Gewerkschaft, nun auch Verdi-Vertreter in die Kommissionen zu entsenden. "Für die Tarifarbeit bei der Caritas wären gewerkschaftliche Vertreter als starke Partner in der Kommission höchst willkommen."
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärte, die Rechtsprechung der Karlsruher Richter sei "eine tragfähige Grundlage kirchlicher Selbstbestimmung" auch im Arbeitsrecht. Der Präsident des Kirchenamtes der EKD, Hans Ulrich Anke, sagte in Hannover, die "mehr als 40-jährige Erfahrung mit dem Dritten Weg und dem Modell kirchlicher Tarifverträge hat gezeigt, dass auch ohne Arbeitskampf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen in Kirche und Diakonie gemeinsam mit den Sozialpartnern gut gelingt".

Die Gewerkschaft Verdi erklärte, es sei "weiterhin möglich, bei Tarifauseinandersetzungen in kirchlichen Einrichtungen als letztes Mittel zum Streik aufzurufen" (kna)