Korbiniansfest 2017

"Neuer Schub" für das Leben

Mehr noch als sonst stand er in diesem Jahr im Mittelpunkt des Korbiniansfests: Der geöffnete Schrein mit den Gebeinen des Heiligen, der auf die Quelle des Glaubens im Erzbistum verweist.

Die Prozession bei der feierlichen Abschlussvesper schließt den Bogen und führt den Schrein des heiligen Korbinian erstmals wieder direkt zurück in die Krypta. © Kiderle

Freising – Golden schimmernd steht er dort auf den Altarstufen des Freisinger Mariendoms, von Weihrauch umhüllt. Anders als sonst sind die Türen zum Schrein geöffnet und geben den Blick frei auf das samtig rote, reich verzierte Kästchen, das die Reliquien enthält. „Ossa St. Corbiniani“ ist dort von gekonnter Hand eingestickt – hier ruhen die Gebeine des heiligen Korbinian, des Patrons des Erzbistums München und Freising. Von der anderen Seite ist gar der geschmückte Schädel des Heiligen zu sehen. Etwas Geheimnisvolles und Bedeutungsvolles geht von diesem Schrein aus, verweist er uns doch auf die Quelle unseres Glaubens. Einmal im Jahr hier Gottesdienst zu feiern als Höhepunkt des Korbiniansfestes, bringt diese Quellen immer wieder neu zum Fließen, verbindet neu mit der Quelle des Evangeliums. War es doch genau der heilige Korbinian, der seine Botschaft hierhergebracht hat.

Daran erinnert auch Kardinal Reinhard Marx in seiner Predigt. Eine „verworrene Situation, eine Zeit des Vergessens“ habe der Heilige hier nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches vorgefunden. Doch durch das Evangelium habe er neuen Aufschwung gebracht. Auch heute noch gehe es darum, den Kern des Evangeliums zu finden. „Dann gibt es einen neuen Schub, ein Aha-Erlebnis in unserem Leben“, ermutigt der Erzbischof von München und Freising. Wie der heilige Korbinian müssten auch wir uns in unserer eigenen Biographie immer wieder neu auf den Weg machen. „Schade, wenn jemand glaubt, er habe seine Entwicklung schon abgeschlossen“, betont der Kardinal, „denn da kommt noch etwas, es kommt immer noch etwas, selbst nach dem Tod.“

Eigene Biographie ist nie abgeschlossen

Um diese eigenen Aufbrüche, um die eigenen Glaubensquellen geht es nachmittags bei einem Workshop mit Monika Heilmeier-Schmittner, Referentin für Persönlichkeitsbildung der Stiftung Bildungszentrum der Erzdiözese im Kardinal-Döpfner-Haus. Der Workshop ist eines der vielfältigen Angebote beim diesjährigen Korbiniansfest, das unter dem Motto steht: „Aus Quellen leben.“ Mit kreativen Methoden aus der Biographiearbeit regt Heilmeier-Schmittner an, sich Gedanken über die eigene Spiritualität zu machen. Unter anderem mit einem Würfelspiel: Entsprechend der Augenzahl decken die Teilnehmer Fragen auf.

„Wann hat jemand etwas von Ihnen gelernt?“ – liest Frieda Kinzner (60) aus Schonstett auf ihrer Karte. „Auch wenn meine Kinder nun schon erwachsen sind und nicht mehr zur Kirche gehen, hoffe ich, dass ich ihnen ein Vorbild war und etwas davon abfärbt, auch von meiner Arbeit für Menschen mit Behinderung“, erzählt sie und berichtet von ihrem Engagement. „Haben Sie schon einmal erlebt, dass etwa Fügung war?“, haben Nena Hau (55) aus Holzkirchen die Würfel zugeteilt. „Dass ich mir heute eigens frei genommen habe und nun hier bin, in dieser schönen Gesprächsrunde, dass ausgerechnet etwas zur Biographiearbeit angeboten wurde, für die ich mich derzeit interessiere, das ist Fügung“, sagt sie bestimmt. Auf die Frage, von wem sie das Vater Unser gelernt hat, antwortet Hau mit dankbarem Strahlen: „Von meiner Oma, sie hat mir damals auch eine Bibel geschenkt.“ Auch bei den anderen werden nun Erinnerungen an ihre Großeltern wach, an die Bedeutung, die sie für ihren Zugang zum Glauben hatten. „Da merke ich, was mir fehlt, da ich meine Großeltern nicht mehr kennenlernen konnte“, erzählt Heilmeier-Schmittner selbst. Ein intensives Gespräch ist so entstanden, unter Menschen, die sich vorher nicht kannten.

An vielen Stellen passiert dies am heutigen Tag. Bei der Gesprächsrunde des Diözesanrats zum Beispiel, in der man sich unter anderem mit dem neuen Bischof der französischen Partnerdiözese Évry-Corbeil-Essonnes, Michel Pansard, zu den gemeinsamen Quellen Europas austauschen kann. Im Hof des Kardinal-Döpfner-Hauses tönen aus vielen Kehlen Moritaten und Volkslieder. Trotz des nasskalten Wetters haben sich dort viele eingefunden, um an Akkordeon und Gitarre begleitet von Ernst Schusser und Eva Bruckner vom Volksmusikarchiv der Bezirks Oberbayern zu singen. Ein fröhlicher, spontaner Chor, der auch ein Lied zu Ehren des heiligen Korbinian anstimmt.

Kostbare Erinnerung

Und viele kommen in den Dom zum Schrein des Heiligen, berühren ihn, beten dort. Schließlich gab es in diesem Jahr viele Neuerungen in der Korbinians-Festwoche, um sie noch weiter auf den Bistumspatron auszurichten, ihn noch mehr in die Mitte zu stellen. Unter anderem wurde der Reliquienschrein diesmal zum Auftakt bei der Jugendkorbinianswallfahrt erstmals von der Jugend aus der Krypta gehoben. Die Prozession bei der feierlichen Abschlussvesper schließt den Bogen und führt den Schrein erstmals wieder direkt zurück in die Krypta. Die Ministranten und unzählige Kinder führen den Zug an. Mit dem Domkapitel begleiten sie den Schrein durch Dom und Kreuzgang. An den großen Augen der Kinder vorbei, die in der Krypta stehenbleiben und dort später von den Bischöfen gesegnet werden, wird der Schrein in die Maximilianskapelle getragen. Dort lassen die Kinder und Jugendlichen der Freisinger Dommusik ihre Stimmen erklingen. „Lobt froh den Herrn“, singen sie engelsgleich. Es ist ein dichter Moment, als Kardinal Marx dann nochmals ein Gebet spricht: „Du hast Korbinian befähigt, dass er in der Dürre seiner Zeit Quellen findet und zum Fließen bringt, deren Wasser nicht mehr versiegt. Danke für das Geschenk des heiligen Korbinian. Es erneuere und ermutige uns auf dem Weg des Glaubens.“ Dieser Augenblick wird für alle, die ihn miterlebt haben, sicherlich eine Quelle kostbarer Erinnerung bleiben.

Die Autorin
Karin Basso-Ricci
Münchner Kirchenzeitung
k.basso-ricci@michaelsbund.de