Campus Kloster Scheyern

Mischung fürs Leben

Auf dem kleinen Campus inmitten historischer Klostermauern weht ein besonderer Geist: Das Areal des Klosters Scheyern beherbergt nicht nur eine staatliche Berufliche Oberschule, sondern zudem Schülerwohnungen sowie eine Fach- und eine Berufsoberschule in unmittelbarer Nähe. Schüler verraten, welche Berührungspunkte mit dem klösterlichen Leben sie besonders schätzen.

Auf dem Areal des Klosters Scheyern findet ein lockerer Austausch zwischen den Schülern statt. (Bild: Bornemann) © Bornemann

Scheyern - Das Türschloss klickt, zwei junge Frauen betreten lachend den Flur der geräumigen Wohngemeinschaft und ziehen sich die Schuhe aus. „Haben wir Zeit für Spagetti?“ Die Schultaschen fliegen in die Ecke. Die anderen zwei Wartenden ziehen die nötigen Kochutensilien aus den Schränken. „Klar – Nudeln schaffen wir immer.“ Dann läuft die Arbeitsteilung wie auf Knopfdruck. „Wir machen das nicht jeden Tag, das schaffen wir gar nicht. Aber wir sprechen uns ab und wenn es geht, kochen und essen wir schnell zusammen in der Unterrichtspause“, sagt Marie (25).

Hier weht ein besonderer Geist

Alle kommen aus unterschiedlichen Regionen Bayerns, jede hat ihren eigenen schulischen oder auch beruflichen Weg bis hierher gemeistert, da trifft die angehende Wirtschaftspädagogin auf die Mathematikerin. Doch nun lernen sie gemeinsam und leben auf Zeit in Scheyern, wo das Benediktiner-Kloster nicht nur eine staatliche Berufliche Oberschule, sondern auch Schüler-Wohnungen beherbergt. In Bayern ist dies einzigartig. Nur einen Steinwurf von ihrer WG entfernt gehen die vier jungen Frauen täglich zum Unterricht. Insgesamt sind es in diesem Schuljahr 17 Frauen und 35 Männer zwischen 18 und etwa 25 Jahren, die im Wohnheim und den WGs wohnen und die Oberschule besuchen. Diese ist in zwei Bereiche – die Berufsoberschule (BOS) oder die Fachoberschule (FOS) – unterteilt. Wenn die Schüler auf Scheyern angesprochen werden, sind sie sich einig: Ein besonderer Geist weht hier auf dem kleinen Campus inmitten der historischen Klostermauern und auf dem Areal drumherum. Sie prägen und inspirieren die Schüler, die hier leben und arbeiten.

Ein neues Kapitel Schulgeschichte

Bereits seit 1976 ist im Kloster Scheyern eine Staatliche Berufsoberschule (BOS) mit angeschlossenem Wohnheim untergebracht. Die FOS hat 2012 ein neues Kapitel in der Schulgeschichte aufgeschlagen: Seither finden sich beide Schultypen mit den Zweigen Technik und Wirtschaft unter dem Dach der Beruflichen Oberschule. Dabei hat der Schulstandort eigentlich humanistische Wurzeln: Im Kloster, das 1838 wieder errichtet wurde, schuf man einst eine Lateinschule und richtete 1860 ein Erzbischöfliches Knabenseminar ein. 1928 wurde die Schule zum Progymnasium erweitert, das mit dem Schuljahr 1939/40 von den Nazis aufgehoben wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Schule wieder errichtet, im Jahr 1970, nach der Gründung eines Gymnasiums in der nahen Kreisstadt Pfaffenhofen, wiederum aufgelöst. Mit den klösterlichen Wohnmöglichkeiten war der Standort Scheyern aber ideal für eine andere Schülerschaft: Jene, die zuhause keine Möglichkeit hatten, ihr Abitur nachzuholen. Mit Beginn des Jahres 1976 begannen die umfangreichen Renovierungsarbeiten am alten Gymnasiumsgebäude, die im Herbst 1976 so weit gediehen waren, dass die neue Berufsoberschule als eine der ersten in Bayern den Unterrichtsbetrieb aufnehmen konnte. 

Berührungspunkte mit dem klösterlichen Leben

Seit Jahrzehnten zeigt sich, auch erkennbar an vielen Ehemaligentreffen, ein starker Gemeinschaftssinn der Schülerschaft, und dieser sei, ist man sich am Campus einig, auch dem Einfluss des Klosters zuzuschreiben: Durch das Miteinander gebe es Berührungspunkte mit dem klösterlichen Leben, dieses präge die Gemeinschaft, berichtet der Wohnheimleiter Tobias von Rechenberg – selbst ein Ehemaliger: „Die Schüler erleben viele kirchliche Anlässe aus nächster Nähe, sie treffen die Mönche auf dem Gelände und in der Schule, wo übrigens drei der Benediktiner unterrichten; sie sehen, wenn der Abt in Jeans und T-Shirt im Garten arbeitet.“ 
Die Präsenz der zwölf Benediktiner wissen die Schüler zu schätzen, sagt Micha (27): „Die Ordensleute sind fast immer ansprechbar. Und nicht zuletzt auf gemeinsamen Ausflügen kann man sich mal länger mit ihnen unterhalten, das ist interessant.“ Und auch die Mönche schätzen die Schülerschaft – nicht zuletzt, wenn spontan Ministranten für den täglichen Gottesdienst benötigt werden. „Denn so kurzfristig ist ja sonst niemand zu bekommen“, erklärt Frater Joachim Zierer, der unter anderem als Lehrer tätig ist und das Wohnheim in diesem Sommer übernimmt. 

Ein erster Schritt in die Selbstständigkeit

Bei Schnuppertagen lädt die Ordensgemeinschaft junge Menschen ein, hinter die Klostermauern zu schauen, man gestaltet gemeinsam Morgenimpulse mit Frühstück oder eine Waldweihnacht mit Nachtwanderung – und die Schüler lernen die Hütte kennen, in der die Mönche Fasching oder Silvester feiern. „Der Schulsitz im Kloster ist auch eine Schule zum Glauben“, sagt Abt Markus Eller, „doch eher durch ein alltägliches Erleben. Prämisse ist sicher die allgemeine Bildung.“ Dabei führe das Leben und Lernen am Scheyrer Campus auf dasselbe hinaus – dem Wunsch nach einem gelingenden Leben. Und dafür müsse man etwas tun. Scheyern ist für viele Schüler ein erster Schritt in die Selbstständigkeit, denn die Schüler organisieren sich selbst: Wäsche waschen, kochen, einkaufen, Geldmanagement, lernen; und dennoch darf der Spaß nicht zu kurz kommen, erklärt Tobias von Rechenberg: „Im geschützten Raum sind das die ersten Schritte raus ins eigene und bald studentische Leben.“ 
Das Miteinander der Schülerschaft in Scheyern baut auf Eigenverantwortung, Toleranz und Gemeinschaftssinn. Eine Mischung, sagt von Rechenberg, die trägt und prägt – nicht selten weit über Scheyern und die dortige Schullaufbahn hinaus: „Ehemalige heiraten hier, lassen ihre Kinder hier taufen. Sie kommen gerne an den Ort zurück, von dem sie etwas für ihr Leben mitnehmen konnten.“
Judith Bornemann