60 Jahre Katholische Akademie in Bayern

Kirche und Staat auf Herrenchiemsee

Wenn es um das Verhältnis Kirche und Staat in Deutschland geht, dann können schon mal die Emotionen hochkochen. Egal ob Kirchensteuer, oder Ehe für alle – vielfältigen Stoff für heiße Diskussionen bietet das so nüchtern klingende Thema.

Kardinal Marx und Andreas Voßkuhle im Gespräch. © Kiderle

Herrenchiemsee ­ – Ein durchaus spannungsgeladenes Thema hatten sich die Verantwortlichen der Katholischen Akademie in Bayern zum 60-jährigen Bestehen ausgesucht: Das Verhältnis von Kirche und Staat in Deutschland. Die beiden Diskussionsgäste, Kardinal Reinhard Marx und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, waren in sich allerdings in den meisten Punkten einig und hielten sich an das bundesdeutsche Erfolgsrezept in dieser Frage: wohlwollende Neutralität. Dieses Stichwort ist an dem Festabend im Bibliothekssaal des ehemaligen Klosters Herrenchiemsee des öfteren gefallen. Das Motto im deutschen Kirchen-Staatsverhältnis verdeutlicht, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes 1949 mit dem Artikel 140 ausdrücken oder sogar erreichen wollten: Die Unabhängigkeit von Kirche und Staat, aber nicht die Loslösung voneinander. Das sei eine kulturelle Besonderheit in Europa, die man wohl nur nachvollziehen kann, wenn man in Deutschland beheimatet ist, waren sich der Kardinal und der Bundesverfassungsrichter einig. Für Voßkuhle ist das in Deutschland ausgeübte System sogar der Garant für friedliches Zusammenleben. Wer in stark laizistische Staaten schaue – also in Länder, in denen Staat und Religion absolut getrennt sind - der erkenne dort, dass sich oftmals Religionen radikalisierten. „In Deutschland dagegen gehen Religion und Staat Hand in Hand und versuchen sich nicht gegenseitig zu verdrängen. Das ist ein Erfolgsmodell!“, so Voßkuhle weiter. Der Staat fördere sogar eine lebendige Kirche schon allein wegen der Körperschaftsregelung, die Kirche könne sich dadurch caritativ engagieren.

Werte entstehen durch Menschen

Beide stimmten überein, dass es sowohl für den Staat, als auch für die Kirche Grenzen gebe. So könnten beide keine Werte produzieren. Werte und Kultur entstünden durch Handlungen der Menschen, sagte Marx. „Werte können nur da sein, wenn Menschen sie überzeugend leben. Eine gelernte Überzeugung ist keine Überzeugung“ , so der Kardinal. Deshalb sei es auch eine der Hauptaufgaben für die Kirche, für die Freiheit einzustehen und nicht sie zu bekämpfen.

Aktuelles Thema "Ehe für alle"

Das zur Zeit brisanteste Thema kam kurz vor Schluss: Die Ehe für alle. Kardinal Reinhard Marx bekräftigte seinen Wunsch, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Gesetz beschäftigen möge. Bei der Diskussion gehe es nicht darum kirchliche Vorstellungen in ein staatliches Gesetz zu gießen, so Marx. Das bisherige Verfahren sei gut gewesen, umso mehr habe ihn die überstürzte Entscheidung überrascht. Die katholische Kirche bedauere, dass es nicht bei der alten Regelung geblieben sei, sagte Marx am Freitagnachmittag auf Herrenchiemsee. Letztlich aber sei es Aufgabe des Staates, die Angelegenheit zu regeln; die Kirche habe sich zurückzuhalten.

Im Anschluss an die Diskussion feierte der Kardinal im Münster Frauenchiemsee einen Gottesdienst. In seiner Predigt würdigte er die Leistung der Katholischen Akademie in Bayern in den vergangenen 60 Jahren. Sie habe einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass christliche Gedanken in die Gesellschaft, in Universitäten aber auch in die Kunst transportiert wurden.

Der Autor
Christian Moser
Radio-Redaktion
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