Lust auf Zukunft?

Hoffnung ist die Grundemotion des Lebendig-Seins

Ein besonders herausforderndes Jahr geht zu Ende. Gelassen und optimistisch zu bleiben, das ist wirklich gerade nicht leicht. Es warten viele Fragen auf Lösungen: der Klimawandel, soziale Verwerfungen. Die Schweizer Psychologin Verena Kast setzt auf Mut zur Zukunft und begründet das auch mit neuen Erkenntnissen.

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Der Mut zur Zukunft – er hätte im vergangenen, von der Pandemie geprägten Jahr leicht abhandenkommen können. Zukunftsangst mag da durchaus aufkommen, aber die Psychologin Verena Kast, emeritierte Professorin der Universität Zürich sieht den Menschen als ein Wesen, das auch immer auf Besseres hofft:

„Es ist natürlich eine ganz, ganz schwierige Zeit in der wir leben, und man fühlt sich auch ein Stück weit blockiert, aber wir haben doch so vieles vermisst in letzter Zeit, so dass ich durchaus Lust habe, zu phantasieren, was man im Frühling und im Sommer wieder machen kann.“

Wir Menschen seien im Grunde so gebaut, dass wir an die Zukunft glauben, explorieren wollen, dass etwas Neues erfinden. Es falle sicher wieder leichter, Mut zu fassen, wenn wieder mehr Begegnung und Austausch möglich sei. „Wenn wir dann unsere Verzweiflung teilen können, miteinander sprechen und dann ist da wieder der eine oder die andere dabei, der das alles nicht so schwarz sieht. Wir haben nicht nur Angst, wir haben auch Mut“ bekräftigt die 77jährige Psychologin.

Angst habe auch ihre Berechtigung, aber man könne auf unterschiedliche Weise damit umgehen:   “Vieles was für uns vertraut war ist ja zerbrochen, wir haben das Gefühl gehabt, wir sind unsterblich und nun sind wir sehr bedroht, wir hatten das Gefühl, wir haben alles unter Kontrolle und jetzt merken wir, dass das nicht stimmt.  Wir sind auch nicht so gut darin, Risiken auf uns nehmen, von daher suchen wir Trost und Vertrauen.“

Viele Menschen suchten allerdings Zuflucht in einer rückwärtsgewandten Haltung, die auch gefährlich sein könne: „Wir gehen zu den Werten zurück, die wir von früher kennen, man schottet sich ab und dieses Abschotten ist sehr stark verbunden mit einem wir-gegen-die-anderen und kann auch verbunden sein mit Verschwörungstheorien.“

Solche rückwärtsgewandten Ideologien und nationalistische Abschottung blockierten die Suche nach Lösungen: „Man hat Konzepte, die nicht mehr stimmen aber auch das menschliche Miteinander stimmt da nicht, weil es kein Miteinander ist, sondern wir allein gegen die anderen.“ Gebraucht würde jetzt aber eine gemeinsame Suche nach Lösungen und Antworten. Wie steht es da um die Fähigkeit zu Solidarität und Gemeinsinn, wird man darauf zählen können, wenn es in Zukunft eng wird?

Die Erfahrungen aus der Pandemiezeit sind bisher durchaus ermutigend, findet die Psychologin. Auch die Klimaproblematik brauche natürlich ein starkes Miteinander. „Wenn die Gemeinschaft nicht hält, dann geht es uns nicht besonders gut, soviel kann ich sagen.“ Doch die Psychologin sieht Grund zum Optimismus: Die Erfahrung zeige, dass die Menschen sehr zusammenstehen, sobald etwas passiert, das sie wirklich bedroht.

Glaube, Liebe Hoffnung sind Grundtugenden im katholischen Glauben. Hat der Mensch eine Fähigkeit zur Hoffnung?

„Psychologisch gesehen ist die Hoffnung die Grundemotion des Lebendig Seins, solange wir lebendig sind, hoffen wir. Wir merken das vielleicht gar nicht.“, erklärt Kast. „Auch wenn wir nichts mehr erwarten, leben wir trotzdem weiter und wir hoffen sogar, dass es irgendwie besser wird. Das gehört zu unserer Biologie und dafür können wir dankbar sein.“

Dass wir im Moment Angst haben, Sorge wir es weitergehen wird, das sei vollkommen berechtigt. Man muss vielleicht mit Verzicht umgehen, mit Trauen aber das ist kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken. Und immerhin sei in der Pandemie doch auch klar zutage getreten, wie viel uns andere Menschen bedeuten.

Für Zuversicht können wir aus einigen Quellen schöpfen. Eine liegt in positiven Gefühlen, die wir in der Vergangenheit gespürt haben: „Das ist eine Form der Nostalgie, die uns nährt“. Zum Beispiel Erinnerungen an den Lieblingskuchen zuhause oder wie man sich die Köpfe heiß geredet hat mit Freunden. „Diese Gefühle sind bittersüß“, beschreibt Verena Kast, wir wissen, das ist vorbei, aber wir können trotzdem einen positiven emotionalen Schub daraus ziehen, denn die Gefühle wirken noch: „Das was wir gehabt haben, haben wir nicht verloren, wir können es in der Erinnerung und in der Vorstellung wieder aufleben lassen.“

Auch das Erlebnis, gemeinsam etwas zu bewegen kann sehr warme Gefühle auslösen. „Kama muta“ haben die Erforscher dieses Gefühl genannt mit einem Sanskrit-Begriff, es bedeutet „ergriffen von Liebe“ und bewirkt, dass man sich verbunden fühlt mit den anderen und auch sehr viel solidarischer ist. Ein körperlich sehr starkes Gefühl, dass einen zum Weinen bringen kann oder zu großer Rührung. Die Geburt eines Kindes wäre ein Auslöser, aber auch Ereignisse, die mit der eigenen Person gar nicht in so enger Verbindung stehen. Der Gewinn einer Meisterschaft der Nationalmannschaft zum Beispiel. Seit etwa fünf Jahren wird dieses Gefühl von Forschern immer häufiger beschrieben.

„Es ist ein soziales Gefühl, das bewirkt, dass man sich akzeptiert fühlt, dass man auch die anderen akzeptiert“, berichtet Verena Kast „ein sehr starkes Wir-Gefühl, auch eine Bereitschaft miteinander zu teilen.“

Dass unsere Emotionen einen reichen Schatz darstellen, müsse mehr ins Bewusstsein gelangen, dafür plädiert die Schweizer Psychologin: „Wir müssen klar machen, wir haben eine Innenwelt, die haben wir nur ein bisschen verloren oder zu wenig geachtet, weil eben die äußere Welt so laut war.“

Diese Gefühle hätten durchaus die Kraft einiges zu bewegen, da ist Verena Kast sicher: „wir spüren durch sie, unsere Lebendigkeit, und wenn die Menschen lebendig sind, dann finden sie schon immer wieder Lösungen.“

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