Eichen-Hochzeit

"Geschieden wird nicht!"

Ludwig und Charlotte Piller sind über 80 Jahre verheiratet. Im Interview sprechen die zweifachen Eltern und sechsfachen Groß- und Urgroßeltern nun über ihre fast ewige Ehe, die Weissagung einer Astrologin – und Beerdigungspläne

Das Ehepaar Piller ist seit über 80 Jahren verheiratet. © kna

Charlotte (98) und Ludwig (105) Piller aus dem bayerisch-schwäbischen Memmingen gaben sich am 12. September 1939 das Ja-Wort, also vor über 80 Jahren. Ob die Pillers damit Rekordhalter sind, weiß man zwar selbst beim Statistischen Bundesamt nicht. Entsprechende Daten würden nicht erhoben, heißt es, doch eine Rarität sei diese „Eichen-Hochzeit“ sicher.

Frau und Herr Piller, bitte lüften Sie gleich zwei Geheimnisse: Wie wird man so alt und wie bleibt man derart lange verheiratet?

Ludwig Piller: Oh, da muss ich ausholen, die Anfänge liegen ja schon etwas zurück. Wobei die erste Frage sich leicht beantworten lässt. Man darf einfach nicht früh sterben.

Charlotte Piller: So war mein Mann immer, so kess. Schon bei unserem Kennenlernen.

Erzählen Sie!

L. Piller: Das war 1937. Ich komme eigentlich aus Oberbayern, war aber im Allgäu als Luftwaffen-
pilot stationiert. Charlotte, die aus Memmingen stammt, saß in der Stadt mit ihrer Familie in einem Café. Ich kam mit einem Kollegen herein, es gab nur noch zwei freie Plätze. Ich nahm den bei Charlotte. „Gestatten, die Herrschaften“, hab ich gesagt und mich einfach gesetzt.

C.Piller: Dabei war mein Vater Polizist! Und dann wollte Ludwig auch noch tanzen. Ich hab gesagt: „Ich bin erst 16, ich war noch gar nicht im Tanzkurs.“ Aber Ludwig meinte: „Mit mir hat noch jede Dame tanzen können.“ Danach entwickelte sich dann unsere Liebe.


Zwei Jahre später haben Sie geheiratet ...

C. Piller: Ja, blutjung! Aber der Krieg war gerade ausgebrochen und mein Mann wollte mich versorgt wissen. Die Hochzeit war auch nicht so schön. Es herrschte da schon Nahrungsmittelknappheit, mein Vater war krank.

L. Piller: Ich bekam bloß eine Stunde dienstfrei. Meine Hochzeitsnacht musste ich bei der Flugbereitschaft in der Kaserne verbringen.

Hatten Sie, Frau Piller, Angst, im Krieg zur Witwe zu werden?

C. PIller: Nein. Mein Mann hat immer gesagt: „Mädchen, ich komme wieder!“ Ich habe das geglaubt. Er hat ja auch recht behalten.

L. Piller: Ich wurde zwar in Russland abgeschossen und musste tagelang durch meterhohen Schnee laufen – aber ich hab es immer geschafft.

C. Piller: Am Ende brauchte ich allerdings einmal die Unterstützung einer Astrologin. Ich arbeitete damals als Sekretärin beim Oberstaatsanwalt. Die Dame war angezeigt worden, weil sie geweissagt haben sollte, dass Deutschland den Krieg verlieren würde. Ich gab ihr ihre Sterndeuterbücher zurück, die beschlagnahmt worden waren. Aus Dankbarkeit versprach sie, mir später einmal zu helfen. Kurz nach Kriegsende kam ich darauf zurück.


Warum?

C. Piller: Im November 1945 wurde unser erster Sohn geboren. Ludwig war noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt, erst auf dem Wochenbett erhielt ich eine Postkarte von ihm: „Ich lebe!“ Er befand sich in US-Gefangenschaft in Frankreich. Als er da im nächsten Frühjahr immer noch war, mahnte meine Mutter, ich solle endlich das „Heidenkind“ taufen lassen, auch ohne den Vater. Ich beugte mich und organisierte das Fest für Februar. Dann aber fragte ich die Astrologin, wann Ludwig heimkäme. „Im März.“ Also blies ich alles ab. Und tatsächlich konnten wir die Taufe im März 1946 als ganze Familie feiern.

Wo wir von der Taufe sprechen: Welche Rolle spielt der Glaube für Sie?

L. Piller: Eigentlich sind wir beide katholisch, aber ich sage immer, ich bin kathogelisch. Ich gehe in jede Kirche. Konfessionen sind nicht so wichtig. Aber an einen Überirdischen glauben wir schon.

C. Piller: Der Glaube hat uns durch schwere Zeiten getragen. Gerade nach dem Krieg, als es sehr hart war mit der Versorgung.

L. Piller: Nun kommt bald das Leben nach dem Tod.

C. Piller: Aber keiner will als Erster gehen.

L. Piller: Unsere Beerdigungen haben wir trotzdem schon geplant. Ich als Pilot möchte, dass „Über den Wolken“ von Reinhard Mey gespielt wird.

C. Piller: Ich wünsche mir „Lili Marleen“ von Lale Andersen. Das haben wir im Krieg immer zum Sendeschluss auf dem Soldatensender gehört, ich daheim, Ludwig sonst wo. Und dann haben wir fest aneinander gedacht.

Nun sprechen wir schon vom Ende und haben noch gar nicht über Ihr Ehe-Geheimnis geredet!

C. Piller: Da gibt es auch keins. Man muss einfach tolerant sein und immer an einem Strang ziehen. Dafür ist es wichtig, miteinander zu reden. Wir haben uns regelmäßig auf die Couch gesetzt und besprochen, was gut lief und was schlecht. Außerdem hat Ludwig mir von seinen Reisen als Pilot und später als Vertreter immer etwas mitgebracht, einmal sogar einen Ozelotpelz!

L. Piller: Das war natürlich nicht schlecht für die Ehe. Aber ich hab Charlotte eh schon bei der Hochzeit gesagt: Geschieden wird nicht!

C. Piller: Sein Wort hat er immer gehalten. (Das Interview führte Christopher Beschnitt von der KNA)