Interreligiöses Ausstellungsprojekt

Flüchtige Bekanntschaft?

Brücken zwischen Konfessionen und Kulturen will das Ausstellungsprojekt "Ephemere Erscheinung" in Landshut bauen. Welche Rolle dabei Häkelnadeln und ein speziell legierter Draht spielen, wurde beim Eröffnungsabend deutlich, der zu den drei Hauptausstellungsorten führte.

Die Installation in der Magdalenenkapelle regte zum Austausch an. © Karin Basso-Ricci) Karin Basso-Ricci

Die Installation in der Moschee © Karin Basso-Ricci) Karin Basso-Ricci

Brigitte Schwacke (links) signierte für Semiha Alegöz einen Katalog. (Bild: Karin Basso-Ricci) © Karin Basso-Ricci) Karin Basso-Ricci

Landshut – Neugierig sieht sich der junge Mann im prunkvollen Rokoko-Ambiente der Landshuter Dominikanerkirche um. Sein Blick bleibt an einer Darstellung der Muttergottes mit dem Kind hängen – aufmerksam betrachtet er sie. Man merkt, dass der Raum ungewohnt ist für den Vertreter der muslimischen DITIB-Gemeinde. Vorne spricht gerade Staatssekretär Bernd Sibler (CSU) zur Eröffnung des Ausstellungsprojekts „Ephemere Erscheinung“, das von der Erzdiözese gefördert wird. „In der heutigen Zeit ist nichts wichtiger, als Brücken zu bauen, und nicht über- sondern miteinander zu sprechen“, sagt Sibler.

Eben solche Brücken möchte das Projekt schaffen, das mutig sakrale Räume miteinander verbindet: Künstlerin Brigitte Schwacke schuf Installationen für die Dominikanerkirche St. Blasius, die evangelische Christuskirche und die DITIB-Moschee. An der Fassade des ehemaligen Herzogkastens verweist ein Werk auf den einstigen Standort der zerstörten Synagoge.

Schwerelose "Raumzeichnungen"

Im Trubel der Eröffnung gehen Schwackes Werke jedoch fast unter, sie sind unaufdringlich, wirken fragil und flüchtig – eben ephemer. Wollen sie doch unter anderem zur Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit anregen. Schwacke fertigte sie aus speziell legiertem Draht, der an Graphitlinien erinnert. „Drahtschriftblätter“ nennt sie deswegen auch Künstlerkollege Professor Peter Steiner bei seiner Einführung. Teils verarbeitete Schwacke den Draht in Häkeltechnik zu DIN?A?3 großen Strukturen, die an den Säulen der Dominikanerkirche ein Gegenentwurf zu den üppigen Rokoko-Gemälden sind. Für die Magdalenenkapelle erstellte sie Knüpfgebilde, „Raumzeichnungen“, die schwerelos den Raum ertasten.

In der Christuskirche sind Drahtblätter an einem Aufbau befestigt, der L-förmig in den Raum ragt. Sie tragen nicht die gleichmäßige Handschrift Schwackes, sondern sind ganz individuell. Mitglieder der Gemeinden gestalteten die Gewebe unter Anleitung der Künstlerin in Workshops, oft mit kunstvollen Mustern. Semiha Alegöz, die sich in der DITIB-Gemeinde engagiert, schwärmt von den Treffen mit den christlichen Teilnehmern – auch wenn der versierten Handarbeiterin beim Umgang mit dem Draht diverse Häkelnadeln brachen. „Ich lebe seit 42 Jahren in Landshut, aber noch nie waren wir als Gemeinde in ein Projekt eingebunden“, erzählt Alegöz und betastet noch einmal behutsam die Drahtblätter.

Brigitte Schwacke, 1957 in Marl (Nordrhein-Westfalen) geboren, studierte als Meisterschülerin bei Sir Eduardo Paolozzi an der Akademie der Bildenden Künste München. Sie erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den Lothar-Fischer-Preis 2009 und den Kunstpreis der Diözese Rottenburg-Stuttgart 2004. Seit 1994 realisiert sie Arbeiten im öffentlichen Raum wie den Abschiedsraum des Friedhofs Perlacher Forst. Sie stellte unter anderem in München, Berlin, Paris und London aus.

Weitere davon, bewusst als Schriftzeichnungen verstanden, sind in der Moschee zu sehen, wo sonst keine Bilder hängen dürfen. „Hier gibt es nur Kalligraphien, denn nichts soll vom Gebet ablenken oder vergöttert werden“, erläutert Ismail Keser vom Vorstand der DITIB-Gemeinde. Beherzt beantwortet er die vielen interessierten Fragen der Besucher zur islamischen Religionspraxis.

An diesem Eröffnungsabend und in den Workshops wurden also tatsächlich interreligiöse Brücken gebaut. Ob dies auch darüber hinaus gelingen wird, muss sich noch erweisen. So bezeichnet auch der Landshuter Stiftspropst, Monsignore Franz Joseph Baur, das Projekt als „offenes Experiment“. (Karin Basso-Ricci)

Die Ausstellung ist bis Sonntag, 10. Juli, zu sehen. Im Modo-Verlag ist ein Katalog dazu erschienen.

Zur Ausstellung wird ein umfangreiches Begleitprogramm angeboten. Hier eine Auswahl, das gesamte Programm ist unter www.skulpturenmuseum-im-hofberg.de abrufbar. Zum Teil ist eine Anmeldung erforderlich.

Samstag, 28. Mai, 10.30 Uhr
„Mit dem Fahrrad zur Kunst – verlorene und ewige Orte“
Brigitte Schwacke und Stefanje Weinmayr, Leiterin des Skulpturenmuseums im Hofberg, führen an den fünf Ausstellungsorten in die Werke ein.

Mittwoch, 15. Juni, 18 Uhr
Dominikanerkirche Landshut
„zerbrechlich, flüchtig, vergänglich“
Installation und Kirchenraum in Zwiesprache zu Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit. Eine Veranstaltung des Christlichen Bildungswerks Landshut mit Gestalttherapeutin Monika Voigt.

Sonntag, 19. Juni
11.30 Uhr, Dominikanerkirche Landshut
20.15 Uhr, St.-Pauls-Kirche München
Eucharistiefeier mit einer Bildbetrachtung von Ulrich Schäfert, Leiter des Fachbereichs Kunstpastoral der Erzdiözese. Künstlerin Brigitte Schwacke ist anwesend.

Sonntag, 10. Juli, 11.15 Uhr
Christuskirche Landshut
Konzert: „ephemeros – äonios. Über das Flüchtige und das Ewige“
Orgel: Volker Glossner, Lesung: Olaf Schürmann
Werke von Olivier Messiaen und Jehan Alain korrespondieren mit literarischen Texten.