Nachgefragt

Ein Schutzschild für die Seele von Polizisten

Polizeihauptkommissar Markus Bild erklärt in einem Interview wie wichtig Seelsorge für Polizisten ist.

Markus Bild (53) hat eine Ausbildung zum Diplom-Theologen gemacht und dann die mittlere Polizeilaufbahn eingeschlagen. Er ist Polizeihauptkommissar in der Verkehrspolizei-Inspektion München. © privat

MK: Warum ist Polizeiseelsorge wichtig?

BILD: Erstens, weil wir Polizisten Menschen sind und eine Seele haben, die Sorge braucht. Ein Gottesdienst für Polizeibeamte stand unter dem Motto „Ein Schutzschild für die Seele“. Es geht also um einen Schutz für uns Polizisten, weil wir mit vielen belastenden Vorfällen konfrontiert sind. Zum zweiten finde ich es auch wichtig oder hilfreich, dass wir im Gegenüber den Menschen sehen und daran erinnert werden: Egal, ob wir vor dem Täter oder dem Opfer stehen, ob es eine Demo von rechts oder von links ist – das sind alles Menschen! Da kann auch die Seelsorge helfen, das wieder in den Kopf zu bringen.

MK: Gehört es zum Beruf des Polizisten, dass er täglich mit Mord und Totschlag, Gewalt und Unfällen konfrontiert ist?

BILD: Für jeden normalen Streifenbeamten ist es einfach so, weil er an jeden Tatort gerufen wird. Da kommt zwar später die Mordkommission – aber der Erste vor Ort ist der normale Beamte des entsprechenden Reviers, der Streife fährt. Wobei die spektakulären Mordgeschichten seltener sind als die ganzen Verkehrsunfälle – die sind zahlenmäßig nochmal sehr viel höher als die Suizide auf S- und U-Bahnstrecken.

MK:. Wie werden Polizeibeamte auf solche Geschehnisse vorbereitet?

BILD: Also mittlerweile wird tatsächlich in der Ausbildung darauf geachtet, wie es den Kollegen geht. Das Bild vom Polizisten als dem harten Mann oder der harten Frau, denen nichts etwas ausmachen darf – von diesem Bild ist man abgekommen. Heute erkennt man, dass der Dienst für die Kollegen auch belastend ist. Und man versucht, sie darauf vorzubereiten – zum Beispiel im Fach Berufsethik, das zum größten Teil von Seelsorgern verantwortet wird. Und sie haben das Fach Krisen- und Konflikt-

Management; da erfahren sie etwas über posttraumatische Belastungen und wie man damit umgehen kann.

MK: Wie erfahren Polizisten von Angeboten der Polizeiseelsorge?

BILD: Zuerst in der Ausbildung, und dann durch unser polizeiinternes Computernetz – da wird auch auf Veranstaltungen hingewiesen.

MK: Wer sagt einem Kollegen, dass er in einer belastenden Situation mit einem Seelsorger sprechen sollte?

BILD: Das ist Sache der Kollegen und Vorgesetzten, dass sie jemanden konkret ansprechen, wenn sie merken, dass er Probleme hat und es nicht so rund läuft. Da kann man dann vorschlagen: „Ein Gespräch mit einem Seelsorger – wäre das nicht eine Idee?“ Man muss es erspüren – und kann natürlich auch eine ablehnende Antwort bekommen. Außerdem gibt es den „Zentralen Psychologischen Dienst“ und zusätzlich Sozialpädagogen.

MK: Hat sich die Belastung von Polizeibeamten in München verstärkt?

BILD: Von meinem Gefühl her: Ja. Weil ich das Gefühl habe, dass es immer mehr Einsätze gibt. Und man hat auch den Eindruck, dass in bestimmten Bevölkerungsgruppen der Respekt gegenüber der Polizei gesunken ist. (Interview: Annette Krauß)