Jahresempfang Erzbistum München und Freising

„Ein ermutigendes Fest der Begegnung“

Beim Jahresempfang der Erzdiözese trafen sich Spitzenvertreter aus Kirche, Staat und Gesellschaft zum Austausch. In den Reden des Ministerpräsidenten, des Diözesanratsvorsitzenden und des Erzbischofs kamen aktuelle Brennpunkte zur Sprache.

Beim Jahresempfang der Erzdiözese sei „die ganze Lebenswirklichkeit präsent“, meint Kardinal Marx. © Kiderle

Satte 34 Grad zeigt das Thermometer um kurz nach 19 Uhr an diesem Dienstagabend. Die brütende Hitze des Tages liegt über der Katholischen Akademie in Schwabing wie über der gesamten bayerischen Landeshauptstadt. Es ist so drückend heiß, dass die Organisatoren des Jahresempfangs des Erzbistums kurzfristig umplanen: Das traditionelle Defilee der 600 Vertreter aus Kirche, Gesellschaft und Politik am Eingang des Kardinal-Wendel-Hauses vor den beiden Gastgebern, dem Erzbischof und dem Diözesanratsvorsitzenden, wird ersatzlos gestrichen (dieses wäre für Kardinal Reinhard Marx nach seinem Armbruch auch etwas mühsam gewesen), der Programmteil komplett in den Garten verlegt.

Vorfreude auf die Reden im Garten

Niemand ist darüber jedoch besonders traurig, die meisten hatten sich wohl bereits mit einem Redeteil bei Saunatemperaturen abgefunden, so dass sich nun in den meisten Gesichtern eine Art Aufatmen mit gespannter Erwartung mischt: Wie wird sich Armin Schalk bei seiner ersten Jahresempfang-Rede als neuer Diözesanratschef wohl schlagen, lautet eine der spannenden Fragen. Als wenig später Ministerpräsident Markus Söder eingetroffen ist, kann Generalvikar Christoph Klingan das Publikum begrüßen, das sich bislang nur an Mineralwasser schadlos hält. Viele sonst eiserne Anzugträger haben das Sakko abgelegt, Kardinal Marx ist einer von ihnen, ist heute nicht im sonst gewohnten Bischofsornat erschienen.

Mehrfach greift Klingan die neue Empfangs-Situation wie auch die Temperaturen in Wortwitzen auf. So bezeichnet er den Jahresempfang mehrfach als „Hotspot“ – nicht nur hinsichtlich der Grad Celsius, sondern vor allem wegen der Kontakte, die hier gepflegt beziehungsweise neu geknüpft werden können. Er findet es von den Gästen „richtig cool“, dass sie gekommen sind. Ihm stehe angesichts all der Prominenz „der Schweiß auf der Stirn, dass mir kein Fauxpas passiert“ bei der Begrüßung. Man wolle, „was durch den offenen Himmel gut zum Ausdruck kommt, eine offene Gemeinschaft sein, die einladend ist und in positiver Weise ausstrahlt.“

Finanzielle Unterstützung durch die Kirche

Das wolle die Erzdiözese auch dadurch verdeutlichen, dass sie mit derselben Summe, die die Ausrichtung des Empfangs kostet, drei Projekte finanziell unterstützt: Die Pilgerradtour nach Rom für Menschen, die sexuellen Missbrauch erlebt haben, und Menschen, die ihre Solidarität zeigen, die Aktion für das Leben und den Christophorus Hospiz Verein. Wie beim Staffellauf übergibt der Generalvikar dann das Wort an den Ministerpräsidenten.

Söder, der geübte und souveräne Redner, dessen derzeitige Auftritte natürlich auch im Kontext der bevorstehenden Landtagswahl zu sehen sind, wiederholt sein bereits im vergangenen Jahr geäußertes Bekenntnis zu den Kirchen. „Wo Kirche weniger wird, wird’s nicht besser“, urteilt er mit Blick auf die jüngst veröffentlichten Austrittszahlen und fordert, Christen sollten in der Gesellschaft „offener, mutiger, bekennender auftreten“. Die Kirche wiederum – womit der Landesvater seine eigene protestantische wie auch die katholische Kirche meint – möge sich nicht in ideologischen Debatten über die Frage verzetteln, „was man essen soll“, sondern lieber auf ihre Kernthemen – „Liebe im Leben, Leben nach dem Tod“ – schauen.

Scheindebatte um die Gipfelkreuze

Die launige und pointierte Rede des Ministerpräsidenten zeigt aber auch, wie schmal der Grat zwischen profilierten Standpunkten und populistischen Reflexen ist. So erwähnt er die aktuell vor allem in Österreich und Südtirol geführte Debatte über Gipfelkreuze und bezeichnet es als „unerträglich, sollten wir sie abbauen“. Dabei fordert jedoch niemand, bestehende Gipfelkreuze abzubauen – der seriöse Teil der Diskussion dreht sich ausschließlich darum, ob es auf Berggipfeln, die bislang kein Kreuz hatten, neue Kreuze braucht, oder ob man diese Gipfel lieber so lässt, wie sie sind; bestehende Kreuze würden wohlgemerkt erhalten und bei Bedarf auch erneuert werden. Überzeugender sind da schon Söders Positionierungen gegen die Suizidbeihilfe und für den Schutz des ungeborenen Lebens.

Während der heiße Wind die Baumkronen im Garten der Katholischen Akademie zum Rauschen bringt, tritt Armin Schalk, der im vergangenen Herbst neu gewählte Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken, ans Mikrofon. Auch er kommt nicht am Thema des massenhaften Kirchenaustritts vorbei, bezeichnet das „Glas“ jedoch als „halb voll“ statt halb leer. Er kritisiert, dass in die 18-köpfige Expertenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin, die vom Bundesgesundheitsministerium eingesetzt wurde, kein einziger Vertreter der katholischen oder evangelischen Kirche berufen worden sei. Zugleich kündigt er an, der Diözesanrat werde sich nach der Sommerpause zu Fragen des Lebensschutzes äußern und auch mit Bundestagsabgeordneten sprechen. Auch Schalk greift gegen Ende seiner Rede die Scheindebatte um die Gipfelkreuze auf und sagt, man müsse gemeinsam schauen, dass die „Gipfelkreuze auf unseren geliebten oberbayrischen Bergen bleiben“.

Illustre Gesellschaft aus allen Bereichen

Als im Ausschankbereich bereits die ersten Bierfässer für den Anstich vorbereitet werden, ergreift zuletzt Kardinal Marx das Wort. Er begrüßt voller Freude die „illustre Gesellschaft“ und nennt den Abend ein „ermutigendes Fest der Begegnung“. Hier sei – mit Spitzenpolitikern, Richtern, Diplomaten, Vertretern anderer Konfessionen und Religionen, Präsidenten von Behörden und Universitäten, den Ordensgemeinschaften, dem Betroffenenbeirat, Vertretern von Rettungskräften und Militär, von Ordinariatsabteilungen und katholischen Verbänden, dem Haus Bayern und vielen anderen – „die ganze Lebenswirklichkeit präsent“. Er erinnert an das viele Gute, das die Kirche mithilfe ihrer Kirchensteuerzahler für die Gesellschaft leistet, und bekennt sich einmal mehr zur Synodalität, die nicht bedeute, dass man zerstritten sei, sondern dass man einmütig und konstruktiv nach Lösungen suche.

Vier „große Linien“ des christlichen Glaubens gibt der Kardinal den Gästen noch mit – die Freiheit, die Einzigartigkeit des Lebens und der Schöpfung, eine universalistische Grundhaltung und das öffentliche Feiern des Gottesdienstes –, bevor er seine Rede schließt und die versammelte Festgemeinschaft in den inoffiziellen Teil des Abends entlässt. Bei exquisitem Essen, kühlen Getränken und stimmungsvoller Big-Band-Musik werden Bekannte begrüßt, Neuigkeiten ausgetauscht und ernste Gespräche geführt, bevor ein beschwingter Kardinal Marx das letzte Musikstück selbst dirigiert und um 23.09 Uhr ein triumphaler Schlussakkord durch den Garten der Katholischen Akademie schallt. Kurz darauf antwortet der Himmel: Heftige Unwetter brechen über die Stadt herein, der Abend endet mit Blitz und Donner. (Florian Ertl, stellvertretender Chefredakteur der Münchner Kirchenzeitung, und Joachim Burghardt, Redakteur der Münchner Kirchenzeitung)