Pfarreien im Wandel

Die Wagenburg verlassen

Die Pfarrei Christus Erlöser hat sich ein Vitalisierungs-Konzept verordnet. Zwei Jahre nimmt sich ein Projekt-Team Zeit, eine zukunftsfähige Pastoral für die Stadtteilkirche Neuperlach zu erarbeiten.

Himmel über Neuperlach © AdobeStock_ar77

München-Neuperlach – Pfarrer Bodo Windolf hat sich mit der Weiterentwicklung der Pfarrei Christus Erlöser Zeit gelassen. Als er 2012 nach Neuperlach kommt, ist die gerade einmal zwei Jahre alt. 2010 wurden die fünf Neuperlacher Pfarreien zu einer neuen Mega-Gemeinde mit rund 13.000 Katholiken zusammengefasst. Die früheren Pfarreigebilde werden seitdem Kirchenzentren genannt. Pfarrer Windolf hat sein Büro im Kirchenzentrum St. Maximilian Kolbe, eine eigene Christus Erlöser Kirche gibt es nicht. Als er sein neues Amt antritt, trifft er auf ein Glaubensleben, das durchaus von spiritueller Vielfalt geprägt ist. Dafür sorgen nicht zuletzt die zahlreichen neokatechumenalen Gemeinschaften, die zum Kirchenzentrum Philipp Neri gehören. Trotzdem plagen die Großstadtpfarrei die klassischen Sorgen wie rückläufige Gottesdienstbesucherzahlen, Kirchenaustritte, und die Missbrauchskrise der Kirche komme noch erschwerend hinzu, erklärt Pfarrer Windolf.

Strategie mit messbaren Zielen

2018, sechs Jahre nach der Amtsübernahme, fährt der Priester auf eine Fortbildung nach Augsburg. Dort lernt er pastorale Möglichkeiten kennen, mit denen Pfarreien im Sinne der Neuevangelisierung neue Wege gehen können. Er stellt sie dem Pfarrgemeinderat vor, der daraufhin beschließt, neue Schritte zu wagen. Jetzt muss man nur noch herausfinden, welcher Weg der richtige für Neuperlach ist. Da kommt der Tipp gerade recht, dass es eine Stiftung gibt, die Pfarrgemeinden dabei finanziell unterstützt. Die Stiftung gewährt schließlich die Mittel, mit denen man in Christus Erlöser im Januar dieses Jahres starten kann. Man beschließt, in einem Zeitraum von zwei Jahren mit professioneller Hilfe ein „Vitalisierungs-Konzept“ auszuarbeiten. Durch die Gelder der Stiftung habe man zwei Strategieberater gewinnen können, die mit Methoden arbeiteten, die sich auch in der Wirtschaft bewährt hätten, erzählt Pfarrer Windolf. André Lorenz und Sebastian Walter stehen der achtköpfigen Projektgruppe schließlich als Berater zu Seite und definieren die ersten Schritte Richtung Vitalisierung. Zunächst sei es wichtig herauszufinden, was die Neuperlacher von der Kirche erwarten, so Strategieberater Sebastian Walter. Momentan laufe eine große Online-Umfrage, in der die Neuperlacher nach ihren Wünschen, Vorstellungen und Bedürfnissen gegenüber der Pfarrei gefragt werden. Der gesamte Sozialraum Neuperlach soll analytisch ausgeleuchtet werden, betont Walter. Und die Projektgruppe müsse auch klären, welches Selbstverständnis die Pfarrei hat. Mit den Ergebnissen soll es dann später in die Workshops gehen. Die sollen zwei Mal pro Monat zu einem bestimmten Themenbereich stattfinden. Die Ergebnisse würden in strategischen Papieren festgehalten. Das sei dann auch der Punkt, wo man von der Analysephase in eine strategische Planung übergehen werde, erläutert Walter. Das bedeute eine konkrete „Maßnahmenplanung, wo Maßnahmen identifiziert und beschrieben und vor allen Dingen mit messbaren Zielen versehen werden“.

Eine neue Willkommenskultur

In den Workshops können sich dann auch weitere Pfarreimitglieder am Prozess beteiligen. Es sei wichtig, möglichst viele mitzunehmen, meint Katharina Schmidt aus der Kirchenverwaltung, die sich auch in der Projektgruppe engagiert. Natürlich gebe es kritische Stimmen zum Projekt in der Pfarrei, „aber überwiegend habe ich schon den Eindruck, dass viele sagen, das ist gut, dass wir da weitergehen“.  Deshalb sollen möglichst viele Stimmen aus der Pfarrei in den Workshops zu Wort kommen. Natürlich wird dann auch der Punkt kommen, an dem sich zeigt, was möglich ist und was nicht. Bei aller Offenheit für die Analyse stellt Pfarrer Windolf von Anfang an klar: „Wir sind katholisch. Und wo katholisch draufsteht, da möchte ich auch, dass katholisch drin ist“. Es ist dieser Spagat zwischen neuer Offenheit und katholisch bleiben, der das Vitalisierungsprojekt so spannend macht. Davon abschrecken lässt sich das Projekt-Team nicht. Den neuen Ruck, den es brauche, spürt Pfarrgemeinderatsvorsitzender Robert Wieland schon jetzt nach sechs Monaten Projektarbeit. Man habe lange genug „nach bestem Wissen und Gewissen dahingewurstelt“. Nun müsse man raus aus der Wagenburg und auf die Menschen zugehen, die auf der Suche sind, fasst Pfarrer Windolf das Projektziel zusammen. Die Menschen, die mit der Pfarrei in Kontakt kommen, sollen das Gefühl haben, „hier bin ich willkommen in meiner ganz persönlichen Lebenssituation und hier kann ich erfahren: Gott geht einen guten Weg mit mir in einer großen Gemeinschaft der Kirche vor Ort“. Diese Vision von Gemeinschaft soll mit dem Vitalisierungskonzept Wirklichkeit werden, „auf welchen Wegen auch immer“, wünscht sich Pfarrer Windolf.



Der Autor
Paul Hasel
Radio-Redaktion
p.hasel@michaelsbund.de