Meinung
Amoklauf in München

Die Angst hat nicht das letzte Wort

Viele Kollegen der Redaktionen des Sankt Michaelsbundes haben den Amoklauf in München und die Situation in der Landeshauptstadt miterlebt. Florian Ertl kehrte nach Feierabend in die Redaktion im Herzen Münchens zurück und schrieb den ersten Artikel über das dramatische Geschehen für unsere Seite.

Florian Ertl ist stellvertretender Chefredakteur der Münchner Kirchenzeitung. (Bild: Sankt Michaelsbund/KSchmid) © Sankt Michaelsbund/KSchmid

München – Es liegt etwas in der Luft an diesem schwülen Freitagnachmittag – und das kann man wörtlich nehmen, denn normal ist dieses ständige Hubschraubergedröhne und Sirenengeheul nicht. Ich schau im Internet nach: "Eilmeldung" steht dort: Schießerei im Olympia-Einkaufzentrum, da ist es kurz nach18 Uhr. Nun ja, denke ich mir, vielleicht ein Überfall, die werden da ein wenig absperren. Um 19 Uhr geh ich, es ist das Fest Maria von Magdala, in die Abendmesse in meiner Pfarrei.

Auch im kleinen Kuppelraum der Schmerzhaften Kapelle ist immer wieder Sirenengeheul zu vernehmen. "Da ist mehr los", denke ich mir. Nach Messschluss kürze ich durch die Sakristei ab, es hat zu nieseln angefangen. Da erreicht mich die SMS der Kollegin Kardin Basso-Ricci, die noch in der Redaktion ist: "Hoffe ihr seid wohlauf. Bin noch im Büro, Leute wurden gerade im Saturn (der Elektro-Riese gleich gegenüber unseren Redaktionsräumen beim Stachus, Anm. d. Red.) in Sicherheit gebracht…Im Eilschritt die wenigen Meter nach Hause, die 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau, in der gerade zu Beginn alles drunter und drüber geht, überzeugt mich endgültig: "Da entwickelt sich was Dramatisches."

Ich rufe bei der Kollegin im Büro an, der Online-Kollege Georg Walser soll noch vor St. Michael sein, erfahre ich, die Augen auf die Twitter-Nachrichten der Münchner Polizei gerichtet: Nahverkehr eingestellt, es wird nach drei Tätern gefahndet, die Menschen sollen zu Hause bleiben. Aber genau das kann ich in diesem Moment nicht, ich bin Journalist. Von meiner Wohnung am Rand der Münchner Innenstadt sind es dem Radl knapp zehn Minuten bis zur Kirchenzeitungs-Redaktion. Los jetzt! Kurz verabschiede ich mich von meiner Frau und meinen beiden Mädchen, radle über die sehr leere Thalkirchner Straße zum Sendlinger-Tor, sehe Passanten und Menschen ungläubig in ihre Smartphones blicken. Viele Polizeiwägen sind unterwegs, es ist dunkel geworden.

Gespenstische Atmosphäre

Die Redaktionsräume im ersten Stock der Herzogspitalstraße sind abgedunkelt, der Fernseher läuft, eine Schreibtischlampe brennt – lieber keine Festbeleuchtung, falls da einer rumballern sollte…Die Kollegin checkt, wer noch im Haus ist. Die leicht im Luftzug wehenden und raschelnden Handwerker-Abdeckplanen – gerade werden bei uns die Sanitärräume saniert – geben dem Ganzen eine leicht gespenstische Atmosphäre. Ich will einen ersten Kommentar für die Homepage der Münchner Kirchennachrichten schreiben – auch wir müssen unbedingt zeitnah reagieren und etwas hier journalistisch liefern, das Chaos einordnen, davon bin ich zutiefst überzeugt. Der Kollege Walser bringt ein Bild von Polizisten vor St. Michael. Telefonat mit dem Redaktions-Gesamtleiter, grünes Licht, aber auch die dringliche Bitte: "Seien Sie alle vorsichtig, Sicherheit hat absolute Priorität!"

Trotz der chaotischen Lage möchte ich im Kommentar nicht der Angst das letzte Wort überlassen: "Auch wenn es schwerfällt: Wir als Christen sollten bei allen düsteren Meldungen stets die Worte Jesu als Richtschnur und Orientierungspunkt vor Augen haben: ,Fürchtet Euch nicht!'", schreibe ich und: "Wir werden dadurch nicht von den Stürmen des Lebens verschont, aber wir dürfen aus diesen Worten Gottvertrauen, Hoffnung und Zuversicht schöpfen. Das ist eine tiefe Glaubenswahrheit, keine billige Vertröstung." Um 21.23 Uhr ist der Artikel online, "Ausnahmezustand" lautet der Titel. Florian Ertl