Ehrenamt

Deshalb hilft dieses Ehepaar seit über 30 Jahren Flüchtlingen

Als die Vietnamesen Ende der siebziger Jahre nach Engelsberg kamen, war Franz Auer Kirchenpfleger. Die Flüchtlingen kamen mit ihren Anliegen ins Pfarramt - und er hat geholfen, wo er konnte. Seitdem helfen er und seine Frau Rosi den Menschen. Ihre Aufgaben haben sie untereinander aufgeteilt.

Rosi Auer wird von den Flüchtlingen "Mama" genannt. (Bild: Sankt Michaelsbund) © Sankt Michaelsbund

Engelsberg - Seit dem letzten Sommer gibt es in Deutschland so viele Ehrenamtliche wie schon lange nicht mehr. Denn als die Flüchtlinge kamen, wurden die Ärmel hochgekrempelt. Tausende haben geschaut, wo sie helfen können. Andere fragen sich: was sind das für Leute, die ihre Zeit opfern, um zu helfen. Zwei Helfer sind Rosi und Franz Auer. Die beiden Rentner sind allerdings nicht erst seit einem Jahr aktiv, sondern seit mehr als dreißig Jahren. „Der Antrieb ist unser Glaube“, sagt Rosi Auer. „es heißt: Ich war fremd und obdachlos und Ihr habt mich aufgenommen“. Außerdem sind die beiden inzwischen echte Überzeugungstäter:

Immer was zu tun

Von der Erstausstattung für die Schulkinder, über die Schulanmeldung, Arztbesuche bis zu Behördengängen – es vergeht kaum ein Tag an dem Rosi und Franz nicht in der Gemeinschaftsunterkunft irgendetwas zu tun haben. 116 Flüchtlinge gibt es derzeit in Engelsberg, dem weniger als 3000 Einwohner zählenden Ort südlich von Altötting. Franz Auer kümmert sich um bürokratische Probleme, zum Beispiel wenn jemand einen Job hat, aber noch Papiere braucht. Er hilft, wenn jemand aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen kann, organisiert gebrauchte Möbel und hilft, sie aufzubauen. Die Kleiderkammer ist eine von Rosi Auers Aufgaben. „Die Leute sagen immer, die Flüchtlinge sind alle so gut gekleidet und die Kinderwagen sind nach der neuesten Mode. Da kann ich dann nur sagen: Das sind alles Spenden. Wir leben doch hier im Überfluss.“

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Angefangen hat alles, als 1979 die ersten Boatpeople aus Vietnam nach Deutschland kamen. Auch damals war Franz Auer schon Kirchenpfleger. „Und dann kamen die Flüchtlinge mit allen möglichen Fragen ins Pfarramt und da habe ich halt geholfen.“ Dabei hat er festgestellt, wie herzlich die Menschen waren – und so ist manche Freundschaft entstanden. Damals schon mit einem vietnamesischen Paar, das bis heute auf allen Familienfesten dabei ist und einfach dazu gehört. Inzwischen sind Freunde aus dem aller Welt dazu gekommen. Neun Patenkinder haben die beiden, mit denen sie nicht verwandt sind.

Die "Mama" schimpft auch mal

Seit etwa 15 Jahren ist da auch Linda, die dreifache Mutter aus dem Irak. Sie war selbst Flüchtling, heute will sie etwas zurückgeben und hilft Rosi Auer als Übersetzerin. „Sie ist wie eine jüngere Schwester für mich“, sagt sie. Und überhaupt sind die beiden für viele ihrer Schützlinge zum Familienersatz geworden. Die „Mama“ wird Rosi Auer respektvoll genannt. Und als solche darf sie auch schimpfen, wenn jemand nicht zum Deutschkurs erscheint oder einen Brief von einer Behörde ewig liegen lässt und so wichtige Fristen verstreichen. „Das ist zwar manchmal etwas komisch, denn es sind ja alles erwachsene Menschen, aber es ist Hilfe zur Selbsthilfe“.

Natürlich gibt es auch Ärger in der Unterkunft, z.B. wenn die Kinder zu laut sind oder die Musik der Jugendlichen. Oder wenn die Gemeinschaftsküche schmutzig hinterlassen wird oder das gemeinsame Bad. Aber da erklärt Rosi Auer gleich: „Es ist auch nicht einfach, wir haben oft fünf bis sieben Leute in einem Zimmer wohnen“.

Frauensolidarität in der Unterkunft

Von den 116 Flüchtlingen sind 25 Kinder. Wenn Rosi Auer von denen erzählt, treten ihr oft Tränen in die Augen: „Da war dieser sechsjährige Junge aus Aleppo, der hat immer Spielzeug eingesteckt, bevor er die Unterkunft verlassen hat. Weil er Angst hatte, er könnte nicht mehr zurück kommen, weil die Familie wieder fliehen müsste und dann hätte er ja nichts mehr zu spielen“. Sie sieht aber auch, wie sich die Bilder, die die Kinder malen, im Laufe der Zeit verändern: „Am Anfang ist alles dunkel und schwarz. Und dann kommen die hellen Farben und auch die Motive ändern sich.“ Für die Kinder hat sie inzwischen einige junge Frauen aus dem Ort gefunden, die selbst Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen werden wollen und jetzt mit den Kindern spielen, puzzlen und ihnen beibringen, wie man eine Schere hält und einen Stift hält. Denn im örtlichen Kindergarten sind keine Plätze frei.

Und auch für die Schwangeren hat Rosi Auer gesorgt: die ehemalige Krankenschwester hat zu einer früheren Kollegin Kontakt aufgenommen, die Hebamme ist und jetzt für die werdenden Mütter und Wöchnerinnen da ist. Aber auch unter den Frauen in der Unterkunft ist die Frauensolidarität groß. Rosi Auer erzählt, wie zwei arabische muslimische Frauen, die schon mehrere Kinder haben, zu einer jungen Christin aus Afrika gegangen sind. Die hatte sich sehr schwer getan am Anfang, unter anderem auch, weil sie ein steifes Bein hat. Die beiden anderen Frauen haben dann bei ihr aufgeräumt und ihr gezeigt, wie man den ein oder anderen Handgriff bei dem Säugling besser machen kann. Hilfen, die jede junge Mutter gut gebrauchen kann.

Was die Unterkunft für die beiden genau bedeutet, können die beiden nicht sagen. „Für ein erweitertes Zuhause wäre es mir nicht schön genug,“ lacht Rosi Auer“, aber wenn sie nicht mehr da wäre würden mir die Menschen dort einfach fehlen, die so viel Herzlichkeit verbreiten. (br)

Wer mehr über Rosi und Franz Auer erfahren will: Die beiden sind Gast in der Talksendung „Hauptsache Mensch“. Am 27.Juni läuft die Sendung zwischen 12 und 14 Uhr im Münchner Kirchenradio.

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