Bei seiner Ankunft am späten Freitagvormittag in Bagdad, wird Papst Franziskus dort zunächst nicht als religiöser Führer, sondern als Staatsoberhaupt des Vatikans empfangen. Nach einem Treffen mit Regierungschef Mustafa Al-Kadhimi trifft Franziskus im Präsidentenpalast der irakischen Hauptstadt auf Staatsoberhaupt Präsident Barham Salih. Doch schon am Nachmittag besucht der Papst dann die syrisch-katholische Kathedrale von Bagdad, um sich dort mit Priestern, Ordensleute und Seminaristen auszutauschen. „Das zeigt den Unterschied zwischen seiner Rolle als Staatsoberhaupt und seiner Mission, die Menschen dort zusammenzuführen“, sagt Wolfgang Huber. Der Präsident des päpstlichen Missionswerks missio in München, das auch im Irak aktiv ist, betont, dass der Papst mit seinem Besuch in dem islamischen Land in keinem Fall provozieren will. „Er wie will vielmehr ein Beitrag zu einem Prozess des Frieden und der Versöhnung für ein gelebtes Miteinander leisten.“
Fast 90 Prozent weniger Christen als vor 20 Jahren
Pontifex – also Brückenbauer – will Franziskus bei seiner Irakreise sein. Für ein Treffen mit dem muslimischen Großayatollah Ali as-Sistani fliegt er deshalb am Samstag in die für Schiiten heilige Stadt Nadschaf. Dort war es unter der Herrschaft des sunnitischen Diktators Saddam Hussein immer wieder zu Gewalt gegen die mehrheitlich schiitische Bevölkerung gekommen. „Seine Route führt den Papst ganz bewusst an Orte, wo die Wunden des Landes sind und wo es noch Schwierigkeiten gibt“, sagt Huber. Franziskus wolle den Menschen vor Ort zeigen, wie wichtig es ist, dass es sie gibt.
Dieses Zeichen gilt vor allem den rund 200.000 Christen im Irak. Vor dem dritten Golfkrieg waren es noch knapp zwei Millionen gewesen. Die meisten Verbliebenen sind Katholiken, die der mit Rom unierten chaldäischen Kirche angehören. Als Minderheit sehen sich die irakischen Christen ständiger Gefahr ausgesetzt. „Wir werden weiterhin verfolgt und als Menschen zweiter Klasse im eigenen Land betrachtet“, berichtet der katholisch-chaldäischer Priester Awakem Isleiwa, der in München lebt. Für ihn ist der Besuch des Papstes daher schon jetzt eine starke Botschaft der Solidarität, die den Christen Mut macht. Zugleich erwartet er von Franziskus aber auch, dass er sich ein echtes Bild von der Lage im Land macht – „die Realität spürt und erlebt“. Der Papst solle hundertprozentig mitbekommen, wie das irakische Volk und insbesondere die Christen leiden.
Von Abraham zu einem neuen Miteinander
Nach jahrzehntelanger Diktatur, dem Golfkrieg und dem Kampf gegen den sogenannten islamischen Staat, ringt der Irak nun um gesellschaftliche Stabilität. Dass es die nur durch ein Miteinander der Religionen geben kann, unterstreicht Franziskus mit einem interreligiösen Treffen samstagmittags in der Ebene von Ur – der biblischen Stadt aus der mit Abraham der gemeinsame Stammvater der großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam kommt. Christian Selbherr, der als Journalist mehrfach den Irak für missio bereiste, sieht darin auch ein starkes Zeichen für alle muslimischen Iraker: „Für sie ist dieser Besuch eines so hohen und weltweit respektierten Religionsführers eine enorme Aufwertung ihres Schicksals.“ Geistliche Würdenträger genießen im Irak unabhängig von der Religion großes Vertrauen unter der Bevölkerung.