Bücherliebhaber – ab ins Gefängnis

Abbas Khider: Palast der Miserablen

Shams, eine Sonne aus dem dunkelsten Loch von Bagdad, so wird der Ich-Erzähler des Romans einmal vorgestellt und so tritt der Junge auch den Lesern gegenüber in Abbas Khiders neuem Roman: Als pfiffiger kluger Kopf mit Sonne im Herzen. Er erreicht, dass man ihm auch in die dunkelsten Löcher neugierig folgt und eine Welt neu kennenlernt, die einem sonst nur als Krisenregion präsentiert wird. Abbas Khider erzählt authentisch, pointenreich, voller unerwarteter Entwicklungen.

© Imago/Bernd Eßling

In einem finsteren Loch von Gefängnis beginnt die Rahmenhandlung des Romans. Der junge Häftling erzählt, wieso er dort gelandet ist und wie weit es mit seinem Land gekommen ist. Zu Beginn des Romans ist Shams ein kleiner Junge in einem Dorf im Süden nahe der Grenze zum Iran.

Alles ist konsequent aus der Perspektive von Shams erzählt, verschärfte Lebensumstände berichtet aus dem Blickwinkel eines Kindes, später Jugendlichen. Es wurde mir ziemlich eng ums Herz zu lesen, wie sich der Krieg für einen 5-jährigen anfühlt, wenn seine Mutter sich mit ihm und der Schwester vor den Bomben im Keller der Moschee versteckt, wo zufällig auch vier Säcke Reis lagern. Und solche zu Herzen gehenden Szenen gibt es viele.

Wieviel aus dem „Palas der Miserablen“ wohl autobiographisch ist? Geschenkt! Es ist wunderbar, diesen quicklebendigen Shams und seine Familie kennenzulernen und es ist toll, einen Schriftsteller zu haben wie Abbas Khider, der so erzählen kann. An der Liebe für seine Figuren spürt man aber, wie nah im das Ganze ist.

Abbas Khider hat erst mit Mitte zwanzig Deutsch gelernt, als Asylbewerber das deutsche Abi gemacht und seinen Lebensunterhalt bei der Müllabfuhr verdient. Im Irak war er als 19jähriger verhaftet worden. 1996 konnte er in den Iran fliehen, bevor er über viele Stationen nach Deutschland kam. Umstände, die seine Geschichten und seinen Ton prägen. Den frechen Witz und seine Ironie, den kritischen Blick auch auf Deutschland - wer wollte ihm das absprechen. Khider ist ein hervorragender Unterhalter, der trotzdem die Dinge klar beim Namen nennt. Zahlreiche Preise unterstreichen, wie einzigartig seine literarische Stimme ist.

Abbas Khider erzählt authentisch, pointenreich, voller unerwarteter Entwicklungen. „Der Palast der Miserablen“ ist weniger ironisch-bissig als Khiders Deutschland-Romane. Man spürt eine große Nähe zu den Personen, mit denen der Autor sehr liebevoll umgeht. Zuspitzungen braucht es bei dieser Geschichte nicht, die Umstände sind extrem genug vor allem aus unserer wohlstandsverwöhnten Perspektive. Zu lachen gibt es trotzdem reichlich, denn der Junge Shams lässt nichts zu erzählen aus, worüber er sich amüsiert, sein Temperament trägt den Roman. Ein Roman auch für Jugendliche


Buchtipp

Abbas Khider: Palast der Miserablen

Hanser, 320 S.

23 € inkl. MwSt.

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