Papst Franziskus erhält den Karlspreis

Zwei Päpste und ein Bruder

Mit Europa hat der Papst aus Südamerika scheinbar nicht viel am Hut. Auch mit Reisen in der EU war er bisher sparsam. Dennoch nimmt er die Auszeichnung dankend an.

Nach Frere Roger und Papst Johanes Pau II. wir jetzt auch Papst Franziskus mit dem Kkarlspreis ausgezeichnet. (Bild: imago) © imago

Vatikanstadt – Die Entscheidung kam überraschend. Manchem schien sie gar wie eine Ironie der Geschichte: Der erste nichteuropäische Papst seit 1.300 Jahren erhält die renommierteste Auszeichnung für Verdienste um die Einheit Europas. Franziskus wird am 6. Mai mit dem Karlspreis 2016 geehrt. Ausgerechnet der Argentinier auf dem Stuhl Petri, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach eigener Aussage einen Anruf erhielt, weil er Europa als "unfruchtbare Großmutter" bezeichnet hatte.

In seinen beiden Ansprachen, im November 2014, in Straßburg nahm der Papst vor anderthalb Jahren kein Blatt vor den Mund. Europa wirke alt, müde und kraftlos, sei wie eine "unfruchtbare Großmutter". Der Kontinent müsse darüber nachdenken, ob "sein gewaltiges Erbe" ein "bloßes museales Vermächtnis der Vergangenheit" sei oder ob es noch imstande sei, "die Kultur zu inspirieren und seine Schätze der gesamten Menschheit zu erschließen", so Franziskus.

Doch bei aller Kritik machten die Reden auch deutlich, dass er Europa keineswegs aufgegeben hat. Jenes Europa, "das auf sicherem, festem Boden" voranschreite, sei "ein kostbarer Bezugspunkt für die gesamte Menschheit". Es sei die Stunde gekommen, gemeinsam ein Europa aufzubauen, das sich nicht nur um die Wirtschaft drehe, sondern um die Heiligkeit der menschlichen Person.

Franziskus selbst betonte später mit Blick auf das Medienecho seiner Äußerungen in Straßburg, dass sein Blick auf den alten Kontinent keineswegs pessimistisch sei. In Straßburg habe er ja neben manch kritischem Wort auch deutlich gemacht, dass ein Europa mit seinen religiösen Wurzeln, seinem Reichtum und seinem Potenzial auch leichter immun sein könne gegen die vielen Extreme, die in der heutigen Welt weit verbreitet sind, sagte er im Februar in einem Interview.

Franziskus' Botschaft für Europa ist in jedem Fall unbequem. Der Sohn italienischer Einwanderer wird nicht müde, einen humanen Umgang mit Flüchtlingen einzufordern. Europa sei "die Heimat der Menschenrechte, und wer auch immer seinen Fuß auf europäischen Boden setzt, müsste das spüren können", sagte er zuletzt auf Lesbos. Dass er nur vier Wochen nach Inkrafttreten des Abkommens zwischen der EU und der Türkei dorthin reiste, werteten viele Beobachter als Kritik an der Flüchtlingspolitik Brüssels.

Mit der Entgegennahme des Karlspreises bricht Franziskus mit seinen Grundsätzen. Den Karlspreis habe er "auf Anraten seines Freundes Kardinal Walter Kasper" ausnahmsweise angenommen, so Franziskus im Februar vor Journalisten. Bis zum Sommer 2015 lehnte er jegliche persönliche Ehrungen konsequent ab. "Ich mag das nicht", erklärte er mitreisenden Journalisten auf dem Rückflug von seiner Südamerika-Reise. Franziskus sagte nun, er wolle seinen Karlspreis als ein Geschenk für Europa verstanden wissen.

Was der Papst der EU ins Stammbuch schreiben wird, ist noch nicht bekannt. Er wolle eine Rede voll "großer Zuneigung" halten, kündigte er im Februar an. Zugleich sagte er, die EU brauche eine Neugründung. Er denke dabei an die Gründungsväter in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg. Leider gebe es heute keine Leitfiguren mehr wie Konrad Adenauer und Robert Schuman. Am Freitag wird Franziskus selbst zu einer solchen Leitfigur erklärt. (kna)