Liebensbriefe 2015

Zeichnungen für Verstorbene und bunte Totenbretter

Mit dem Tod beschäftigt sich kein Erwachsener wirklich gerne. Kinder hingegen gehen damit meist noch ganz unverkrampft um. Das zeigt sich auch bei einer Kunstaktion: Jungs und Mädls malen sogenannte Liebensbriefe...

Liebensbrief wehen im Hof des Künstlerhauses in München (Bild: Patricia Hofmann) © Patricia Hofmann

München - Abschied nehmen muss keinen bitteren Beigeschmack haben: Mut und Trost sollen die sogenannten „Liebensbriefe“ und „Seelenbretter“ zusprechen, die es seit Freitagabend im Künstlerhaus am Lenbachplatz zu sehen gibt. Im Innenhof wiegen 500 dieser „Liebensbriefe“ mal leise, mal laut im Wind, ganz nachdem wie stark dieser weht. Jedes Blatt ist die Botschaft eines Kindern an bereits verstorbene, geliebte Menschen oder Tiere. Die zarten, durchsichtigen Blätter mit weißer Schrift sollen den Blick in eine andere Welt widerspiegeln. Sie entstehen durch eine ganz besonderes Technik – mit weißen Stiften oder Kreiden prägen die Kinder eine weiße Folie, wie sie normalerweise blinde Menschen verwenden.

Initatorin des Projekts „Liebensbriefe“ ist die Münchner Kunstpädagogin Marielle Seitz. Das Schlüsselerlebnis habe sie vor vier Jahren gehabt, erzählt sie: „Damals habe ich miterlebt, wie Kinder in einem Einkaufscenter mit Halloween-Kitsch überschüttet wurden. Das Wesentliche des Allerseelentages am 2. November, nämlich die Erinnerung an von uns gegangene Menschen, bleibt hier außen vor.“. Dem wolle sie entgegenwirken und den Kindern zeigen, worauf es wirklich ankäme.

Die Idee mit der weißen Folie kam Seitz während einer Krankheit, als sie lag und vor dem Fenster das grau in grau des Novembers sah. Durch die Wünsche und gemeinsamen Erlebnisse, die auf dem Papier formuliert werden, könnten Kinder den Verlust des Verstorbenen besser verarbeiten und sich mit dem Thema  „Tod“ auseinandersetzen. Das Besondere daran sei es, dass Kinder aller Glaubensrichtungen angesprochen und beteiligt sind, denn Trauer sei überall gleich.

Die Liebensbriefe im Künstlerhaus hängen an Leinen, die zwischen den Seelenbrettern der Künstlerin Bali Tollak befestigt sind. Deren in leuchtenden Farben bemalten Holzstelen sind ein verbindendes Zeichen zwischen Lebenden und Verstorbenen. Besinnliche Sprüche auf den Brettern sollen dieses unsichtbare Band verstärken. In der freien Natur wirken die „Liebensbriefe“ durch das Spiel von Wind und Wetter, aber auch die Ausstellung in Kirchen ist beeindruckend, sagt Marielle Seitz. Nach der Ausstellung werden die Zeichnungen archiviert. Schließlich haben die Kinder ihnen ihr Seelenleben anvertraut, in dem sie hoffen, dass es ihren Lieben in einer anderen Existenz jetzt besser geht. (Patricia Hofmann/sts)