Aufarbeitung des Skandals

Zehn Bistümer haben bereits eigene Missbrauchsstudien gestartet

Mit unabhängigen Studien wollen katholische Bistümer die Aufklärung von Missbrauch vorantreiben. Nicht unproblematisch ist die Absicht, Verantwortliche wegen ihres fehlerhaften Umgangs mit Missbrauchsfällen zu benennen.

Die Bistümer Aachen, Essen, Hamburg, Köln, Limburg, Mainz, München, Münster und Paderborn reagierten auf die MHG-Studie. © Katarzyna Bialasiewicz Photographee.eu - adobe.stock

Bonn – Es sind neue Tiefenbohrungen vor allem in Personalakten, um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche aufzuklären. Die deutschen katholischen Bischöfe haben sich mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung auf Eckpunkte für eine weitere Aufarbeitung des Missbrauchs in den Bistümern verständigt, die transparent, nach einheitlichen Kriterien und unter Mitwirkung unabhängiger Fachleute und Opfer erfolgen soll. Zehn der 27 deutschen Bistümer haben bereits unabhängige Studien in unterschiedlichen Formaten initiiert. Sie sollen vor allem den Umgang leitender Geistlicher mit Missbrauchsfällen unter die Lupe nehmen.

Ein rechtlich teils heikles Unterfangen.

Mit ihren Untersuchungen knüpfen die neun Bistümer Aachen, Essen, Hamburg, Köln, Limburg, Mainz, München, Münster und Paderborn an die im September 2018 vorgelegte MHG-Studie der deutschen Bischöfe an.

Danach fanden sich in den Kirchenakten von 1946 bis 2014 Hinweise auf bundesweit 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe und 1.670 beschuldigte Priester, Diakone und Ordensleute. Die Diözesen wollen nun genauer nachzeichnen, wie etwa Vertuschung funktionierte und welche Systemfehler zu beheben sind.

Die Frage lässt auch das Bistum Hildesheim von externen Experten recherchieren, allerdings nur bezogen auf die von 1957 bis 1982 dauernde Amtszeit des früheren Bischofs Heinrich Maria Janssen, dem selbst Missbrauch vorgeworfen wird.

Schwieriger Spagat

Bei den Untersuchungen geht es nicht zuletzt um die persönliche Verantwortung von Personalchefs, Generalvikaren und Bischöfen. Gerade dieser Punkt ist sensibel, wie das Beispiel des Erzbistums Köln zeigt. Es hat - wie die Erzdiözese München und Freising und das Bistum Aachen - die Münchner Kanzlei "Westpfahl Spilker Wastl" mit der Expertise beauftragt. Ihre für 12. März geplante Präsentation sagten die Kölner zwei Tage vorher wieder ab - um das Vorhaben rechtlich abzusichern, so die Begründung. Eine "identifizierbare Darstellung der Verantwortlichen" könnte Rechtsstreitigkeiten zur Folge haben. Gleichwohl versicherte Kardinal Rainer Maria Woelki, dass weiterhin Namen genannt werden sollen.

Wie schwierig der Spagat zwischen Transparenz und Persönlichkeitsschutz ist, machte auch der Mannheimer Forensiker Harald Dreßing deutlich, der Mitautor der MHG-Studie ist: "Als Wissenschaftler darf ich nicht einfach Namen nennen, die mir bei einem solchen Aktenstudium bekannt werden, weil ich mich dann eigener strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sehen könnte." Bei allen Studien sei vorab zu klären, wie mit personenbezogenen Akten umzugehen ist.

Freie Akteneinsicht – "im Rahmen des rechtlich Möglichen"

Auf die Frage gibt es unterschiedliche Antworten, wie eine Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zeigt. Die Diözese Essen etwa betont, dass das von ihr beauftragte Institut nur dem Auftraggeber und nicht in der öffentlich zugänglichen Studie Namen nennen wird. Das Bistum ziehe eventuell Konsequenzen. "Sollte aus der Studie hervorgehen, dass einzelne Verantwortliche vorsätzlich und bewusst Missbrauchstaten vertuscht oder ermöglicht haben, werden sie nach Maßgabe des Rechts zur Verantwortung gezogen."

Die Diözese Mainz bekundet die Absicht, das Fehlverhalten Verantwortlicher zu benennen. Der beauftragte Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber und sein Team hätten "im Rahmen des rechtlich Möglichen" freie Akteneinsicht: "Dazu werden aktuell mit Unterstützung von Kanzleien, die auf Datenschutz- und Arbeitsrecht spezialisiert sind, Kriterien erarbeitet."

70 Fachleute in der "Wahrheitskommission"

Das Bistum Münster, für das ein Team um den Historiker Thomas Großbölting von der örtlichen Universität die Untersuchung durchführt, strebt mit Blick auf Persönlichkeitsrechte eine juristische Absicherung an. Aber: "Man wird nie ausschließen können, dass sich jemand gegen eine Veröffentlichung wehren wird." Das Risiko einer Klage solle aber möglichst ausgeschlossen oder minimiert werden.

Die Diözese Limburg, deren Bischof Georg Bätzing inzwischen Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, hat eine Art "Wahrheitskommission" gegründet, der 70 Fachleute aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Betroffenen und Kirchenvertretern angehören. Zwei Juristen und eine Psychologin in der ersten von neun Teilgruppen durchleuchten die Personalakten, veröffentlichen aber selbst keine Namen. Die drei Experten und die zur Kontrolle der Missbrauchsaufarbeitung eingesetzte Wiesbadener Rechtsanwältin Claudia Burgsmüller geben dem Bistum nur Empfehlungen, wie es mit Einzelfällen umgehen sollte. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch