Kirchliche Praktika in Island und Lettland

Winter in der Diaspora

Junge Katholiken machen derzeit über das Bonifatiuswerk ein "Praktikum im Norden". In der Diaspora Nordeuropas machen sie dabei nicht nur Erfahrungen mit eisiger Kälte.

Die Kathedrale von Reykjavik © privat

Seit über vier Monaten lebe ich in Islands Hauptstadt Reykjavik. Hier wohne ich in einem Priesterhaus und dem angrenzenden Bischofshaus. Größtenteils helfe ich bei den Mutter-Teresa-Schwestern, die hier ein Frühstückshaus haben, und noch bei vie- len Dingen, die im Haus oder in der Kirche anfallen. Im Priesterhaus leben auch drei Priester, daneben wohnt der Bischof, der einzige katholische für ganz Island. Im Land existieren insgesamt acht Pfarreien, um die sich 16 Priester kümmern.

Nur vier Prozent sind katholisch

Um sich die Wege zur Messe besser vorstellen zu können, muss man zunächst wissen, dass von Islands 370.000 Einwohnern 240.000 in oder um Reykjavik wohnen. Der Rest des Landes aber ist so dünn besiedelt, dass man drei bis vier Stunden zum Gottesdienst unterwegs ist – und noch mal so lange wieder nach Hause. Das ist auch der Grund, warum vor der Reformation jeder Hof in Island eine eigene kleine Kapelle hatte. Und wo wir gerade bei Zahlen sind: Nur vier Prozent der isländischen Bevölkerung sind katholisch, etwa 15.000 Menschen. Jeden Sonntag kommen die Katholiken nach der Messe zum sogenannten Kirchenkaffee zusammen und unterhalten sich noch ein, zwei Stunden. Über Kommunikation oder Kooperation mit anderen Konfessionen habe ich bisher noch nicht so viel gehört.

Kälte und Dunkelheit

Ein großes Thema hier in Island sind Kälte und Dunkelheit. Mittlerweile werden die Tage ja wieder länger, aber zwischenzeitlich kam die Sonne wirklich nur drei Stunden lang heraus, und wenn es bewölkt ist, hat man manchmal tagelang fast gar keine Helligkeit. Das ist auf Dauer vor allem für die Psyche sehr anstrengend, und die täglichen Vitamin-D- Tabletten dürfen nicht fehlen. Mir wird aber immer gesagt, dass die psychisch schwierige Zeit erst noch kommt – nämlich dann, wenn im restlichen Europa schon der Frühling einzieht, während es hier immer noch lange dunkel ist. Bis Ende November hatte es hier noch teil- weise +10 Grad, danach ging es aber häufig auf -15 Grad herunter, und wenn dazu dann noch Wind weht, wird es schon sehr ungemütlich. Speziell Hände, Füße und Gesicht sind auch nicht so einfach zu schützen. Aber die Polarlichter, die man hier zu sehen bekommt, entschädigen für alle Strapazen, die man auf sich nimmt. (Tobias Malz)

Die Autorinnen und der Autor nehmen derzeit am „Praktikum im Norden“ des Bonifatiuswerks teil. Dieses Programm ermöglicht jungen Menschen, im Rahmen der katholischen Kirche ein Jahr in der Diaspora Nordeuropas zu leben, zu helfen und Erfahrungen zu sammeln.

"Ein warmes Gefühl von Verbundenheit"

Lettland, ein kleiner Staat im Norden Europas, hat uns bis vor einem Dreivierteljahr kaum etwas gesagt – und jetzt leben wir schon seit fast fünf Monaten hier. Als wir ankamen, hatte es noch +30 Grad, heute sind es -16 Grad, eine Kälte, wie wir sie in der deutschen Heimat selten erleben. Auch dass die Sonne schon Mitte Oktober um fünf Uhr nachmittags unterging, war anfangs ungewohnt für uns. In der ersten Zeit hatten wir das Gefühl, dass mit der einbrechenden Dunkelheit auch der Tag endet. Doch als wir noch nach der Dämmerung volle Straßen und Busse gesehen haben, konnten wir lernen, dass Dunkelheit und Tagesende nicht das Gleiche sind. Mitte November kam der Schnee und hat den ersten Winterblues gebrochen.

Auch die Begegnung mit anderen Menschen hilft sehr, die gedrückte Stimmung zu heben. Ein wichtiger Begegnungsort ist dabei die Kirche. Die katholische Kirche bietet dafür viele verschiedene Möglichkeiten. Es gibt Jugendtreffs, ein kostenloses Café, das katholische Gymnasium Rigas und natürlich die Gottesdienste in den Gemeinden.

Besuch des englischen Gottesdiensts

Da unser Lettisch noch in den Kinderschuhen steckt, besuchen wir meist den englischen Gottesdienst in der Maria-Magdalena-Kirche. Die internationale Gemeinde trifft sich jeden Sonntag nach der Messe zum Kirchencafé, wo man Menschen ganz verschiedener Nationalitäten und Kulturen begegnet. Wir konnten beobachten, dass die Teerunde im Winter stärker besucht wird. Im September waren es vielleicht noch fünf weitere Leute, die auf einen Kaffee geblieben sind, im Dezember dreimal so viele.

In der Weihnachtszeit wurde das Angebot der Beichte vor dem Messbeginn ebenfalls mehr in Anspruch genommen. Hier in Lettland ist es nämlich so, dass die Priester immer mindestens eine halbe Stunde vor dem Gottesdienst in der Kirche sind, um den Gläubigen die Möglichkeit eines geistigen Gespräches zu bieten. Eine weitere Besonderheit die uns überrascht hat war, dass der Großteil der Geistlichen ausschließlich die Mundkommunion austeilt. Die Handkommunion ist unüblich, dafür empfangen die Gläubigen Hostie und Wein.

Große Oblaten werden geteilt

Wo wir gerade bei lettischen Eigenheiten sind: Zur Christnacht haben wir eine schöne Tradition kennengelernt. Am Ende der Messe werden große Oblaten in der Gemeinde verteilt und jeder Gottesdienstbesucher bricht sich ein Stück der Oblate des Gegenübers ab und wünscht ihm viele schöne Dinge. So kommen alle Gläubigen kurz miteinander ins Gespräch. Das vermittelt in der dunklen Jahreszeit ein warmes Gefühl von Verbundenheit und Gemeinschaft. (Jolanthe Erbrich und Martha Kraft)