Tourismus und Kirche

Wie wir sinnhaft reisen

Bei einem Studientag zum Thema "Tourismus und Kirche" in Kloster Beuerberg gingen die Teilnehmer der Frage nach, wie sinnhaftes Reisen aussehen könnte.

Die Teilnehmer der Tagung kamen in Kloster Beuerberg zusammen. © Kiderle

Beuerberg - Volontariat in Afrika, Interrail-Reise durch Europa, Studium in Kanada: ein fast schon typischer Lebenslauf für die heutigen Endzwanziger. Weltenbummlerin Claudia Endrich (29) gehört zu dieser Generation und ist in ihrem Freundeskreis für ihre „Reiseversessenheit“ bekannt. Doch gefangen zwischen Rucksacktourismus und exzessiven Flugreisen beschleichen sie plötzlich Zweifel: Was ist der Sinn des Ganzen? In ihrem Buch „Das nächste Mal bleib ich daheim“ hinterfragt sie daher auch ihr eigenes Reiseverhalten. „Alle haben die gleichen Erlebnisse“, stellt Endrich ernüchtert fest. Was bleibe, seien tausendfache Selfies und ein Massenauflauf an Menschen. Das Maß sei voll und gehe auf Kosten von Umwelt und Einheimischen.

Die Frage nach dem sinnhaften Reisen beschäftigt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Studientags „Tourismus und Kirche“, der vergangene Woche in Kloster Beuerberg in Kooperation mit dem Tourismus Oberbayern München und dem Freisinger Diözesanmuseum stattfand. Von der weiten Welt können die meisten in Zeiten von Corona nur träumen. Doch sind Fernreisen selbst nach der Krise noch das, was innere Erfüllung verspricht? Unter der Moderation von Alois Bierl vom Sankt Michaelsbund (SMB) wird diesen Fragen kritisch nachgegangen.

"Von einem Kick zum nächsten"

„Reisen ist heute auf Erlebnisse ausgerichtet. Es geht von einem Kick zum Nächsten“, betont Professor Harald Pechlaner, Inhaber des Lehrstuhls für Tourismus und Leiter des Zentrums für Entrepreneurship an der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt. Kein Wunder, dass es viele an sakrale Orte wie Klöster und Kirchen zieht, denn vor allem der spirituelle Tourismus verspricht Ruhe und Entschleunigung. Doch auch hier gehen die Erwartungen der Gäste oft an dem Angebot vorbei.

Christian Fischer von „Klosterland Bayern“ etwa bietet Auszeiten in den bayerischen Klöstern an, doch viele verwechselten die Seelsorge mit einer Therapie und forderten eine „Eins-zu-Eins-Betreuung“, weiß er aus Erfahrung. Pechlaner spricht sich für klare Grenzen aus: Das Angebot müsse eindeutig definiert sein, ansonsten berge es die Gefahr, in der Beliebigkeit unterzugehen. Besonders kirchliche Angebote griffen oft Aktivitäten aus anderen Bereichen auf und entwickelten diese weiter. Essenziell sei hier auch die Gastfreundschaft, denn Begegnungen können ein Erlebnis vertiefen.

Massenaufläufe an Hot-Spots

Oswald Pehel, Geschäftsführer von „Tourismus Oberbayern“, plädiert seinerseits für „Mikro-Erlebnisse“, wie eine kleine Wanderung oder Radtour. „Es muss ein größeres Bewusstsein für die eher unscheinbaren Erlebnisse vor der Haustür entstehen“, betont er. Besonders dieser Sommer habe deutlich gemacht, was passiert, wenn plötzlich der Urlaub nicht mehr auf der anderen Seite der Erde, sondern direkt „vor Ort“ stattfindet. In Bayern kam es zu Massenaufläufen an den beliebten Hot-Spots.

Susanne Lengger, Geschäftsführerin des Tourismusverbands Pfaffenwinkel, macht sich Sorgen um die sensiblen Naturräume: „Auch kleinere Räume sind nicht mehr frei.“ Droht die Neubesinnung sich auch in eine Massenbewegung zu entwickeln?

Der Tourismus muss sich verändern, da sind sich alle einig, und besonders Corona zwinge die Branche zum Umdenken. Ein schwieriges Dilemma: Einerseits müsse wieder Geld in die Kassen, andererseits müssten die Besucherströme koordiniert werden. Reisen als sinnstiftendes Moment gelinge nur, wenn es nicht zum Massenprodukt verkomme. Unter dem Credo Gastfreundschaft, Nachhaltigkeit und Digitalisierung könne das zukünftige Reisen gestaltet werden. Die Kirche habe hierbei die Chance, die Menschen vor Ort zu erreichen. (Eileen Kelpe)