Blasphemie

Wie weit geht Meinungsfreiheit?

Darf Gott beleidigt werden? Dürfen religiöse Überzeugung beschimpft werden? Ein Blick in die deutschen Gesetze gibt Antworten.

Dem deutschen Gesetz geht es nicht um die Ehre Gottes. Daher ist die reine Gottelästerung nicht unbedingt gleich eine eine Straftat. © Manuel Schönfeld - stock.adobe.com

Als der Satiriker Jan Böhmermann 2016 eine „Schmähkritik“ gegen den türkischen Präsidenten Erdoğan verlas, entbrannte in Deutschland eine Diskussion: Was darf Satire? Dürfen Kunst und Satire im Namen der Kunstfreiheit grenzenlos beleidigen? Die Frage stellt sich auch im Zusammenhang mit Religion. „Blasphemie“ nennt man es, wenn jemand eine religiöse Überzeugung beschimpft. Was dabei erlaubt ist und was nicht, ist schwer einzuschätzen: Nach § 166 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) wird bestraft, wer „den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Es fällt auf: Das Beschimpfen allein genügt nicht. Wer Gott lästert, begeht zunächst noch keine Straftat – die Beschimpfung muss auch geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.

Gotteslästerung ist nicht unbedingt eine Straftat

§ 166 StGB ist notwendig, weil die Beschimpfung eines religiösen Bekenntnisses keine Beleidigung nach § 185 StGB darstellt: Adressat einer Beleidigung kann nur ein „lebender Ehrenträger“ sein – ein Mensch also, nicht Gott oder religiöse Traditionen. Das Strafrecht offenbart nun ein Bewusstsein dafür, dass die Verletzung religiöser Gefühle zu Unfrieden führen kann: Wer etwa Sachen zerstört, die zur Religionsausübung dienen, begeht nicht nur eine Sachbeschädigung, sondern eine gemeinschädliche Sachbeschädigung (§ 304 Abs. 1 StGB). Ähnlich bei der „Blasphemie“: Die öffentliche Beschimpfung Gottes kann zur Unruhe führen und ist daher unter Strafe gestellt. Das Schutzgut ist aber nicht die Ehre Gottes, sondern der öffentliche Friede!

Dabei darf natürlich die Meinungsfreiheit nicht unberücksichtigt bleiben. Das Grundgesetz (GG) schützt die freie Meinung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) ebenso wie die Kunst (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG). Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht seine „Wechselwirkungslehre“ entwickelt: Nicht jede herabwürdigende Meinung darf gesagt werden, nicht jedes beleidigende Anliegen durch künstlerische Gestaltung verbreitet werden; vielmehr müssen auch diese Rechte im Licht der Verfassung und der Rechte anderer interpretiert werden.

§ 166 StGB und Art. 5 GG


§ 166 Strafgesetzbuch

(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.

Artikel 5 Grundgesetz

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Deswegen ist es schwierig, zu prognostizieren, wann Meinung und Kunst nicht mehr von Art. 5 GG gedeckt sind, sondern eine Strafbarkeit nach § 166 Abs. 1 StGB im Raum steht: Die Grundrechte können nämlich auch eine Beschimpfung von Religionen rechtfertigen. Dazu muss man abwägen zwischen dem öffentlichen Frieden auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite. In der Praxis hat § 166 Abs. 1 StGB dabei eine geringe Relevanz: Der ehemalige Bundesrichter Thomas Fischer spricht in seinem Kommentar zum StGB von nur 15 Fällen jährlich, in denen es zu einer Verurteilung wegen § 166 Abs. 1 StGB kommt. Die Staatsanwaltschaft Mainz stellte 2016 übrigens ihre Ermittlungen gegen Böhmermann ein, weil „strafbare Handlungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“ waren. Sie begründete dies unter anderem damit, dass Karikatur oder Satire keine Beleidigung sei, wenn „die Überzeichnung menschlicher Schwächen“ keine „ernsthafte Herabwürdigung der Person“ enthalte. (Benedikt Bögle, katholischer Theologe und Jurist)